S&P 500 – ein wenig Angst

Die Aktienmärkte hatten in der zurückliegenden Woche einiges an Volatilität zu bieten. Der Dow meldet einen Wochenverlust von 0,2%, der S&P 500 kam auf +1,4%, der NDX sogar auf +5,8%. Da die Kurse am Freitag der Vorwoche eingebrochen waren, lagen die Vergleichswerte entsprechend tief. Der DAX verlor auf Wochensicht 4,3%.

Euro/Dollar im Wochenvergleich gut behauptet mit +0,2%, Euro und Dollar gegen Yen –2,2%, bzw. –2,4%. Die Ölpreise kollabierten, Öl Brent –12,2%, WTI Öil –13,1%. Auch der CRB-Rohstoffindex musste Federn lassen: -3,9%. Gold (in Dollar) gewann mit +6,5% deutlich.

Die US-Renditen purzelten mit der Furcht vor einer Bankenkrise: Die 10yr-TNotes verloren 7,4% auf 3,430%, die 2yr-TNotes –16,8% auf 3,825%. Am 8. März, dem Tag vor dem Run auf die Silicon Valley Bank, lagen die Werte noch bei 3,992%, bzw. 5,070%.

Mit der Entwicklung der Renditen wurde die Zinsdifferenz am langen Ende leicht positiv, am 8. März und davor war sie negativ. Die Zinsstruktur am kurzen Ende bleibt hingegen weiter invers. Die Rendite der 2yr-TNotes wird oft als vorlaufender Indikator für die Leitzinsen gesehen. Sie notiert 0,755% unter der „effective Fed Funds Rate“, die „Märkte“ erachten den aktuellen Leitins also als deutlich zu hoch. Am 8. März sah das noch ganz anders aus – die Differenz war mit 0,595% positiv, was die Erwartung von mindestens zwei weiteren kleinen Zinsschritten widerspiegelte.

Der S&P 500 „hört“ gegenwärtig sehr genau auf den Spread am langen Ende. Als die Inversität am langen Ende im Oktober zurückging, fand der S&P 500 einen Boden, als die Zinsdifferenz im Dezember wieder leicht negativ wurde, korrigierten Aktien. Anfang Januar stiegen sie erneut zu der wieder positiv werdenden Differenz – siehe gelbe Linie.

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Abgesehen davon, dass das „faire KGV“ (Kehrwert der 10yr-Rendite) aktuell etwas über dem Shiller-Aktien-KGV (CAPE) liegt – wenn die Bond-Kurse jetzt wieder nachgeben, dürfte das Aktien stützen. Dass dies das „Mark-to-Market“-Problem erneut verschärft, dürfte angesichts der von der Fed eingeleiteten Maßnahmen zunächst nicht mehr stören. In der zurückliegenden Woche wurde die Fed-Bilanz um 300 Mrd. Dollar länger, in etwa diesem Umfang dürften US-Banken frische Liquidität gezogen haben – ein enormer Zuwachs (siehe hier!).

Zum Thema der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) schreibt John Mauldin: „Ein Aspekt, den ich faszinierend (und beunruhigend) finde, ist die Tatsache, dass fast alle (94 %!) Einlagen der SVB über der FDIC-Deckungsgrenze von 250.000 Dollar lagen und daher nicht versichert waren. Diese Grenze ist kein Geheimnis. (…) Es sollte klar sein, dass größere Guthaben bei einem Bankzusammenbruch gefährdet sind. Den Einlegern der SVB schien das egal zu sein, oder sie glaubten, dass dies nicht für sie gelte.“

Welches Ausmaß die Geldschwemme nach „Corona" auf den Bankkonten angenommen hat, zeigt der folgende Chart (Quelle):

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Das im Zuge des Zusammenbruchs der SVB neu aufgelegte Fed-Programm „Bank Term Funding Program" kann man in diesem Zusammenhang als Garantie für alle Bareinlagen verstehen, gleich ob versichert (unter 250.000 Dollar) oder nicht. Zweifellos auch ein Anreiz, Einlagen nicht abzuziehen und damit das Problem drohender Illiquidität bei einzelnen Banken zu minimieren. Verbunden womöglich mit der Hoffnung, dass die Nachfrage nach Anlagen in kurzfristigen Staats- und Geldmarktpapieren dadurch nachlässt. Das würde den Druck auf die Fed verstärken, sich in ihrem Leitzinskurs zu mäßigen.

Auch wenn die neue Geldflut der Fed die Probleme zunächst wieder kaschieren kann – die Erkenntnis bleibt, die Wirtschaft kommt mit dem erreichten Zinsniveau nicht zurecht.

Als Reaktion auf den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank schrieb Ray Dalio: „Ich denke, dass es sich um ein sehr klassisches Ereignis in dem sehr klassischen Teil des kurzfristigen Schuldenzyklus handelt.“ Das knappe Geld führe zur Eindämmung des Kreditwachstums und der Inflation. Daraus entstehe eine sich selbst verstärkende Schulden-Kredit-Kontraktion, die sich fortsetzt, bis die Zentralbanken frisches Geld schaffen, das die Schulden-Kredit-Kontraktion aufhebt. Dadurch entstünden neue Kredite und Schulden, die den Nährboden für das nächste große Schuldenproblem bilden. Diese kurzfristigen Zyklen lassen die Schuldenaktiva und -passiva so weit anschwellen, bis sie nicht mehr tragbar sind und das Ganze in einer Umschuldung und Schulden-Monetarisierung zusammenbricht.

Dalio hält die Pleite der SVB für den „Kanarienvogel in der Kohlemine", für ein frühes Ereignis, das Auswirkungen auf die Risikowelt und weit darüber hinaus haben wird. Im Unterschied zu 2008, als sich alles vor allem Wohnimmobilien drehte, sind es jetzt seiner Meinung nach Venture-Capital- und Private-Equity-Gesellschaften mit negativem Cashflow sowie gewerbliche Immobiliengesellschaften, die die höheren Zinsen und die Geldverknappung nicht verkraften können.

Dalio meint weiter, dass seiner Meinung nach anstehende Ereignis käme nur sehr selten vor, etwa alle 75 Jahre (plus/minus 25). Allerdings kann ich nicht erkennen, was an dem von ihm skizzierten Szenario so einzigartig ist. Mal ist das eine Segment überschuldet, mal das andere. Oder wie es Michael Feroli, Chefökonom bei J.P. Morgan, formulierte: „Immer wenn die Fed auf die Bremse tritt, fliegt jemand durch die Windschutzscheibe. Man weiß nur nie, wer es sein wird." Insgesamt kann ich Dalio folgen, dass aus einer mit frischem Geld zugeschütteteten Schulden-Kredit-Kontraktion neue Kredite und Schulden entstehen. Das geht so lange, bis es schließlich zur Monetarisierung von Schulden kommt – hatten wir erst 2008+, nicht erst vor Jahrzehnten.

Dass der kommende (Banken-) Crash wahrscheinlich schwerer wird als 2008, liegt angesichts des Missverhältnisses von Geldmenge, Zinsen, Schulden und schwacher Wirtschaftsdynamik auf der Hand. Da hilft irgendwann nur eine neue Viruspanik oder die Einführung digitalen Zentralbankgeldes (=Abschaffung von Bargeld) oder beides oder …? Siehe hier!

Wie wir alle wissen, stand nach der SVB und der Signature Bank die nächste Bankpleite an. Die First Republic Bank wurde gerettet durch ein Bankenkonsortium, das 30 Mrd. Dollar einlegte, befristet auf 120 Tage. Die Gelder werden verzinst mit dem aktuellen, für alle Einleger gültigen Satz.

120 Tage – das sollte man sich merken!

Bei den Vorgängen in der Bankenbranche ging die jüngste Inflationsentwickelung etwas unter. An dieser Front wird weiterer leichter Tempoverlust sichtbar, insbesondere bei den Preisen, zu denen die Unternehmen ihre Rohstoffe einkaufen. Zudem ist der Einzelhandelsumsatz im Februar stärker zurückgegangen als erwartet, die Industrieproduktion läuft seitwärts. Das gilt auch für die Kapazitätsauslastung, sie hatte im April 2022 ein lokales Maximum erreicht, aktuell liegt sie 2,5% darunter. Der Tempoverlust wird immer offensichtlicher.

Wenn Dalio recht hat, dass aktuell Venture-Capital- und Private-Equity-Gesellschaften Dominosteine für einen Banken-Crash sein könnten, dann sollte sich das in den Notierungen im Tech-Bereich niederschlagen – möglicherweise in Form einer massiven Übersteigerung der Outperformance des NDX etwa gegenüber dem Dow. Er zeigt bereits seit dem Jahreswechsel relative Stärke und hat das in dieser Woche durchgehalten. Das muss beobachtet werden!

Der S&P 500 hat die Woche bei 3916,64 beschlossen. Er hat den wichtigen Pegel bei 3800 touchiert, darunter wäre das überheordnet bullische Szenario aus dem Oktoiber 2022 revidiert worden. Aktuell notiert er wieder über seiner Abwärtslinie vom ATH aus der Jahreswende 2021/2022. Er schloss über dem ebenfalls wichtigen Pegel bei 3900, wenn auch unter der EMA50 (3982) und der EMA200 (4000) (Chartquelle).

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Die Volatilität wird noch eine zeitlang hoch bleiben, die Charttechnik ist fragil. Plötzlich aufkommende Bedenken und erhöhte Nervosität tun ein Übriges. Aber ich gehe davon aus, dass nun die Bullen allmählich wieder die Oberhand gewinnen. Die von mir verfolgten Marktindikatoren weisen seit einigen Tagen ein bärisches Extrem auf. Insbesondere die Volumenseite sieht sehr bärisch aus. Die Volumenverteilung an der NYSE ist nach wie vor in Distribution. Allerdings ist sie jetzt schon so lange überdehnt, dass gemessen an früheren Phasen ein Umkippen in Akkumulation ansteht. Das wäre ein per se bullisches Zeichen.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis legen nahe, dass ein Regimewechsel kommt. Zwar ist der aktuelle bärische Zyklus noch nicht voll durchgeschwungen, so dass die Aussage mit Vorsicht zu genießen ist. Aber zusammen mit den Marktindikatoren ergibt sich das Bild einer baldigen Umkehr.

Die Auswertung des VIX, Angstmesser an Wall Street, zeigt „Fear“, wenn auch nicht sehr ausgeprägt. Der VIX notiert über seiner EMA50, die wiederum unterhalb der EMA250 liegt. Das ist üblicherweise eine Konstellation, in der Aufwärtsimpulse beim VIX, Anfälle von Angst, keine übermäßig große Aussagekraft haben.

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Mein Fahrplan für die kommenden Tage sieht daher vor, dass sich der S&P 500 eher nach oben orientieren dürfte. Volatilität und Rückschlagsgefahr bleiben zunächst hoch, ein Volatilitätsausbruch mit Bärenfalle ist denkbar. Der Index sollte jetzt tunlichst den Pegel bei 3900 respektieren. Zu ersten Entspannungszeichen dürfte es kommen, wenn der Pegel bei ~3975 überwunden wird, erst recht, wenn auch Kurse über der EMA50 (3982) erreicht werden.

Am Mittwoch wird das Ergebnis der FOMC-Sitzung bekannt gegeben. Vor den jüngsten Bankenpleiten war die Marktmeinung ziemlich klar – die Fed wird die Zinsen um 0,5% anheben. Jetzt sind die Erwartungen geteilt, einiges spricht für 0,25%, aber auch 0% wird für nicht unwahrscheinlich gehalten. Die EZB hatte an ihrer Ankündigung fest gehalten und am zurückliegenden Donnerstag 0,5% draufgepackt. Macht die Fed dasselbe? Das würde die Märkte heftig durcheinanderwirbeln. Wie auch immer – die Nervosität dürfte im Vorfeld hoch bleiben mit möglichen heftigen Preis- und Kursschwüngen.

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