Die Aktienmärkte brechen aus. Der Dow steigt auf Wochensicht um 1,2%, der S&P 500 brachte es auf +2,6%, er hat seit dem Tief im Oktober fast 23% zugelegt. Der NDX steigt um 3,8%. Der DAX gewinnt 2,6% und markiert ein Allzeithoch.
Euro/Dollar steigt im Wochenvergleich um weitere 1,8%; Dollar und Euro gegen Yen +1,8%, bzw. +3,6%. Die Ölpreise (Brent und WTI) drehen gegenüber der Vorwoche und steigen um jeweils 2,2%. Der CRB-Rohstoffindex steigt um weitere 4,0%. Gold (in Dollar) sinkt um 0,2%, Silber (in Dollar) sinkt um 0,5%.
Die US-Renditen – uneinheitlich: Die der 10yr-TNotes, dem wichtigsten Preis weltweit, steigt um weitere 0,7% auf 3,769%, die der 2yr-TNotes +2,5% auf 4,720%. Die Rendite der 13wk-TBills –0,4% auf 5,226%. Die Zinsstruktur zeigt am kurzen Ende eine flache, aber nach wie vor starke Inversivität. Am langen Ende ist der Spread leicht positiv und verläuft im Vergleich zur Vorwoche ebenfalls flach. Über alle Laufzeiten hinweg ist der Spread gleichbleibend negativ.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken setzt die Aufwärtsbewegung der Vorwochen nicht fort und sinkt auf Wochensicht um 0,5%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, steigt um weitere 3,9%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, steigt um weitere 4,2%.
Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: Im Verlauf der zurückliegenden Woche setzten die SmallCaps ihre relative Stärke gegenüber den LargeCaps nicht fort, sie liefen mit dem starken Gesamtmarkt mit. Die „Technologieseite“ zeigt zwar relative Stärke, der SOX schwächelt aber in den zurückliegenden beiden Tagen. Die Rally bei Aktien speist sich selbst, immer mehr Bullen schließen sich der Herde an. Die Rendite der TBills sinkt noch etwas weiter, weitere Mittel werden vom „Parkplatz“ abgezogen. Die gegen Yen steigenden Dollar und Euro unterstreichen den Optimismus der Akteure. Die Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff. Fed Funds Rate verringert sich weiter.
Die Fed hat die Leitzinsen auf ihrer Sitzung am Mittwoch der zurückliegenden Woche unverändert gelassen, aber zwei weitere kleine Zinsschritte für 2023 angekündigt (siehe auch „A Skip, Not a Stop"!). Die Rendite-Entwicklung, insbesondere die der 2yr-TNotes, deutet darauf hin, dass die „Märkte“ nicht daran glauben, was Fed-Chef Powell auf seiner Presskonferenz am Mittwoch sagte.
Da die EZB ihren Leitzins am zurückliegenden Donnerstag erneut auf jetzt 4,0% gesteigert hat, war eine Aufwertung des Euro gegen Dollar zu erwarten. Die EZB stellt kein Ende ihrer aktuellen Geldpolitik in Aussicht, gleichzeitig will die Bank of Japan bei ihrem lockeren Kurs bleiben. Beides dürfte für eine Ausweitung von Yen-Carry-Trade-Krediten sorgen und den Sprung in Euro/Yen erklären.
Die Aktienbullen fühlten sich in ihrer Ausrichtung auch durch die jüngsten Inflationsdaten für Mai bestätigt. Der Headline-CPI kommt noch auf 4,1% gegenüber dem Vorjahr nach 5% im April. Die Kerninflation liegt jedoch mit 5,3% im Mai immer noch hoch und zeigte sich gegenüber dem Vormonat (+5,5%) nur wenig verändert. Die Inflation der Rohstoffpreise nach PPI (PPIACO – Input für die Fertigungsindustrie) meldet im Mai –7,1% nach –3,1% im April. Die Preisstruktur verbessert sich insgesamt, der inflationäre Impuls ist mittlerweile recht weitgehend durch die Wirtschaft gelaufen.
Bemerkenswert ist die starke wöchentliche Steigerung der Rohstoffpreise (CRB-Index) um 4,0%. Der Hauptteil des Zuwachses fiel in der zweiten Wochenhälfte an, also nach Veröffentlichung der Inflationsdaten für Mai. Der um 1,2% sinkende Dollar-Index ist nur ein Teil der Erklärung, auch die Preissteigerungen bei Öl und Kupfer erklären sie nur zum Teil.
Der folgende Chart zeigt, wie sich das Sentiment der Investoren nach AAII (American Association of Individual Investors) kürzlich entwickelt hat. Es ist jetzt seit weit mehr als einem Jahr zum ersten Mal per Saldo bullisch. Was geschieht wohl, wenn das Sentiment der Aktienfonds-Manager (nach BofA) diesem folgt (Chartquelle)?
Wie weit kann es dann gehen, wenn man die Reserven (oder auch die Bilanzsumme der Fed) dem Nasdaq gegenüberstellt? In Q1/2020 gab es ein kurzes Intermezzo, wo der Nasdaq über den Reserven notierte, danach lag er stets darunter oder bestenfalls gleichauf (wie zuletzt in Q4/2021). Seit Anfang Q2/2023 liegt er erneut beachtlich über den Reserven (Chartquelle).
Der Vergleich ist zwar etwas willkürlich, weil er nur davon abhängt wie man die Skalierungen der y-Achsen wählt, aber im historischen Kontext ergibt sich dennoch die interessante Ansage einer überzogenen Bewegung.
Der Wert der Pleiten liegt jetzt schon nicht mehr weit weg vom Gesamtjahreswert aus 2008 und höher als die Vergleichswerte der zurückliegenden zwei Dekaden – wenn man die Ausreißer 2009 und 2020 ausklammert.
Scheint eine gesunde Wirtschaft zu sein dort drüben in den USA… Aber vielleicht ist die durchaus besorgniserregende Entwicklung der Pleiten auch der Grund dafür, warum die großen Akteure nicht so recht an das glauben, was der Fed-Chef sagte (siehe oben!).
Die gesamte Aktienmarkt-Kapitalisierung in den USA beträgt (nach Wilshire 5000 Index) etwa 46,4 Bill. Dollar. Der S&P kommt auf etwa 36,5 Bill. Dollar. 500 Aktien machen also knapp 80% des gesamten Aktienmarktes der USA aus, die übrigen 4500 kommen auf 20% – eine ziemlich ungleiche Verteilung. Aber es wird noch extremer – es gibt zehn „Giganten“, die herausragen.
Diese sind in der Reihenfolge ihrer Marktkapitalisierung Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Tesla, Berkshire Hathaway, Meta Platforms, Visa und UnitedHealth. Die Gruppe der zehn erreicht einen Anteil an der Marktkapitalisierung im S&P 500 von 34,7% und von 27,4% des Gesamtmarktes. Da das Gewicht in den Indices quartalsweise danach neu berechnet wird, wie sich die Marktkapitalisierung entwickelt, unterstützt das die Konzentration auf wenige Titel. Eine solch extreme Marktkonzentration wie aktuell gab es zuletzt Anfang 2000.
Das „Shiller PE“, das zyklisch adjustierte KGV nach Shiler, kommt aktuell auf 30,78. Hier ist der historische Kontext (Chartquelle).
Damit befindet sich der S&P 500 im oberen Zehntel seiner Bewertungsspanne. Hier sind im Mittel Erträge von 1,3% zu erwarten, wie die folgende Aufstellung zeigt:
Und noch einmal zur Entwicklung der weltweiten Schuldenquote im Verhältnis zum BIP: In den 1970er Jahren lag die Gesamtverschuldung weltweit bei etwa 100% des BIP. Im Jahr 2000 lag sie bei etwa 150%. Im Jahr 2020 lag sie bei 250%, von 2020 bis 2022 wuchs sie auf 350% des BIP. Berücksichtigt sind die gesamten ausgewiesenen Schulden der drei Sektoren der Volkswirtschaft, nicht jedoch die außerbilanziellen Verpflichtungen etwa aus Pensionen und sonstigen sozialen Anlässen.
Wie weit soll die schon exponentielle Entwicklung noch gehen? Eine Umstrukturierung der Staatsschulden, der öffentlichen Renten und der Währungen in den kommenden fünf bis sieben Jahren ist sehr wahrscheinlich. Anders als in den 1930er Jahren werden die Regierungen die Wirtschaft retten, indem sie große, systemrelevante Unternehmen (und natürlich Banken) stützen. Dazu werden die Zentralbanken enorme Mengen an Staatsanleihen kaufen.
Wahrscheinlich wird an irgendeinem Punkt einer kommenden extremen Schuldenkrise das Bargeld abgeschafft und digitales Zentralbankgeld eingeführt, und damit die ultimative Planwirtschaft. Siehe zum Stand der Vorbereitungen z.B. hier!
Bis dahin werden wir wahrscheinlich weitere Wellen von Inflation und steigenden Zinsen erleben. Gegenwärtig befinden wir uns am Ende der ersten Inflationswelle mit rückläufiger Inflation. Die nächste Welle folgt auf die nächste Runde von QE.
Der S&P 500 hat die zurückliegende Woche bei 4409,59 beschlossen. In der Vorwoche hatte ich getitelt, es würde rund gehen beim S&P 500 und vorhergesagt, „…dass es im S&P 500 wohl im Umfeld der FOMC-Sitzung am kommenden Mittwoch zu einem Blowoff kommt. Dem dürfte eine „wilde Bewegung“ um den Pegel 4300 herum folgen.“ Von dem zweiten Teil des Ausblicks kann gegenwärtig keine Rede sein.
Der Index stieß am zurückliegenden Freitag intraday an der Oberseite des seit der zweiten Hälfte Mai relevanten schmalen, steilen Aufwärtskanals an und zog sich dann etwas zurück. Der wichtige Pegel bei 4300, herkommend vom Hoch aus August 2022, wurde überzeugend überwunden. Der nächste wichtige Pegel im Fokus der Bullen dürfte bei 4500 liegen. Bis zurück zum August 2021 fungierte der sowohl als Widerstand, als auch als Unterstützung.
Zudem gäbe es insofern eine Symmetrie, als dass der Mitte März gestartete Aufwärtsimpuls bis zur Konsolidierung unter 4150/4160 350 Indexpunkte überstrich und der Abstand von 4150/4160 bis 4500 denselben Betrag ausmacht.
Warum dann nicht gleich weiter bis zum Allzeithoch bei 4800 vom Jahreswechsel 2021/2022? Naja, wir wollen mal nicht gleich übertreiben! Der S&P 500 ist stark überkauft. Das ist zwar alleine noch kein Grund für eine baldige Pause im Bullengeschehen. Aber es kommen einige Argumente hinzu.
So ist das Verhältnis SPX/VIX mittlerweile so extrem wie seit mehreren Jahren nicht. Zudem zeigt sich das „Klima“ weit in Greed. S&P 500 und VIX laufen außerdem nicht mehr bilderbuchmäßig invertiert zueinander, was auf kommende Instabilität hindeutet. Der VIX selbst notiert so tief wie kurz vor „Corona“. Seine Stochastik (Wertebereich von 0 bis 100) hat im unteren Extrembereich (<=20) noch ein wenig Platz nach unten, Ende März und Mitte April waren jeweils absolute Tiefpunkte erreicht worden. Die Volumenstruktur ist bullisch, die Verteilung der Volumina steht auf Akkumulation, die Marktbreite nach TRIN ist noch nicht extrem bullisch. Ich hatte zuletzt auf den „50-Tage-Zyklus" beim TQUAL-Indikator hingewiesen. Demnach hätte der Bull-Run kurzfristig noch Raum bis in den Juli hinein. Das würde sich decken mit anderen Indikatoren. Einstweilen melden meine Marktindikatoren aggregiert 86:0 für die Bullen.
Gut möglich, dass die Bullen-Veranstaltung tatsächlich bis zum Schluss des Halbjahres dauert, Window-Dressing liefert manchmal den „Nachbrenner“. Ein weiteres Indiz, dass die Aktienkurse noch nach oben blicken, liefern die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis. Sie stehen noch auf Expansion und melden starken „Inflow“.
Und so stehen die Zeichen noch auf „bullisch“, wobei ich allerdings vermute, dass die Volatilität im S&P 500, wie auch im VIX nun recht bald zunimmt (Montag ist Börsenfeiertag in den USA). Die Bullen, die zuletzt zahlreich zur Herde gestoßen sind, sind auch die, die besonders unruhig sind.
Nachtrag:
Tom McClellan stellt einen Zusammenhang her zwischen der Entwicklung des Baltic Dry Index (BDI – Preise für Schiffstransporte von Schüttgütern) und dem S&P 500. Der BDI hat am 10. Mai ein Topp gebildet und bis 2. Juni fast die Hälfte seines Wertes eingebüßt. Nach McClellan läuft der BDI häufig 26 Handelstage voraus und zeigt damit an, was im S&P 500 geschehen könnte. Dabei geht es um die Vorhersage der Richtung, nicht von Quantitäten.
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