Banken – 2023 wie 2008?

Die Pleite von zwei US-Banken in den zurückliegenden Tagen und die wackelnde Crédit Suisse rufen Erinnerungen an die Große Finanzkrise 2008 wach. Wahrscheinlich wackeln noch mehr Banken hinter den Kulissen, wie etwa die First Republic Bank.

2008 – das Problem damals waren schlechte Hypothekenkredite. Institutionelle Käufer wie Pensionsfonds, deutsche Sparkassen und andere leichtgläubige Käufer kauften diese kreativ in neue Wertpapiere umverpackten „totsicheren“ Kredite, weil sie spät dran waren in der Immobilien-Reise nach Jerusalem und noch eine schnelle Mark machen wollten. Die Rating-Agenturen spielten das betrügerische Spiel mit.

2023 – bei den Investitionen in Staatspapiere oder gebündelte langfristige Hypotheken, die die Silicon Valley Bank und viele andere Banken gekauft haben, bestand das Risiko eines Kreditausfalls nicht. Aber mit steigenden Zinssätzen fallen die Preise der „alten Wertpapiere" im Portfolio der Banken, damit die Rendite für neue Käufer mit den steigenden Zinssätzen der Fed in Einklang ist.

In 2008 waren die massenhaft gehandelten Hypotheken-Papiere überbewertet, in 2023 notieren die Papiere in den Portfolios der Banken unter dem Ausgabepreis. In 2008 war massenhafter Betrug im Spiel, es handelte sich um „Mark-to-Fantasy"-Junk, wie Michael Hudson schreibt. In 2023 hat die Marktbewertung auf die schnell steigenden Leitzinsen der Fed reagiert – „Mark-to-Market".

Das Problem von 2023 ist auch deshalb so goß, weil mit den massiven COVID-bedingten rund 4 Bill. Dollar an Lockerungsmaßnahmen der Fed und rund 5 Bill. Dollar an „Konjunkturprogrammen" und Unternehmens-„Krediten" (die nicht zurückgezahlt werden mussten) die Geldmenge extrem angestiegen ist. Die Unternehmen hielten sich mit neuen Investitionen zurück und überschwemmten die Banken mit Geld, das sie nicht ausgeben wollten. Gleiches galt auch für Verbraucher und Bezieher hoher Einkommen etwa aus der prosperierenden Tech-Branche.

In den Jahren niedriger Zinsen mussten Banken den Einlegern nur 0,1 oder 0,2% auf ihre Einlagen zahlen. Das war das, was das Finanzministerium für kurzfristige, risikofreie Schatzanweisungen zahlte. Die Einleger hatten kaum eine Alternative, aber die Banken verlangten viel höhere Zinsen für Kredite, Hypotheken und Kreditkarten.

Die Banken konnten auch durch den Kauf von Wertpapieren mit längeren Laufzeiten einen Arbitragegewinn erzielen, sie erhielten höhere Zinsen für Investitionen als sie für Einlagen zahlten. Die Marge war nicht groß – weniger als 2%, aber immerhin. Die Masse macht es.

Als Fed-Chef Powell vor einigen Tagen vor dem Kongress weiter und länger steigende Zinsen ankündigte, wurde die wachsende Kluft zwischen dem, was Anleger durch den Kauf von risikofreien Schatzpapieren verdienen können, und dem Hungerlohn, den die Banken ihren Einlegern zahlten, so offensichtlich, dass sich wohlhabendere Einleger veranlasst sahen, Gelder abzuziehen, um anderswo eine bessere Rendite zu erzielen.

Bei den Geschehnissen um die Silicon Valley Bank und andere Banken handelt es sich nicht um einen „Run auf die Banken" aus Angst vor der Insolvenz. Aber der Abzug von Einlagegeldern, der, wie mittlerweile deutlich wird, durchaus konzertierten Charakter hat, kann zur Illiquidität führen. Notverkäufe von Wertpapieren führen dann zu Verlusten, die nicht enstehen würden, wenn die Anleihen bis zur Fälligkeit hätten gehalten werden können.

Dies ist nun die Umkehrung der quantitativen Lockerung der Obama-Rettungsmaßnahmen, die die Preise für Immobilien, Aktien und Anleihen stetig in die Höhe getrieben hat. Die Fed hat sich selbst in die Enge getrieben: Will sie die Ära der „normalen" Zinssätze wiederherstellen, muss sich der 15-jährige Anstieg der Asset-Preise umkehren.

Um sich die Größenordnungen zu vergegenwärtigen: Anfang September 2008 kam die Bilanzsumme der Fed auf 900 Mrd. Dollar, Mitte März 2022 war sie mit 8960 Mrd. Dollar fast zehnmal so hoch. Am 7. März lag sie durch das mittlerweile eingeleitete „Quantitative Tightening“ bei 8340 Mrd. Dollar (Chartquelle).

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Aktuell ist die Bilanz der Fed aber schon wieder fast 300 Mrd. Dollar länger (!!!). Einen Teil dieses Betrages dürften die Banken in dieser Woche aus dem frischen „Bank Term Funding Program" gezogen haben. In diesem Rahmen werden den Einlagen-Instituten Darlehen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr angeboten, die durch Staatsanleihen und andere von diesen Instituten gehaltenen Vermögenswerte gesichert sind. Dabei akzeptiert die Fed Sicherheiten zum Nennwert – nicht zum Marktwert. So können die Banken Mittel aufnehmen, ohne Vermögenswerte mit Verlust verkaufen zu müssen. Das kann man auch interpretieren als den Versuch, alle Bankeinlagen zu versichern.

Rückblende: Vor „Corona“, zwischen September 2019 und Februar 2020, lag der Wert der neu geschaffenen Liquidität im Mittel bei rund 70 Mrd. Dollar – pro Monat (siehe hier!)!

Wenn wir jetzt in der Phase der Rückabwicklung der QE-Maßnahmen seit 2008 sind, dann ist festzuhalten, dass die Fed (und der US-Staatshaushalt) seinerzeit ungleich besser dastanden als heute. Die Bilanz der Fed ist aktuell mehr als neun Mal länger als vor der Lehman Pleite.

Wenn der Kapitalbedarf der Banken so weiter geht, wie das jetzt begonnen hat, wäre die Fed-Bilanz Ende April bei zehn Billionen Dollar angelangt. Dabei sind irgendwelche „Unfälle“, die trotz dieses neuen Fed-Programms jetzt nahezu unvermeidlich sind, noch gar nicht einbezogen.

Und diese „Unfälle“ sind etwa denkbar, wenn sich Banken plötzlich Kreditausfällen gegenübersehen. Und die werden umso wahrscheinlicher, je stärker nun die Bremsen greifen, die auf die schnellsten Zinssteigerungen seit mehr als vier Dekaden zurückgehen. Wie zuletzt hier dargestellt, zeigen sich in den Makroindikatoren deutliche Schwächezeichen, etwa im Arbeitsmarkt.

Nehmen wir den Verlauf der Rohstoffpreise nach CRB-Index. Er hat sich seit seinem Tief Ende April 2020 bis zum Hoch im Juni 2022 verdreifacht und zeigt seitdem Schwäche. Das läuft zusammen mit Schwäche in der BIP-Entwicklung.

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Schwäche zeigt auch die Entwicklung des Kupferpreises, ein Schlüssel-Rohstoff für unsere Elektro-/Elektronik-Wirtschaft. Dasselbe gilt für die Ölpreise – Öl Brent notierte in der zweiten Januarhälft noch bei 88 Dollar, aktuell werden 75 Dollar bezahlt (Chartquelle).

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Im kurzen Zeitfenster zeigen Euro/Yen und Dollar/Yen markante Schwäche. Der Yen ist weithin bekannt als Carry-Trade-Währung angesichts des dort immer noch bestehenden Zinsdeckels bei 0,5%. Werden solche Kredite in Yen zurückgeführt, drückt das auf den Kurs der Währungspaare. Selbstverständlich können hier auch noch andere Einflussfaktoren wirken. Aber erfahrungsgemäß schlagen sich Unsicherheiten im Finanzsektor bei der Yen-Entwicklung deutlich nieder. Beide Währungspaare zeigen seit dem zurückliegenden Wochenende deutliche, nervöse Schwäche. Es besteht auch eine auffällige Parallelität mit der Entwicklung der Aktienkurse (Chartquelle).

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Nehmen wir die längerfristige Entwicklung von Dollar/Yen und Euro/Yen hinzu: Im Oktober notierten beide bei rund 150, aktuell werden noch 132, bzw. 140 erreicht. Wenn sich der Rückzug mit der Auflösung von Carry-Trade-Krediten in Verbindung bringen lässt (wofür auch andere Indizien sprechen), zeigt das Unsicherheit auch über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Rückführung von Krediten ist stets ein Zeichen, auf das man achten muss.

Vielleicht interessiert Sie auch ein Blick auf den Zyklusverlauf nach Murphy. Er klassifiziert sechs Phasen in einem Zyklus, je nachdem, ob die Segmente Bonds, Aktien oder Rohstoffe auf-, bzw. abwärts laufen. Im Chart werden die Zyklusphasen mit „0“ bis „5“ bezeichnet, vollständige Zyklen werden mit einem schrägen Aufwärtspfeil markiert (Chartteil unten). Auffällig ist, dass es nach dieser Auswertung zwischen 1995 und 2018 keine regelmäßigen regulären Muryphy-Zyklen (von jeweils gut drei Jahren Dauer) gab. Das hängt wohl v.a. damit zusammen, dass die Anleiheseite nicht regulär „funktionierte“, zu erkennen im weitgehenden Fehlen der Phasen „0“ und „5“.

Übrigens: Auch zwischen 1975 und 1981 ließen sich keine regulären Zyklen ausmachen. Damals wie heute gab es schnell steigende Leitzinsen, bzw. eine ausufernde Inflation.

Wie zu sehen, ist jetzt offenbar die Phase „0“ mit sinkenden Rohstoffpreisen, sinkenden Anleihekursen und sinkenden Aktienkursen eingeleitet worden.

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Wie schlecht der Bankensektor langfristig eingeschätzt wird, zeigt der Kurs-Verlauf eines ETF auf den Banken-Sektor im EStoxx50. Er zeigte Anfang März 2009 ein Tief bei 8,92. Dann stieg er bis Mitte Oktober 2009 auf 24. Von dort aus ging es bergab. Das jüngste Tief stammt aus Juni 2022 bei 6,71. Mit den ersten Leitzinsschritten der EZB erfolgte ein Anstieg bis auf 11,50 vor wenigen Tagen. In den zurückliegenden sechs Handelstagen verlor der ETF 16%. Der europäische Bankensektor gilt im Vergleich etwa zu dem der USA als aufgebläht und besonders anfällig.

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Die aktute Gefahr einer Banken-Krise scheint zunächst abgewendet, allerdings mit einem enormen Liquiditätszufluss von 300 Mrd. Dollar von Seiten der Fed innerhalb einiger Tage. Misstrauen und Angst bleiben noch und damit die Unsicherheit. Banken bleiben der Schwachpunkt und die Situation wird zunehmend brenzliger, je mehr die Wirtschaft nun an Tempo verliert. Dann drohen in der hoch verschuldeten Wirtschaft platzende Kredite.

Man kann darauf spekulieren, dass die Zentralbanken alles tun, um einen Banken-Crash jetzt zu verhindern. Sie sind noch nicht so weit in der Schaffung eines digitalen Euro, bzw. Dollar verbunden mit der Abschaffung von Bargeld und der Einrichtung eines einzigen Zentralbank-Kontos pro Einwohner. Ich schätze, 2025 könnte insoweit alles vorbereitet sein. Dann könnten sie einen Crash zulassen und zum Anlass nehmen, um Zentralbankgeld als die „einzig mögliche“ Rettung aus der Taufe zu heben.

Ergänzung:
Einige Beobachter verweisen auf „Leveraged Buyouts Loans". Nach gut laufenden Jahren sei dieser Markt nun wegen gestiegener Zinsen unattraktiv geworden und zusammengebrochen. Sie werden mit den „Subprime-Krediten" von 2008 verglichen. Ich halte das für einen Neben-Kriegsschauplatz, das passt vom Umfang her nicht.

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