S&P 500 – höhere Zinsprojektion der Fed verstört

Der S&P 500 verlor auf Wochensicht kräftig. Als Anlass gilt, dass die Fed am Mittwoch nach der Sitzung ihres FOMC-Komitees die Vorhersage des Leitzinses für 2024 heraufgesetzt hat. Gleichzeitig hebt sie ihre Wachstumsprognose an. Die Kursabschläge waren breit gestreut, besonders betroffen waren Technologie-Werte im NDX und Nasdaq Composite.

Gold und Silber behaupten sich weiterhin gegen steigende Renditen. Die Ölpreise setzten ihren Höhenflug der zurückliegenden Wochen nicht fort, der CRB-Rohstoffindex lief schwächer.

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Die US-Renditen zeigen weitere Stärke, die der 10yr-TNotes bewegt sich über dem jüngsten zyklischen Hoch aus Ende Oktober 2022 und notiert so hoch wie seit 16 Jahren nicht. Die Rendite der 2yr-TNotes erreichte sogar ein 17-Jahres-Hoch. Der Dollar bleibt die zehnte Woche in Folge fest, der Druck auf Euro/Dollar scheint aber nachzulassen. Das Währungspaar Dollar/Yen legt auf Wochensicht zu, vor einem Jahr hatte die BoJ bei 145 interveniert.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken verliert 5%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, sinkt um 2,3%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, im Minus mit weiteren 3,2%.

Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: Der Spread der Rendite der 2yr-TNotes zur eff Fed Funds Rate nähert sich von unten weiter der Nulllinie an – das mag man als Hinweis sehen, dass die „Märkte“ den aktuellen Leitzins als „fair“ ansehen und immer weniger mit einer baldigen Wende in der Geldpolitik rechnen. Auch andere Rendite-Spreads entwickeln sich weniger negativ. Das ist nicht zwingend eine gute Nachricht – die Erfahrung mit früheren Rezessionen zeigt, dass der Beginn einer solchen in der Regel mit dem Abbau der inversen Zinsstruktur zusammenfällt. Im historischen Vergleich ist die Inversivität beim kurzen Ende des Laufzeitenspektrums immer noch hoch.

Der Abverkauf bei Aktien geschah auf breiter Front und mit erhöhtem Volumen. Die großen US-Indices haben am Donnerstag mit einer Abwärtslücke eröffnet und sind nunmehr alle unter ihre EMA50-Linien gefallen. Die Marktbreite gemessen am Anteil der Aktien, die über ihrer EMA50 notieren, hat sich in den vergangenen Tagen deutlich verschlechtert. Das sind Zeichen von Schwäche, die man nicht mehr leichtfertig als reine zyklische Gewinnmitnahmen einordnen sollte.

Die Vorhersage der Fed hinsichtlich Leitzins für 2024 lag mit 5,1% leicht über den Erwartungen, im Juni lag die Schätzung noch bei 4,6%. Sie legt zudem nahe, dass es in diesem Jahr noch einen weiteren Zinsschritt geben dürfte. In verschiedenen Reden zeigten sich Fed-Offizielle unsicher, ob der Kampf gegen die Inflation schon beendet ist.

Das Statement der Fed nach der FOMC-Sitzung sieht neben länger höheren Leitzinsen auch ein größeres Wirtschaftswachstum für 2024 vor. Nach Überzeugung vieler Beobachter passt das nicht zusammen. Normalerweise führt eine restriktive Geld-Politik zu einem ökonomischen Abschwung. Offenbar wollte die Fed die Botschaft aussenden, dass eine weiche Landung der US-Wirtschaft gelingt und eine Rezession vermieden wird. Das wäre das erste Mal und ist daher entsprechend wenig wahrscheinlich – insbesondere vor dem Hintergrund der langen und deutlichen Inversivität der Zinsstruktur.

Der Flash-PMI (Composite) sieht die Geschäftsaktivitäten in den USA im September im Stillstand. Der Service-Teil des PMI zeigt so wenig Bewegung wie seit Februar nicht (Chartquelle).

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Andererseits wurde am Donnerstag gemeldet, dass die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe so tief gesunken ist seit Januar nicht. Das wird als Zeichen der Stärke des Arbeitsmarktes interpretiert, es kam zur Unzeit wie als Bestätigung des Fed-Statements vom Vortag.

Meine Auswertung von Merkmalen der Zinsstruktur warnt seit einem Jahr vor einer Rezession. Das Signal hat einen Vorlauf von vier bis sechs Quartalen. Die Auswertung hat die jüngsten vier Rezessionen richtig vorhergesagt (angezeigt sind nur drei; für weiter zurückliegende verfüge ich nicht über ausreichend Daten).

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Der Fed-Analyst J. Wright hatte 2006 einen Indikator vorgestellt, der ebenfalls aus dem Verlauf der Zinsstruktur auf eine nahende Rezession schließt. Er lag bei der Rezession von 2001 richtig, verfehlte für 2008 knapp die Akzeptanzschwelle und zeigte für die von 2020 nur einen schwachen Ausschlag. Aktuell wird hier wieder eindeutig gewarnt.

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Ich hatte mich hier mit den Überlegungen von Wright beschäftigt und meine eigenen erläutert.

Der Verlauf der Rendite der 10yr-TNotes hatte Ende Oktober 2021 ein „Golden Cross“ produziert, bei dem der gleitende Durchschnitt über 50 Tage den über 200 Tag von unten nach oben schneidet. Das gilt üblicherweise als Signal für weiter steigende Notierungen. Nach Beobachtungen von Tom McClellan ist das umso wahrscheinlicher und tritt umso rascher ein, je näher der Kurs zum Zeitpunkt des Golden Cross am Schnittpunkt liegt. In der Tat setzte die Rendite damals (etwas verzögert) zu einem Höhenflug an (Chartquelle).

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Ende des zweiten Quartals 2023 trat erneut ein Golden Cross auf. Zudem lässt sich Aufwärtskanal einzeichnen, in dessen Rahmen sich die Rendite seit Mai bewegt.

Eine steigende Rendite der 10yr-TNotes, dem wichtigsten Preis im globalen Finanzsystem, bedeutet zugleich fallende Anleihe-Kurse. Da die Bilanzen von Banken und Versicherungen vollgestopft sind mit dem Zeug (u.a. weil es sich ja (angeblich) um Papiere mit Null Ausfallrisiko handelt), sitzen diese Institutionen auf gewaltigen Buchverlusten. Würden sie diese realisieren müssen, etwa um Cash zu generieren, kann das eine Pleitewelle anstoßen, bei der kein Auge trocken bleibt.

Der S&P 500 hat die zurückliegende Woche bei 4320,06 beschlossen. Der Index notiert klar unter seiner EMA50 (4434, sinkend) und hat am zurückliegenden Donnerstag mit einer Abwärtslücke eröffnet. Auch der sekundäre Pegel bei 4340 wurde unterschritten.

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Der VIX, Angstmesser an Wall Street, ist nach oben unterwegs, er notiert über seiner EMA50 und erscheint kurzfristig überkauft. Die Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden Volatilitätsausbruch sind weiterhin recht gering. Jetzt kommt es auf die Zuordnung von EMA50 (gelb im Chart) und EMA50w (EMA50 auf Basis von Wochenkursen, im Chart schwarz) an. So lange die erste unter der zweiten verläuft, geht vom VIX kein Signal signifikanter Korrekturen aus. Davon kann gegenwärtig noch keine Rede sein. Denkbar ist, dass der VIX nun wieder abtaucht. Da er sich aber bereits in recht tiefen Sphären aufhält und im Grunde ein Oszillator ist, ist das Potenzial nach unten begrenzt. [VIX und S&P 500 sind üblicherweise gegenläufig.]

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Wie aber die Vergangenheit zeigt, kann sich der VIX lange in tiefen Bereichen aufhalten. Deshalb würde ich hier nicht vorschnell bereits eine untere Wende und einen baldigen Schnitt der beiden EMAs erwarten. Wie sagte Keynes (in einem anderen Zusammenhang)? Märkte können länger nach oben laufen, als man mit der Spekulation auf fallende Kurse solvent bleiben kann.

Die Volumenverteilung an der NYSE bleibt in Akkumuation. Die übrigen Marktindikatoren sind indifferent. Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen Aktienindices) hatte vor einigen Tagen an der Grenze zum sehr bärischen Bereich gedreht. Aktuell lässt eine bärische Tendenz erwarten, dass es nochmals zu einem Test des Bodens kommt.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen abnehmende bullische Merkmale, bärische nehmen zu. Von hier aus wäre damit zu rechnen, dass die Bären zunächst im Vorteil bleiben (zumindest einige Tage).

Die Volatilität bei Aktien sollte zunächst anhalten. Die Chance für eine Wiederaufnahme bullischer Stärke besteht immer noch. Die technische Lage wird aber immer kritischer (für die Bullen). Jetzt ist im S&P 500 die Abwärtslinie aus Ende Juli (rot im obigen Chart) zu beachten, sie fällt aktuell mit dem 38er-Retracement des Anstiegs aus Mitte März und einem wichtigen statischen Pegel vom Hoch aus August 2022 zusammen.

Dreifach 4300 – das ist DER Pegel, den die Bullen verteidigen müssen. Möglicherweise rutscht der Index auch noch kurz bis zur EMA200 (aktuell 4265) durch. Wenn hier eine dynamische Wende stattfindet, hätte die Bärenfalle zugeschnappt.

Andererseits: Fällt auch die EMA200, wäre die nächste Etappe 4150/4160 und darunter das 62er Retracement bei 4115. Der strategische Vorteil läge dann bei den Bären. Die nächste Woche wird spannend.

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