S&P 500 – die Überraschung

Auf Wochensicht haben Aktien zugelegt. Der Dow gewann 1,7%, der S&P 500 rückte um 1,9% vor, der NDX zeigte mit +2,7% relative Stärke. Der DAX rückte um 2,4% vor. Euro/Dollar steigt um 0,8%, Euro/Yen +0,3%, Dollar/Yen –0,5%. Die Ölpreise steigen deutlich an (+3,5%, bzw. 4,3%), Gold gewinnt in Dollar 2,5%, der CRB-Rohstoff-Index bringt es auf +3,0%. Die Renditen für die 2yr-TNotes steigen um 1,4% auf 4,871%, die der 10yr-TNotes berschließt die Woche kaum verändert bei 3,960%. Die Zinsstruktur ist sowohl am kurzen wie am langen Ende invertiert.

Als Grund für die gute Performance bei US-Aktien wurde am Donnerstag angegeben, einer der regionalen Fed-Gouverneure habe sich für weitere kleine Zinsschritte ausgesprochen. Am Freitag musste der robuste Verlauf des ISM-Service-Index bei gleichzeitig sinkenden Einkaufspreisen herhalten.

"Grund"? Richtig ist „Anlass“. Einen Anlass gibt es immer und sei er auch noch so unbedeutend. Der Grund für die überraschenden Kurssprünge dürfte darin liegen, dass die Mehrheit der Aktienanleger meinte, ihre Mitspieler würden jetzt wieder nach oben schauen. Also setzt sich die Herde in Richtung steigender Kurse in Bewegung.

Nach Fed-Funds-Futures wird ein Zins-Topp im September bei 5,5% bis 5,75% nahe gelegt. Die Rendite der 2yr-TNotes liegt mit 4,871% deutlich darunter, sie gilt als verlässliche Indikation für die Leitzinsentwicklung. Ihr Spread zum aktuellen Leitzins ist mit 0,3% positiv, was die Markterwartung moderat steigender Leitzinsen widerspiegelt. Er war von Jahresanfang bis Mitte Februar negativ, womit zum Ausdruck kam, dass kaum noch Potenzial für weiter steigende Leitzinsen gesehen wurde. Das wiederum hatte Aktien im selben Zeitraum Schützenhilfe gegeben. Mit dem Wochenschluss sinkt der Spread wieder – Aktienanleger schöpfen neue Zins-Hoffnung.

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Nachdem zuletzt unerwartet starke Inflationsdaten die Stimmung eingetrübt hatten, weil die Fed gezwungen sei, die Zinsen länger höher zu halten, rücken nun die US-Arbeitsmarktdaten für Februar in den Fokus. Sie werden am kommenden Freitag veröffentlicht. Erwartet wird eine Zunahme der Arbeitspätze (nonfarm) von 200.000 gegenüber 517.000 im Januar. Die Stundenlöhne sollen im Jahresvergleich um 4,7% nach 4,4% im Januar steigen. Die Arbeitslosenquote wird unverändert bei 3,4% erwartet, einem fünf-Dekaden-Tief.

Ich würde sagen, bei solchen Erwartungen ist eine Enttäuschung ziemlich wahrscheinlich. Die Frage ist nur, was dabei für die Kurse von Aktien herauskommt. Selbst wenn die Job-Entwicklung stärker ausfällt als es den tiefen Erwartungen entspricht – so lange sie deutlich unter der Zahl von Januar bleibt, sollte das den Aktionären Rückenwind geben. Erst recht, wenn die Arbeitslosenquote gleichzeitig ansteigt. Denn schlechte Zahlen aus der Realwirtschaft sind aktuell gute Nachrichten.

Tom McClellan sieht in seinem wöchentlichen Newsletter drei Anzeichen, dass die Beschäftigung jetzt einen Dämpfer bekommt. Veränderungen im Verbrauchersentiment der Universität Michigan laufen Veränderungen in der Arbeitslosenquote um etwa zehn Monate vor, schreibt er. Dies dürfte einen Anstieg der Arbeitslosenquote in den nächsten Monaten bedeuten. In der Zeit vor „Corona“ war es im folgenden Chart gut zu sehen, dass Tiefs im Verbrauchersentiment obere Umkehrpunkte in der Arbeitslosenquote „vorausahnen“. Das galt etwas weniger ausgeprägt auch für die Umkehrung.

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Jetzt, nach „Corona“, haben wir allerdings eine Situation ohne historisches Vorbild: Die Arbeitslosenquote ist tief und das Verbrauchersentiment hat gerade sein Tief hinter sich. Stellt man nur auf die Wendeounkte ab, wäre jetzt tatsächlich eine steigende Arbeitslosenquote zu erwarten, McClellan sieht sogar einen schnellen Anstieg.

Das zweite Zeichen sieht McClellan in der Beziehung zwischen Änderungen der Inflationsrate und den etwa zwei Jahre später erfolgenden Änderungen der Arbeitslosenquote. Hier gilt genau dasselbe – vor „Corona“ war der Zusammenhang ziemlich offensichtlich, ein Hoch bei der Inflation entsprach einem Hoch bei der Arbeitslosenquote. Jetzt haben wir dazu divergent einen (möglichen) oberen Wendepunkt der Inflation, dem eine steigende Arbeitslosenquote folgen sollte.

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Das dritte Zeichen sieht McClellan im Zusammenhang der Beschäftigung relativ zur Gesamtbevölkerung und dem Verlauf des S&P 500. Die Datenreihe der Beschäftigung soll demnach etwa ein Jahr nach einem lokalen Tief bei Aktien ein Tief ausbilden. Dies gilt insbesondere für einen Tiefstand der Aktienmärkte, der sich in der Regel etwa 12 Monate später im Beschäftigungsquotienten widerspiegelt.

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Wenn also im Oktober 2022 tatsächlich der Tiefpunkt am Aktienmarkt erreicht wurde (was noch nicht bewiesen ist), dann können wir mit einem im Oktober 2023 eintretenden Tiefpunkt in der Beschäftigungsquote rechnen. Das ist ein wenig schwer vorstellbar, da wir noch nicht einmal den Beginn eines Rückgangs dieses Verhältnisses gesehen haben, so McClellan. Wenn die Baisse im Jahr 2022 tatsächlich noch nicht vorbei ist, dann verschiebt sich der Endpunkt des kommenden Rückgangs auf dem Arbeitsmarkt, den die Fed so eifrig herbeizuführen scheint in dem Glauben, die Inflation damit bekämpfen zu könenn.

Offensichtlich sind die lange gültigen historischen Verhältnisse seit 2020 und „Corona“ durcheinander gekommen. Da viele Marktteilnehmer dies in irgendeiner Form in das übernehmen, was man „Erfahrung“ nennt, dürfte auch das zu erhöhter Unsicherheit beitragen.

Man kann es allerdings auch anders sehen: Die historischen Zusammenhänge gelten weiter – das lokale Tief beim Verbrauchersentiment vom Juli 2022 ist noch garnicht das relevante Tief. Und das lokale Maximum der Inflationsrate vom Juni 2022 ist noch nicht das relevante Hoch. Das hätte zur Folge, dass die untere Umkehr der Arbeitslosenquote noch ein Stück weit vor uns liegt.

Aus der Annahme, dass die historischen Zusammenhänge weiter bestehen, würde auch folgen, dass der Tiefpunkt im S&P 500 im Oktober 2022 nur ein Zwischenspiel war. Damit wäre der gesamte Anstieg seit jenen 3500 Punkten nur eine Rally im Bärenmarkt.

Was bringt die gestörten historischen Zusammenhänge wieder in Tritt nach dem Chaos, das die Aktionen von Regierung und Fed im Zusammenhang mit „Corona“ angerichtet haben? (Aus meiner Sicht war „Corona“ sowieso nur der willkommene Anlass für die ohnehin erforderlichen massiven Eingriffe angesichts der Merkwürdigkeiten im Vorfeld.) Mir erscheint das Szenario einer doppelten Rezession, zunächst eine weiche, dann (vielleicht ein Jahr später) eine harte, in diesem Zusammenhang als durchaus plausibel – eine Art Replay von 1980.

Wenn die längerfristige wirtschaftliche Perspektive „Stagflation“ heißt, wäre mit nachhaltig hoher Inflation zu rechnen. Das ist plausibel allein schon durch den grünen Wahnsinn der Dekarbonisierung – der Ressourcenverbrauch steigt dramatisch an, was zu steigenden Rohstoff- und Energiepreisen und damit zu insgesamt steigenden Preisen führt. Diese Art Inflation (Greenflation) wiederum bremst die Wirtschft aus, sie stagniert.

Exkurs: Dekarbonisierung, Zinsmanipulation und Zentralbanken
Im Artikel „Ressourcenverbrauch ohne Ende“ habe ich dazu einen einleuchtenden Vergleich zitiert: Ein Gaskraftwerk für 100 MW Strom ist so groß wie ein Mehrfamilienhaus. Will man dieselbe Menge an Strom mit Windrädern produzieren, benötigt man eine Fläche von 25 Quadratkilometern plus jede Menge Beton, Stahl, nicht recyclebare Rotorblätter, seltene Erden usw. für rund 20 Windmühlen.

Da die Dekarbonisierung das große Thema der wichtigsten Vertreter von Kapitalinteressen geworden ist (WEF-Hysterie), die auf Biegen und Brechen durchgezogen werden soll (obwohl dazu in der Klimaentwicklung kein Anlass besteht) komme ich zurück auf das alte Thema der Umwandlung des Kapitalismus in eine rigide Planwirtschaft.

Die treibende Kraft im Kapitalismus ist die Gewinnmaximierung. Durch Eingriffe in die Marktzinsen wurden wirtschaftliche Anreize verzerrt. Das fing im Prinzip mit der Ägide von Greenspan als Fed-Chaf ab 1987 an. Die Eingriffe nahmen Fahrt auf mit der Deregulierungswut Ende der 1990er Jahre, die der Finanzindustrie die letzten Fesseln zerschnitt und sie auf den Pfad schickte, der in der Finanzkrise 2008 fast zum Zusammenbruch des Wirtschaftssystems geführt hätte.

Das lieferte den Zentralbanken die perfekte Ausrede, die Zinsen niedrig zu halten. Mit geringen Kapitalkosten wurde es für die Unternehmen einfach, die Konkurrenz zu kaufen, anstatt mit ihr zu konkurrieren. Die Gewinne wurden weiter maximiert, aber nicht mehr über die Profitrate, sondern über die Profitmasse. Die schöpferische Zerstörung nach Schumpeter wurde abgeschafft, unproduktive Firmen-Kolosse, schon seit Greenspan gehätschelt, drücken auf das BIP-Wachstum.

Zwölf Beamte, die um einen Tisch herumsitzen, entscheiden über den wichtigsten Preis in einer Kredit-zentrierten Wirtschaft, den Zins. Dessen Manipulation setzt sich durch die gesamte Wirtschaft fort und zerstört die Kräfte des freien Marktes. Mit der massiven Förderung der Dekarbonisierungs-Agenda treten die Zentralbanken noch ein Stück weiter ein in die zentrale Planwirtschaft und führen die Realwirtschaft in ein Desaster.

Ich bin abgekommen…

Laufen wir jetzt auf eine Rezession zu oder nicht? Ich bin der Meinung: Ja! Meine Auswertung von Merkmalen der Zinsstruktur avisiert den August als möglichen Startpunkt. Eine Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation dürfte die Akteure an den Finanzmärkten zunächst eher zum Jubeln bringen, scheint damit doch der ersehnte Erfolg der Fed über die Inflation damit das Zins-Topp näher zu kommen.

Wie der folgende Chart zeigt, hat sich die Makro-Lage nach Daten der Realwirtschaft binnen Monatsfrist kaum verändert (obere Chart-Reihe). Die Sentiment-Daten haben sich im selben Zeitraum zumindest in der kürzerfristigen Tendenz verschlechtert, im mittelfristigen Trend etwas verbessert. Gleiches gilt für die Daten aus dem Finanzsektor. Insgesamt ist das Makro-Bild knapp in der Kontraktionshälfte. Das Momentum ist gering.

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Der Diffusionsindex der verfolgten Datenreihen der Realwirtschaft nimmt seit Jahresende ab (rote Linie), er steht noch knapp über der 50%-Marke. Der Index der „Finanzmarktprofitabilität“ (graue Linie im unteren Chartteil) ist seit September in Kontraktion wie z.B. zuletzt zwischen Dezember 2015 und März 2016. Die Earnings-Yield kommt per Ende Januar auf 4,7%, die Dividenden-Rendite erreicht 1,7%, die Rendite der 10yr-TNotes kam zu diesem Zeitpunkt auf 3,7%. Eine allgemeine Regel besagt, wenn die Dividenden-Rendite deutlich unter der der 10yr-TNotes liegt, gelten Aktien nicht als sonderlich attraktiv.

Das führt zur Frage nach der Liquidität – nachfolgend ein Chart aus der Präsentation „Weekly Update: Why March Is Likely to Be Key Inflection Point for the Market

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Der Chart zeigt, wie weit sich der S&P 500 von der Reserve der Banken bei der Fed entfernt hat. Deutlich wird auch der über wenige Wochen gesehen gute Gleichlauf der beiden Zeitreihen. Entweder die Liquiditätsausstattung nimmt nun rasch zu oder dem S&P 500 geht die Luft aus – Financialsense sagt daher, dass der März wahrscheinlich einen wichtigen Wendepunkt bringen wird. Ein belastbarer Boden für den S&P 500 wird bei rund 3000 gesehen. (Anmerkung: Der ausgeprägte Gleichlauf zwischen den beiden Zeitreihen besteht erst seit "Corona".)

Der S&P 500 hat die Woche mit einem Stand von 4045,64 beendet, am Donnerstag hatte er den Handel noch an einem fünf-Wochen-Tief bei 3938,68 begonnen. Er hat eine vom Tief in der Finanzkrise herrührende interne Trendlinie (magenta) mit einer kleinen Aufwärtslücke übersprungen – Zufall oder nicht? Jedenfalls hat der Index auch die EMA50 und die EMA200 überwunden, die beide nahezu auf dem gleichen Niveau seitwärts laufen. Der Index hat genau am 38er Retracement des Anstiegs seit Jahresanfang geschlossen (Chartquelle).

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Das gibt den Bullen vermutlich weiteren Rückenwind, auch wenn das Handelsvolumen nicht über durchschnittlich hinauskam. Das hätte man eigentlich erwarten sollen bei einer solch brisanten Konstellation. Wahrscheinlich wird sich der Index in der kommenden Woche erst einmal versichern, dass das Niveau der beiden gleitenden Durchschnitte bei 4007 wirklich hält. Falls das (wahrscheinlich) so ist, wird der S&P 500 zunächst den eminent wichtigen Pegel bei 4160 ins Visier nehmen. Darüber dürfte der Pegel bei 4300 anziehen.

Aber vorher kommt der Tag der Wahrheit – die Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten für Februar am kommenden Freitag.

Die Marktindikatoren sehen die Volumenverteilung in überdehnter Distribution. Der Anteil der Zahl der steigenden Aktien dürfte sich auf relativ niedrigem Niveau stabilisieren, die Marktbreite nach TRIN avisiert eine baldige Verbesserung. Die Stimmung nach SPX/VIX und nach PCR verbessert sich. Das spricht alles zumindest für eine Stabilisierung der Aktienkurse.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis legen nahe, dass der laufende Korrekturzyklus vorfristig abgebrochen wurde. Mit dem gestrigen Kursgeschehen wurden zwei Abschnitte in der regulären zyklischen Abfolge übersprungen.

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Alles in allem gehe ich davon aus, dass die kommende Woche zunächst steigende Aktienkurse bringen wird. Die Veranstaltung steht allerdings auf (noch?) recht wackeligen Füßen.

Übergeordnet bleibt vermutlich der bullische Grundton noch eine zeitlang bestehen, selbstverständlich immer wieder gestört durch kleinere Gegenbewegungen.

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