US-Banken-Krise voraus?

Die Aktienmärkte kamen in der zurückliegenden Woche weltweit unter Druck. Erklärt wurde das mit den Vorgängen um die Silicon Valley Bank. Der KBW-Index regionaler US-Banken verlor auf Wochensicht 12,3%. Der S&P 500 büßte 4,5% ein, der NDX verlor 3,8%, der Dow gab 4,4% ab. Der DAX schloss 1,0% tiefer. Währungen zeigten sich wenig verändert. Die Ölpreise verloren rund 4%, der CRB-Rohstoff-Index kam auf –3,7%, Gold in Dollar +0,6%. Die Rendite der 2yr-TNotes ging um 5,7% auf 4,595% zurück, die der 10yr-TNotes verlor 6,4% auf 3,705%.

Hinsichtlich der Vorgänge um die Silicon Valley Bank ist die große Frage: Ist das ein singulärer Effekt oder ist es die Spitze des Eisbergs weiterer Verwerfungen im Bankensystem. Die Silicon Valley Bank ist ein bedeutender Finanzierer von Wagniskapital für Wachstums-Firmen, allein deswegen dürften die Ereignisse ausstrahlen. Aber die wichtigere Frage ist die nach der Verfassung der gesamten Branche. Immerhin ist die aktuelle Pleite in der US-Geschichte die zweitgrößte unter den Geschäftsbanken nach Washington Mutual (September 2008).

Bisher hatte man die steigenden Leitzinsen als Gewinntreiber für Banken gesehen, jetzt wird die Frage gestellt, ob angesichts der unter Wasser stehenden Assets im Gesamtumfang von 620 Mrd. Dollar nicht die Gefahr weiterer Notverkäufe bei weiteren Banken besteht. Siehe hier! Die Renditen sind in der zurückliegenden Woche regelrecht abgestürzt, entsprechend sind die Kurse von US-Staatsanleihen um 4,4% angestiegen. Die Kurse der Euro-Bunds haben nur um 1,2% zugelegt. Das legt nahe, dass man momentan eher an regional begrenzte Faktoren glaubt.

Die Erträge der Banken stehen in dem Spannungsfeld zwischen Zinserträgen aus dem laufenden Kreditgeschäft, den Erwartungen der Sparer auf angemessene Verzinsung ihrer Bareinlagen und den Erträgen aus dem Handelsgeschäft mit Assets. Die Margen aus dem Kreditgeschäft steigen mit steigenden Leitzinsen zunächst bis die Zinsstruktur invers wird. Sparer verlangen mit steigenden Leitzinsen höhere Zinsen, was die Erträge belastet. Oder sie ziehen Einlagen ab, weil sie z.B. mit Geldmarktfonds mehr Rendite erzielen können. Assets, v.a. Staatsanleihen, in den Beständen der Banken können zum Problem werden, wenn die laufenden Erträge nicht mehr auskömmlich sind oder massiv Kundengelder abgezogen werden. Dann kann es zu Notverkäufen kommen, wie jetzt bei der Silicon Valley Bank. Ich komme auf den Bankensektor weiter unten zurück.

Die Zeiten für Banken werden problematisch, wenn es mit den steigenden Leitzinsen zu einer Abkühlung der Wirtschaft kommt. An diesem Punkt sind wir jetzt. Und das wird in den Zahlen des US-Arbeitsmarktberichts für Februar deutlich.

Die Arbeitslosenquote ist überrraschend um 0,2% auf 3,6% angestiegen. Die Zahl der Arbeitsplätze ist stärker angestiegen als erwartet, blieb aber deutlich hinter dem Zuwachs aus Januar zurück, der zudem abwärts revidiert wurde. Die Löhne sind weniger angestiegen als erwartet, die Wochenarbeitszeit ist zurückgegangen. Das alles zeigt, dass die Aufwärtsdynamik am Arbeitsmarkt nachlässt.

Der folgende Chart zeigt, dass die Schaffung neuer Arbeitsstellen im März 2022 einen Maximalwert erreicht hatte. Einen Monat zuvor hatte bereits die durchschnittliche Zahl von Überstunden ihre Spitze erreicht. Überstunden sind eine Art vorlaufender und verstärkender Indikator. Wenn ein Unternehmen einen Engpass bei der Arbeit sieht, wird man dies zunächst durch mehr Überstunden ausgleichen. Später erfolgen dann (bei weiter gutem Geschäft) Neueinstellungen. Umgekehrt läuft es genauso. (Chartquelle)

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Damit mehren sich die Anzeichen, dass die Fed ihrem erklärten Ziel zunächst näher kommt: Der heraufziehenden Schwäche am Arbeitsmarkt dürfte alsbald eine sinkende Nachfrage der Verbraucher folgen. Das sollte nach Vorstellung der Fed dazu führen, dass die Preise zurückgehen. Hierzu gibt es in der kommenden Woche neue Erkenntnisse, wenn die Inflationsdaten für Februar auf den Tisch kommen.

Der Investment-Veteran Dr. Ed Yardeni meint, der Zusammenbruch der Silivon Valley Bank könnte der Beginn einer Kreditklemme für Tech-Startups sein, da die Bank ein wichtiger Kreditgeber in diesem Bereich war. Aber er bezweifelt, dass dies der Kanarienvogel im Kohlebergwerk für das gesamte Kreditsystem ist. Andererseits könnten die Probleme der Bank die Fed-Beamten davon überzeugen, zumindest das Tempo der Zins-Straffung zu verlangsamen. Ist das ein überzeugendes Argument für die Bullen?

John Townsley von Goldman Sachs sieht das wahrscheinlichste Ergebnis in einer sanften Landung voraus. Er sieht den S&P 500 in einer Handelsspanne zwischen 3.600 und 4.000, was dem fairen Wert entspricht. Wenn es zu einer Rezession kommt, sinken die Gewinne und die PE-Multiplikatoren (Forward Estimates) sinken um 14, was seiner Ansicht nach das Abwärtsziel bei 3150 setzt. Wenn hingegen eine Bilderbuch-Erholung kommt, Inflation und Zinssätze sinken, könnten wir in 2023 vielleicht auf 4400 kommen, heißt es.

Fed-Chef Powell hatte in seiner Rede vor dem Kongress am Dienstag darauf hingewiesen, dass der Inflationsdruck gemäß jüngster Daten „stärker als erwartet ist, was nahelegt, dass das endgültige Zinsniveau wahrscheinlich höher ausfallen wird als bisher angenommen." Powell möchte also offenbar nicht als Arthur Burns in die Geschichte eingehen, der Fed-Chef, der vor 1980 die Zinsen zu früh senkte (wodurch die Inflation zurückkam), sondern will wie Volcker in guter Erinnerung bleiben, weil er die Inflation ein für alle Mal besiegt hat. Volcker hatte als Fed-Chef in den frühen 1980er Jahren die Inflation durch massive Leitzinssteigerungen in den Griff bekommen.

Inflation ist immer ein monetäres Phänomen. Die Geldmenge kann auf zwei Arten wachsen, durch neue Bankkredite oder durch steigende Haushaltsdefizite. Steigende Haushaltsdefizite spielten bei der Inflation in den 1970er Jahren sicherlich eine Rolle. Aber die zunehmende Kreditvergabe der Banken war ein noch wichtigerer Faktor. Das Gesamtvolumen der Bankkredite und -leasingverträge wuchs zwischen 1970 und 1980 mit einer jährlichen Rate von 11%.

Das ist heute nicht der Fall. Der jüngste Anstieg der Geldmenge war fast ausschließlich das Ergebnis der massiven COVID-bedingten Haushaltsdefizite. Denken Sie an die rund 4 Bill. Dollar an Lockerungsmaßnahmen der Fed und rund 5 Bill. Dollar an „Konjunkturprogrammen" und Unternehmens-„Krediten" (die nicht zurückgezahlt werden mussten). Damit wurden die Leute bewegt, Waren zu kaufen, während sie eingesperrt waren. Die sich rasch verändernden Verbrauchertrends (Wegzug aus den Städten, Heimarbeit usw.) und die Unterbrechung der Versorgungskette gossen zusätzliches Öl ins Feuer der Inflation.

Der jüngste Bericht des Congressional Budget Office (CBO) geht davon aus, dass die Haushaltsdefizite der USA in den kommenden Jahren weiter steigen werden (siehe hier!). Die Gelder, die die Regierung für die Sozialversicherung, Medicare und andere Programme vorsehen muss, machen einen immer größeren Anteil am Gesamthaushalt aus. Konkret erwartet das CBO, dass die Defizite von etwa 1,5 Bill. Dollar (5% des BIP) in diesem Jahr bis 2033 auf fast 3 Bill. Dollar (8% des BIP) ansteigen werden.

Diese Defizite würden die derzeitigen Schulden in Höhe von 31 Bill. Dollar um weitere 20 Bill. Dollar aufstocken und die Gesamtverschuldung im Verhältnis zum BIP 2033 auf fast 150% ansteigen lassen. Das CBO unterstellt bei seiner Rechnung eine sich bald wieder normalisierende Inflationsrate. Das ist einigermaßen lächerlich, weil die zunehmende Staatsverschuldung gerade inflationär wirkt.

Damit sich in einer solchen Entwicklung die Inflation schnell wieder normalisiert, müssten starke disinflationäre Kräfte wirken, was folglich das angenommene BIP-Wachstum schwächt und die Schuldenquote noch stärker steigen lässt. Angesichts der hohen Gesamtverschuldung ist aber Inflation der einzige „systemimmanente“ Weg, um mit dieser zurecht zu kommen. Was dann wiederum darauf hinausläuft, noch mehr Staatsschulden zu machen. Und es folgt – Inflation.

Es gab zwei Phasen in den zurückliegenden 150 Jahren, in denen Geldmenge und Preise nicht synchron liefen. Die erste zum Ende der 1800er und zu Anfang der 1900er Jahre hatte mit der Zweiten Industriellen Revolution zu tun, in der über Elektrizität, Rohöl-Produkte, Automobil usw. die Produktivität der Wirtschaft schnell anstieg (Chartquelle).

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Die zweite Ausnahme trat von Mitte der 1990er Jahre bis etwa zum Beginn der COVID-19-Pandemie auf. Neben dem Aufkommen des Internets profitierten die USA von drei starken Trends, die die Inflation in dieser Zeit niedrig hielten. Der erste war ein massiver Zufluss von billigem Kapital. Viele der produktivsten Volkswirtschaften der Welt investrierten ihre Handelsüberschüsse und Ersparnisse in US-Staatsanleihen. Der zweite Grund waren billige Arbeitskräfte über Einwanderung und über die zunehmende Globalisierung, die jahrzehntelang für einen massiven Abwärtsdruck auf die Arbeitskosten sorgten. Der dritte Grund war damit zusammenhängend der Zustrom billiger Waren (hauptsächlich aus China).

Die Gründe für diese zweite Ausnahme entfallen gegenwärtig schnell und verkehren sich in ihr Gegenteil. Was bleibt, ist der Inflationstreiber der steigenden Staatsschulden. Die bekommt man durch Leitzinsen schwerer in den Griff als eine übermäßige Kreditvergabe seitens der Geschäftsbanken, zumal man Gefahr läuft, in den oben beschriebene Teufelskreis zu geraten. Abgesehen davon ist die Wirtschaft, insbesondere ihre finanzielle Seite, heute fragil in Vergleich zur Situation um 1980 herum.

Und so scheint es immer unwahrscheinlicher, dass Powells Wunsch auf lange Sicht in Erfüllung geht. Kurzfristig mögen wir einen Durchhänger bei der Preisentwicklung erleben. Übergeordnet steht „Stagflation“ auf dem Spielplan mit hohen Zinsen, hohen Preisen, ausufernder Staatsverschuldung und geringem Wachstum.

Zurück zum Bankenthema. Der folgende Chart zeigt, dass die Schwäche der Bankaktien nicht so ganz aus heiterem Himmel kam. Anfang Februar zeigte der Bankenindex sein jüngstes Topp. Von dort aus ging es bergab, zunächst in einem schmalen Kanal. Der Verfall beschleunigte sich am Dienstag, zwei Tage vor den Notverkäufen von Assets seitens der „Silicon Valley Bank“ (Chartquelle).

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Der S&P 500 beschloss die Woche bei 3861,59. Er notiert unter seiner EMA50, unter seiner EMA200 und unter einer aus Jahresbeginn 2022 herrührenden Abwärtslinie. Mit Unterschreiten des 62er-Fibonacci-Retracements bei 3954 ist die Aufwärtsbewegung aus der Jahreswende „gecancelt“. Bei 3850 verläuft ein schwacher, bei 3800 ein starker Unterstützungspegel (Chartquelle).

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Kurzfristig dürfte wohl noch 3800 auf dem Plan stehen. Wird dieser Pegel nicht respektiert, ist das Mitte Oktober begründete übergeordnet bullische Szenario widerrufen. Dann dürfte auch relativ schnell die Zone bei 3730 in den Fokus rücken. Hält hingegen der Bereich von 3800 und findet von dort aus eine rasche Aufwärtsbewegung statt, dürfte sich der jüngste Einbruch als Bärenfalle erweisen.

Der VIX, Angstmesser an Wall Street, ist vehement nach oben ausgebrochen, in der Spitze erreichte er am Freitag den Bereich bei 29. Geschlossen hat er bei 24,80, deutlich über der EMA50 (20,71 steigend). Da die EMA50 klar unter der EMA250 (23,17 waagerecht) notiert, haben solche Aufwärtsspikes beim VIX eine geringere Bedeutung.

Die Marktindikatoren zeigen ein deutlich bärisches Gesamtbild. Die Volumenseite signalisiert seit Tagen eine bärische Marktbreite, die Volumenverteilung ist in Distribution. Diese ist allerdings schon einige Tage überdehnt, so dass jetzt zügig das Kippen in Akkumulation erwartet werden kann. Das würde die bullische Seite stützen. Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis stellen die zurückliegende Bewegung der Aktienkurse als Bullenfalle dar.

Das wahrscheinlichste Szenario für die kommende Woche ist aus meiner Sicht eine Seitwärtsbewegung mit hoher Volatilität, in der sich entscheidet, welche der divergenten Kräfte die Oberhand bekommt. Der Pegel bei 3800 ist dabei von besonderer Bedeutung.

US-Banken-Krise voraus? Ja, auf jeden Fall dann, wenn die Fed mit ihrem Leitzinskurs überzieht. Darüber hinaus hat die Fed die Kontrolle kleiner und mittelgroßer Banken seit 2008 schleifen lassen, wodurch es zu Überraschungen jenseits der notleidenden Anleihebestände bei den Banken im Volumen von 620 Mrd. Dollar kommen könnte.

Weiterführend:
300 Billion Reasons Why SVB Contagion Is Spreading To The Broader Banking System"
Has the Discount Window Mystery been Solved?
Record Bank Run Drained A Quarter, Or $42BN, Of SVB's Deposits In Hours, Leaving It With Negative $1BN In Cash"

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