Die Aktienbullen fassten sich in der zurückliegenden Woche ein Herz und bewegten die Kurse nach oben. Der Dow schaffte auf Wochensicht ein mageres Plus von 0,4%, der S&P 500 brachte auf es auf +1,4%. Der NDX steigt um 3,5% und zeigt in der vierten Woche in Folge relative Stärke. Der DAX steigt mit einer Aufwärtslücke um +2,3% an sein Allzeithoch von Anfang Januar 2022.
Euro/Dollar sinkt im Wochenvergleich um weitere 0,4%, deutlich under der Marke von 1,1000; Dollar und Euro gegen Yen +1,6%, bzw. +1,2%. Die Ölpreise beenden ihren Sinkflug und steigen um 2,2 (Brent), bzw. 2,7% (WTI). Der CRB-Rohstoffindex steigtebenfalls, um 1,6%. Gold (in Dollar) sinkt um 1,6%, Silber (in Dollar) gibt weitere 0,6% ab.
Die US-Renditen – erneut fester im Vergleich zur Vorwoche: Die der 10yr-TNotes steigt um 6,2% auf 3,683%, die der 2yr-TNotes +6,8% auf 4,268%. Die Rendite der 13wk-TBills +1,3% auf 5,246%. Die Zinsstruktur zeigt am kurzen Ende eine weiterhin leicht abnehmende, aber nach wie vor starke Inversivität. Am langen Ende ist der Spread leicht positiv und nimmt ebenfalls leicht ab.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt auf Wochensicht um 6,2%. Der Dow Jones Transport Index legt um 0,9% zu. Der Halbleiterindex SOX steigt um 7,8% und bestätigt damit die relative Stärke des NDX. Er notiert wieder im Bereich seines jüngsten Hochs aus Ende März und wieder über seiner erneut aufwärts gerichteten EMA50.
Der Flickenteppich von Einzeldaten ergibt folgendes Bild: Die Akteure scheinen die Bankenkrise abzuhaken und wenden sich erneut den wenigen starken Aktien aus dem Technologiebereich zu. Momentan sind Apple und Microsoft Trumpf. Die deutlich steigenden Renditen bestätigen das – aus dem Anleihebereich wird Kapital abgezogen. Der leicht positive Spread über das gesamte Renditespektrum drückt aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession abnehmend gesehen wird. Zu viel Optimismus oder Korrektur einer zu pessimistischen Sicht?
Zu der Annahme einer zu pessimistischen Positionierung passt die Ausrichtung der Spekulanten („non-commercial Futures Positioning“). Sie ist aktuell rekordverdächtig bärisch wie 2011 und 2007 („Bear Stearns“-Moment) (Chartquelle).
Falls sich die Bullen am aktuellen Punkt oben halten, werden die short positionierten Anleger bald aufgeben und die Aktienkurse dann durch Eindeckungen hoch treiben. Fragt sich, was die bereits länger long ausgerichteten Marktteilnehmer machen – in steigende Kurse hinein verkaufen?
Der Optimismus dürfte einerseits noch aus der überraschend gut gelaufenen Berichtssaison herrühren, auch aus der „überwundenen“ Bankenkrise, und sich andererseits aus der Erwartung schnell weiter abebbender Inflation speisen – natürlich mit der erhofften Konsequenz auf die Geldpolitik der Fed.
Am 14. Juni findet das nächste FOMC-Treffen statt. Bislang liegt die Wahrscheinlichkit eines weiteren kleinen Zinsschritts bei 40%. Einen Tag zuvor werden die Inflationsdaten für Mai veröffentlicht. Es gibt Erwartungen, der Headline-CPI könnte auf ungefähr 3,5% sinken, nach 4,9% im April. Unabhängig davon, wie man zu einer solchen Prognose steht – der Basiseffekt muss berücksichtigt werden. Vor einem Jahr befand sich die CPI-Inflation noch in einer soliden Aufwärtsbewegung. Sie erreichte im Juni 2022 mit fast 9% ihr Topp, im Mai 2022 kam sie auf +8,5%.
Wenn die Anleger auf ein solches Ereignis hinzocken, kann es kurz darauf ein böses Erwachen geben. Immerhin aber erscheint das Preisgefüge nach Verläufen von CPI und PPI (PPIACO) im April zum ersten Mal seit März 2021 wieder „gesund“. Auch ist die Inflation nach dem Verhältnis von Headline-CPI und Kernrate (ohne Preise für Lebensmittel und Energie) schon recht weit durch die Wirtschaft gelaufen. Es fehlen noch rund 2,4% gegenüber dem 2%-Ziel, im Juni 2022 waren es noch 10%.
Und doch wäre es mehr als überraschend, wenn der Preisschock als Einmal-Ereignis sang- und klanglos vergeht, ohne zumindest ein „Echo“ zu produzieren. Ich denke nach wie vor, dass eher mit einem Szenario zu rechnen ist, wie wir es in den 1970er Jahren hatten.
Sollte die Inflation nun (zunächst…) zügig weiter abebben, wäre mit deutlich sinkenden Bond-Renditen zu rechnen, auch die Hypotheken-Zinsen würden dann deutlich zurückgehen. Genau das könnte aber über die dann erneut anziehende Baukonjunktur alsbald einen Boden bei der Preisentwicklung einziehen. Sie berücksichtigt die Effekte aus Mieten und deren Äquivalenten für Eigentum besonders stark.
Felix Zulauf erwartet für die kommenden Jahre eine Achterbahnfahrt bei Aktien. Das wäre aus Sicht einer Preisentwicklung wie in den 1970er Jahren auch nachvollziehbar, wenn die Fed mit ihrer Geldpolitik hinterherhechelt und mal zu stark und mal zu schwach reagiert. Das würde dann auch bedeuten, dass in den kommenden Jahren Stock-Picking Trumpf ist, wie üblich in einer Stagflations-Umgegebung.
Das Schuldendeckel-Thema köchelt vor sich hin. Die Akteure an den Aktienmärkten schenken ihm keine besondere Beachtung. Ich glaube, das ist auch gerechtfertigt. Keine der beiden politischen Seiten wird es zu einem „Default“ kommen lassen, um sich dann die Turbulenzen zurechnen lassen zu müssen. Das gilt insbesondere angesichts der deutlich geschwächten Verfassung des Dollar als globale Leitwährung.
Man wird sich auf irgendeinen faulen Kompromiss einigen (wie bei allen früheren 78 Gelegenheiten auch), der wahrscheinlich vorsieht, dass man zukünftig das Defizit im Budget deutlich reduzieren wird. Das wird eine leere Versprechung bleiben, hört sich aber erst einmal gut an. Das ist der bequeme Trampelpfad.
Das ging in der Vergangenheit auch immer gut, weil Wachstum und Einkommen schnell genug wuchsen und damit die langfristigen Konsequenzen einer solchen Politik nicht weiter auffielen. Auch blieb die Masse der Schulden erträglich, insbesondere vor dem Hintergrund der noch unangefochtenen Stellung des Dollar. Nach 2000 gab es die ersten Anzeichen einer Wachstumsschwäche, die verstärkten sich nach 2008, der Welthandel überschritt seinen Zenith, schließlich kam „Corona“ mit einem großen Sprung bei der Staatsverschuldung.
Mit der Inflation und steigenden Zinsen verteuert sich der Schuldendienst und alles zusammen macht einen solchen Schuldenkurs nun unmittelbar gefährlich. Mittlerweile übersteigen die Zinsausgaben die Marke von einer Bill. Dollar und liegen auch über dem US-„Verteidigungs“-Budget.
Tom McClellan weist auf Divergenzen zwischen dem Verlauf des Kupferpreises und dem des NYSE Composite Index ($NYA) hin. Aus seiner Sicht ist das bärisches Zeichen für Aktien und deckt sich auch mit der Tatsache, dass die Aufwärtsbewegung bei Aktien nur von wenigen Titeln getragen wird (Chartquelle).
Der Kupferpreis hatte zwischen Mai 2021 und April 2022 das vormalige Hoch aus Februar 2011 geringfügig überschritten und befindet sich nun in einer Abwärtsbewegung. Noch dazu wurde vor einige Tagen ein „Death Cross“ produziert, indem die EMA50 die EMA200 von oben nach unten schneidet. Eine kurzfristige Gegenbewegung ist wahrscheinlich (Chartquelle).
Wird aber der Bereich um 580 im S&P GSCI Copper Index gerissen, dürfte es übergeordnet weiter abwärts gehen. Nächster Anlaufpunkt wäre dann der Bereich um 520. Kupfer spielt eine zentrale Rolle bei unserer Elektro(nik)-zentrierten Wirtschaft. Das gilt auch und erst recht im Rahmen der „Dekarbonisierung der Energieerzeugung“. Das würde einerseits signalisieren, dass der Preisdruck weiter abnimmt, andererseits wäre das ein Hinweis auf erlahmendes Wirtschaftswachstum.
Goldman Sachs sieht die Banken-Liquidität im zweiten Halbjahr weiter schwinden – um 600 Mrd. bis zu 1,2 Bill. Dollar, je nachdem wie die Verhandlungen hinsichtlich Schuldendeckel ausgehen. Auch für die Eurozone rechnet man mit einem weiteren Rückgang der Liquidität um 400 bis 500 Mrd. wegen auslaufender Ausleihungen im Rahmen des TLTRO-Programms und wegen anhaltendem Quantitative Tightening.
Der S&P 500 hat die zurückliegende Woche bei 4191,98 beschlossen. Damit hat er die eminent wichtige Marke bei rund 4160 erst einmal geknackt. Die seit Mitte April anhaltende Seitwärtsbewegung wurde damit nach oben aufgelöst. Das geschah allerdings nicht mit deutlich anziehendem Volumen, wie im Chart unten zu sehen ist. Das würde man aber normalerweise erwarten, wenn der Ausbruch Bestand haben soll.
Das bedeutet auch, dass die Schmerz-Grenze der Short-Spekulanten noch nicht erreicht ist. Das kann jetzt schnell kommen, der kleine Verfallstag ist vorbei. „Kann“, muss aber nicht. Das dürfte aber äußerstenfalls oberhalb von 4300 geschehen, dem Hoch aus Mitte August 2022. Zunächst befindet sich der Index in einem nicht sehr steilen, weiteren Aufwärtskanal, dessen Oberseite bis Ende März zurückverfolgt werden kann.
Die Marktbreite nach TRIN ist aktuell nicht mehr bullisch, die ADL-Linie (Anteil der bullischen Titel) liegt im Mittelfeld. Das Sentiment nach SPX/VIX und nach PCR liefert bullische Signale. Der VIX, Angstmesser an Wall Street, bewegt sich nahe den Tiefpunkten seit „Corona“. Die Stochastik (Tagesbasis) verkauft nahe dem überverkauften Bereich, die Stochastik auf Wochenbasis notert hier schon seit Mitte April. Die Stochastik hat bei einem zyklischen Indikator wie dem VIX eine besondere Relevanz. Das signalisiert, dass der Spielraum nach unten weitgehend erschöpft ist. Andersherum: Die Sorglosigkeit der Akteure hat ein solch hohes Maß erreicht, dass es allmählich riskant wird, auf weiter steigende Aktienkurse zu wetten.
Die zusammengefasste Auswertung der technischen Indikatoren MACD, RSI und Stochastik bei verschiedenen internationalen Aktienindices zeigt mittlerweile einen bärischen Status. Zu beachten ist auch die relative Schwäche des Dow. Er ist vor kurzem unter seine EMA50 getaucht und hat sich erst zum Wochenschluss wieder etwas mühsam darüber erhoben. Der DJ Transport Index zieht weiter abwärts. LargeCap–Werte insgesamt zeigen seit Ende März eine deutliche Outperformance gegenüber SmallCaps. Hier sind neben einigen „Schlachtrössern“ im Dow eben auch MegaTechs stark vertreten.
Die sind alles Hinweise, dass der S&P 500 noch von wenigen Aktien getragen wird. Läge eine bullische, zuversichtliche Stimmung vor, würden kleinere und mittlere Titel bevorzugt gekauft. Ansonsten hält man wegen ihrer Liquidität eher hoch kapitalisierte Papiere. Natürlich ergeben sich daraus keine unmittelbaren Umkehrsignale, es sind aber Fingerzeige, dass die Veranstaltung auf wackeligen Beinen steht.
Also: Noch begrenztes Aufwärtspotenzial im S&P 500, übergeordnet vermutlich Rückzug unter 4160 mit erstem Ziel 3950.
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