S&P 500 – hopp oder dopp

Der S&P 500 fällt die zweite Woche in Folge – Wochenverlust von 2,5%. Weiterhin gilt die Situation im Nahen Osten als Anlass. Zudem herrscht Unsicherheit, wie es mit der Geldpolitik der Fed weitergeht angesichts stabiler Makrodaten und aktueller Inflationswerte.

NDX und Nasdaq Composite zeigen sich ebenfalls schwach. Die Zahlen der MegaTechs sind teilweise nicht gut geug. Auch der Dow verliert weiter, wenn auch etwas weniger als die anderen großen Indices. Gold steigt weiter, Silber verliert. Die Ölpreise verlieren auf Wochensicht, der CRB-Index knapp behauptet.

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Die US-Renditen sinken, die der 13wk-TBills tendiert seitwärts. Die Rendite der 10yr-TNotes hat unter der Woche erneut die Marke von 5% touchiert. Der Dollar zeigt Stärke, Euro/Dollar knapp behauptet. Das Währungspaar Dollar/Yen hält sich weiterhin knapp an der Schwelle von 150 – mit einem kurzen Ausflug darüber.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken sinkt auf Wochensicht um weitere 0,8%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, verliert weitere 6,2%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, sinkt um weitere 2,7%.

Scheint so, als geht die inverse Zinsstruktur weiter zurück. Über das gesamte Spektrum der Laufzeiten hat sich die Differenz erneut positiver entwickelt. Ich hatte das schon mehrmals geschieben: Normalisiert sich die Zinsstruktur nach starker Inversivität, ist das aus historischer Sicht kein gutes Zeichen. Es legt nahe, dass eine Rezession näher rückt.

Der PCE-Kern-Preisindex (PCEPILFE) steigt im September so stark wie seit vier Monaten nicht. Im Jahresvergleich sinkt das Inflationsmaß um 0,1% auf 3,7%, im August lag der Wert bei 3,8%. Dieser Index wird von der Fed besonders beachtet. Das ist ein weiterer Hinweis auf eine robuste US-Wirtschaft. Weiter unten gibt es mehr dazu…

Die Berichtssaison kam in der zurückliegenden Woche so richtig in Fahrt. Jetzt haben knapp die Hälfte der Unternehmen im S&P 500 berichtet. Die Saison ist bis jetzt etwas besser gelaufen als es dem historischen Durchschnitt entspricht. Die Kursreaktionen nach Veröffentlichung der Gewinne waren überdurchschnittlich groß, Enttäuschungen wurden stärker abgestraft. Insgesamt wird jetzt eine Gewinnsteigerung von 4,3% im Jahresvergleich erwartet nach +1,6% zu Monatsbeginn.

Microsoft meldete Gewinne über den Erwartungen, der Kurs stieg daraufhin um mehr als 3%. Alphabet enttäuschte, woraufhin das Unternehmen fast 200 Mrd. Sollar an Marktkapitalisierung einbüßte. Intel überraschte positiv, der Kurs sprang um fast 10% hoch. Das verhalf am zurückliegenden Freitag auch dem Halbleiter-Index SOX zu einem Tages-Plus von 1,2%.

Sieben der neun am stärksten gewichteten S&P 500-Bestandteile werden zu einem Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis gehandelt, das über dem des S&P 500 liegt (aktuell 17, siehe etwa hier). Dazu gehören Tesla mit einem Vorwärts-KGV von 57, Amazon (35), Microsoft (knapp 30) und Nvidia, sowie Apple von je 28. Aphabet kommt auf gut 18. Sollten diese Top-Unternehmen die Gewinnerwartungen künftig deutlicher verfehlen, wäre mit einer Anpassung ihrer Aktienkurse zu rechnen. Das würde die breiten Indizes zusätzlich unter Druck setzen. Ganz zu schweigen davon, dass sich die Bewertungen auch nach unten bewegen könnten, wenn die Zinssätze so hoch bleiben wie derzeit und sich die höheren Kapitalkosten stärker auf die Unternehmensergebnisse auswirken.

Die erste Schätzung des US-BIP für das dritte Quartal überraschte mit +4,9% im Vierteljahresvergleich. Erwartet wurden 4,3% nach 2,1% im Vorquartal (Chartquelle).

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Die Entwicklung geht im Wesentlichen auf das Wachstum der Verbraucher-Ausgaben zurück. Der Bericht über die persönlichen Einkommen und Ausgaben für September zeigt das gleiche Bild wie in den Vormonaten: Die Entwicklung der Einkommen ist schwach, die Ausgaben entwickeln sich stark.

MishTalk: Das reale verfügbare Einkommen (DPI) sank im September um 0,1% und war damit den dritten Monat in Folge rückläufig. Die persönlichen Verbrauchsausgaben (PCE) stiegen real um 0,4%, die positive Richtung hält seit Mai an.

„Es wäre sehr überraschend, wenn das Konsumwachstum im vierten Quartal so stark bliebe", sagt Andrew Hunter, stellvertretender Chefökonom für die USA bei Capital Economics. „Es gibt Spielraum für höhere Zinsen und verschiedene andere Gegenwinde, die langsam ihren Tribut fordern.“ Das Conference Board weist darauf hin, dass „sich die Aussichten für eine weiche Landung der US-Wirtschaft zwar verbessert haben, unsere Basisprognose aber immer noch zwei Quartale Schrumpfung Anfang 2024 vorsieht."

In der Tat hat sich die Verfassung der US-Wirtschaft zuletzt weiter verbessert. Dies zeigt der folgende Chart.

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Dies gilt auch für die finanziellen Bedingungen. Sie weisen per September wieder eine positive Tendenz auf, aber im größeren Rahmen bleibt es bei einem negativen Trend. Insbesondere die Enwicklung der Kredite spricht eher für künftige weitere Belastungen.

Russische Vermögenswerte, die aufgrund der EU-Sanktionen bei Euroclear eingefroren wurden, haben dem Wertpapierverwahrer in den ersten neun Monaten des Jahres 3 Mrd. EUR eingebracht. Es wird erwartet, dass der Geldsegen zusätzlichen Druck auf die EU-Beamten ausübt, darüber nachdenken, ob sie die eingefrorenen Vermögenswerte besteuern sollen, um die Ukraine zu unterstützen.

Die Credit Derivatives Determinations Committees haben entschieden, dass das Versäumnis von Country Garden, die Zinsen für eine Dollar-Anleihe zu zahlen, ein Ausfallereignis darstellt. Das löst Auszahlungen auf Credit-Default-Swaps aus, die an die Schulden gebunden sind. Die tilgungsfreie Zeit für eine Zinszahlung auf eine weitere von dem Unternehmen begebene Dollar-Anleihe endete zum Wochenschluss.

Laut BlackRock wird sich der private Schuldenmarkt bis 2028 von derzeit 1,6 Bill. Dollar auf 3,5 Bill. Dollar mehr als verdoppeln. „Da der private Schuldenmarkt weiter wächst, wird seine Fähigkeit, direkt mit den öffentlichen Schuldenfinanzierungsmärkten zu konkurrieren, wahrscheinlich zunehmen", schrieb Amanda Lynam, Leiterin der Makrokreditforschung bei BlackRock, in einer Mitteilung.

MishTalk: Janet Yellen, die US-Finanzminsterin, prahlt mit dem Inflation Reduction Act (IRA), obwohl dieser bei der Inflationsbekämpfung kläglich versagt hat. Ja, wir haben enorme Investitionen in verschwenderische Wind- und Solarprojekte. Und wir haben EVs, die trotz massiver Subventionen nur wenige zu wollen scheinen. In der Tat, wenn man genug Geld verschwendet, wird die Wirtschaft eine Zeit lang „scheinbar" wachsen. Aber es liegt immer eine Rückzahlung auf dem Weg. In der realen Welt: GM streicht EV-Ziel, Ford fährt Elektro-Lkw zurück, Musk warnt vor Herausforderungen. Das Ergebnis dieses fiskalischen Stimulus ist mehr Inflation und steigende Defizite. Für Yellen ist das vor allem ein Ausdruck der Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft, was darauf hindeutet, dass die Zinssätze noch länger höher sein werden. Sagt doch jemand: „Janet Yellen ist eine wahnhafte nationale Peinlichkeit."

Laut dem vierteljährlichen Bank Lending Survey der EZB haben die Banken in der Eurozone im dritten Quartal ihre Kreditrichtlinien weiter verschärft. Die Banken „erwarten eine weitere, wenn auch moderatere, Nettoverschärfung der Kreditstandards für Unternehmenskredite und weitgehend unveränderte Kreditstandards für Wohnungsbaukredite an private Haushalte", so die EZB.

Tom McClellan schreibt in seinem aktuellen Newsletter, der McClellan Oszillator zeige eine bullische Divergenz. Der Oszillator beruht auf der Auswertung der Zahl steigender und fallender Aktien. Im Nasdaq hat er drei aufeinanderfolgende höhere Tiefs gebildet.

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Ein Problem bei einer Divergenz ist, so McClellan, dass es sich nur um eine „Bedingung" und nicht um ein „Signal" handelt. Sie sagt also nichts aus über den Zeitpunkt, wann die Aussage der jeweiligen Bedingung tatsächlich eintritt. Technische Analysten sagen daher, dass eine Bedingung genau dann von Bedeutung ist, wenn man nicht mehr erwartet, dass sie von Bedeutung sein könnte. Das ist dann auch wieder eine Divergenz…

The Capital Spectator schreibt, das Sentiment legt erneut nahe, dass die US-Leitzinsen ihr Topp erreicht haben. Dies wurde im Januar schon einmal vermutet, die Fed hat die Leitzinsen danach noch um ein weiteres Prozent erhöht. Jetzt stehen die Chancen besser, dass die Vorhersage wahr wird. So sind die realen (inflationsbereinigten) Zinssätze heute basierend auf inflationsindexierten Staatsanleihen höher als im Januar. Daher kann die Fed ihren Leitzins unverändert lassen und die Straffung durch höhere Realrenditen dem Markt überlassen.

Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4117,37 geschlossen. Er hat zuletzt den wichtigen Pegel bei 4150/4160 durchbrochen und notiert nun genau an der Abwärtslinie aus Ende Juli, sowie dem 62er-Retracement des Aufwärtsimpulses aus Mitte März (Chartquelle).

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Die Marktindikatoren zeigen sich per Saldo nun leicht bärisch. Die Volumenverteilung ist seit 17. Oktober in Akkumulation, aktuell mit Tempoverlust. Die Marktbreite nach TRIN ist bullisch, allerdings ebenfalls mit Tempoverlust; die AD-Line ist bärisch. Das Verhältnis zwischen S&P 500 und VIX ist jetzt ebenfalls bärisch, ebenso das Put/Call-Verhältnis. Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen Aktienindices) versucht eine Bodenbildung, vollzogen und bestätigt ist sie bisher nicht.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bullische lineare Merkmale weiter abnehmend, bärische nehmen zu. Die Lage ist stark überzogen, auch wenn bullische Muster noch nicht völlig verschwunden sind. Aus dieser Sicht spricht einiges für eine baldige bullische Umkehr, möglicherweise kommt aber vorher noch der „finale“ bullische Zusammenbruch.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.

Das für die Bullen triste Bild wird durch den VIX bestätigt. Der die implizite Volatilität im S&P 500 messende Index steigt über seiner EMA50 weiter an. Der Verlauf mahnt zur Vorsicht. Wenn die EMA50d (17,51) über die EMA50w (18,36) steigt, kommt es normalerweise zu einer signifikanten Korrektur, bzw. zu deren Beschleunigung.

Die Lage ist brisant. Unterhalb des aktuellen Kurses gibt es bis herunter zu 3950 keine wirklichen Support-Pegel. Das in den zurückliegenden Tagen steigende Handelsvolumen unterstreicht die Bedeutung. In meinen Augen haben wir es mit einer sehr fragilen Entscheidungssituation mit hohem Bewegungspotenzial in beide Richtungen zu tun. Ein bullisches „Wunschkonzert“ könnte so aussehen: Der Kurs des S&P 500 taucht dynamisch ab, gefolgt von einem kräftigen (intraday-)Reversal bis über 4150/4160.

Wahrscheinlicher ist aber, das alles technische Porzellan zerschlagen wird und der Index rasch unter 4000 abtaucht. Möglich, dass die Bären dann ihr Pulver zunächst verschossen haben. Bei 3800 wäre der gesamte Jahresgewinn des Index neutralisiert.

Ergänzung
US-Schulden – die zurückliegenden 100 Jahre (Chartquelle)
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