S&P – weiter abwärts?

Verhalten sinkende Aktienkurse und steigende Renditen prägen das Bild der zurückliegenden Woche an den Finanz-Märkten. Demzufolge zeigen sich Technologie- und Wachtumstitel mit relativer Schwäche. Die Ölpreise steigen stark. Das wird der Ankündigung Russlands zugeschrieben, die Öl-Produktion zu drosseln. Da wird Geld gebraucht…

Der S&P 500 verliert auf Wochensicht 1,1%, der NDX bringt es auf -2,2%, der Dow knapp behauptet bei -0,2%. Der DAX gibt 1,1% ab. Euro/Dollar kommt auf –1,1%, Gold in Dollar ist unverändert. Die Rendite der 10yr-TNotes steigen um +6,1% auf 3,738%, so hoch wie seit mehr als einem Monat nicht. Die Rendite der 2yr-TNotes schaffen +4,8% auf 4,511%, so hoch wie seit Ende November 2022 nicht. Damit hat sie jetzt gleichgezogen mit der effektiven Fed Funds Rate. Die Preise für Rohöl steigen um mehr als 8% an, der CRB Rohstoff-Index macht 2,4% an Boden gut. Der Dollar-Index ist mit +0,6% wenig verändert.

Ray Dalio glaubt, dass der Tag des Kurswechsels bei den Leitzinsen noch in weiter Ferne liegt: „Meiner Meinung nach beendete die im März 2022 begonnene Straffung das letzte Paradigma, in dem die Zentralbanken Geld und Kredite im Wesentlichen umsonst verteilten.“ Das war für Kreditnehmer und Schuldner großartig, aber wir befinden uns nun in einem neuen Paradigma, „in dem sich die Zentralbanken um ein Gleichgewicht bemühen werden, in dem die realen Zinssätze hoch genug und die Geld- und Kreditversorgung knapp genug sind, um die Kreditgeber zufrieden zu stellen, ohne dass die Zinssätze zu hoch und die Geld- und Kreditversorgung für die Kreditnehmer-Kreditgeber zu knapp sind.“

Dieses Gleichgewicht wird seiner Meinung nach schwer zu erreichen sein, was sich in Form langsameren Wachstums als erwünscht, höherer Inflation als erwünscht und für die meisten Anlageklassen in niedrigeren realen Renditen als erwartet äußern wird. Mit einem Wort: „Stagflation".

Und weg vom Finanzwesen scheint es Dalio so gut wie sicher, dass in den nächsten zehn Jahren (genauer gesagt in den nächsten drei Jahren) viele große Veränderungen durch künstliche Intelligenz in Verbindung mit menschlicher Intelligenz ausgelöst werden. Das werde zu schockierenden Fortschritten in vielen Bereichen führen. Er glaubt, dass solche technologischen Entwicklungen die Art und Weise, wie wir denken und das, was wir denken, auf enorme Weise verändern werden – wahrscheinlich mehr zum Guten als zum Schlechten hin.

Zum Beispiel denkt er bezogen etwa auf die OpenAI-Technologie (ChatGPT), dass diese Technologie in vielen Fällen eine Weisheit vermitteln wird, die nur durch den Blick über Themen, Geografien und Geschichte hinweg entstehen kann. Diese Perspektiven werden frei von unterschiedlichen kulturellen und religiösen Vorurteilen sein – glaubt er.

Aus Investoren-Sicht sei jedoch nicht klar, so Dalio, wie hoch der Gewinn im Verhältnis zu den Kosten sein wird. Hier widerspricht er sich meiner Meinung nach. Wenn die Investition in diese Technologie nicht gewinnbringend ist, wird sie nicht flächendeckend eingesetzt werden und dann wird sie auch nicht zu den großen Veränderungen führen, die er voraussieht. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der mit den Zinsen steigenden Investitions-Kosten.

Dalio glaubt, dass es künftig außergewöhnlich große Unterschiede zwischen den Leistungsniveaus von Ländern, Investoren und Unternehmen geben wird. Daher sei es jetzt besonders wichtig, sich weise zu entscheiden, damit man reich belohnt wird.

Seitdem die Zinstruktur invertiert ist, sind sieben Monate vergangen. Im Median vergehen elf Monate, bevor eine Rezession startet. Meine Auswertung von verschiednenen Merkmalen der Zinstruktur warnt seit August 2022 vor einer Rezession. Von diesem Moment an bis zum Einsatz einer Rezession vergehen vier bis sechs Quartale. Also wäre ab Juli/August die Wahrscheinlichkeit für den Beginn einer Rezession hoch.

Die Auswertung verschiedener Makro- und Sentiment-Indikatoren zeigt Tempoverlust. Die Makroindikatoren liegen an der Grenze zwischen Expansion und Kontraktion (blauer Punkt bei den oberen Charts. Der Trend der Stimmungsindikatoren hat sich zuletzt etwas verbessert (ist nicht mehr ganz so negativ). Die kürzerfristige Dynamik ist bei beiden Indikatorgruppen nur mäßig hoch.

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Während die Merkmale der Zinsstruktur vor dem Einsatz einer Rezession warnen (auch der von dem Fed-Analysten Wright 2006 entwickelte Indikator zeigt jetzt eine knappe Warnung), kommt von meiner Auswertung von Kreditindikatoren keine Warnung, die Makro-Indikatoren warnen mit eins von drei. Der Diffusions-Indikator der Makro-Indikatoren ist auf 63% zurückgegangen, hier ist 50% die Schwelle für eine Rezessionswarnung.

Anfang Februar, genauer am 2.2., wurde gemeldet, im S&P 500 sei es zu einem „Golden Cross“ gekommen. Darunter versteht man das Ereignis, wenn die SMA50 (einfacher gleitender Mittelwert über 50 Tage) die SMA200 von unten nach oben schneidet. Landläufig wird daraus abgeleitet, dass das Ereignis eine stabile Aufwärtsbewegung signalisiert.

Tom McClellan sagt dazu: „Kann sein.“. Nach seinen Worten kommt es nämlich darauf an, wo der Kurs im Moment des „Golden Cross“ steht. Steht er mit einigem Abstand darüber, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die dann folgende Kursbewegung (zunächst) nach unten führt. Umgekehrt sieht es beim „Death Cross“ aus, wenn die SMA50 die SMA200 von oben nach unten durchschneidet. Ist der Abstand zwischen Kreuzung und Kurs groß, führt die dann folgende Kursbewegung meistens zunächst nach oben, entgegen der vorher eingeschlagenen Richtung.

Das wird im folgenden Bild verdeutlicht. Anfang April 2022 kam es im S&P 500 zu einem Death Cross, der Abstand des Kurses war groß, es erfolgte zunächst eine steile Aufwärtsbewegung sogar über die Linien der beiden Mittelwerte hinaus. Dann jedoch kehrte der Kurs um und nahm die vorher eingeschlagene Abwärtsrichtung wieder auf. Anfang Februar kam es zu dem schon beschriebenen „Golden Cross“, der Index erreichte am selben Tag sein zwischenzeitliches Hoch, seitdem führt die Bewegung nach unten.

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Diesem „Typ 1“-Ereignis steht ein „Typ 2“ gegenüber. Das tritt dann auf, wenn der Abstand des Kurses zum Kreuzungspunkt der Linien der Mittelwerte gering ist. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die vorher eingeschlagene Bewegung zügig weitergeht.

Eine verallgemeinerte Regel könnte so aussehen: Beide Crosses signalisieren übergeordnet häufig die Fortsetzung einer zuvor eingeschlagenen Richtung. Je weiter der aktuelle Kurs vom Kreuzungspunkt entfernt liegt, je höher ist aber die Wahrscheinlichkeit, dass die folgende Bewegung zunächst konträr zur vorherigen Richtung läuft. Oder auch so: Je kleiner der Abstand, je kleiner die Pause, bis die zuvor eingeschlagene Bewegung weitergeht.

Ähnliches lässt sich auch ableiten, wenn man statt der SMA50 die EMA14 und statt der SMA200 die EMA50 nimmt. Man erhält dann häufigere Kreuzungssignale.

Die Marktindikatoren befinden sich auf dem Rückzug von einem bullischen Extrem. Die Sentiment-Indikatoren haben ihre bullischen Signale revidiert. Der aus MACD, Stochastik und RSI erzeugte TQUAL-Indikator für die technische Verfassung ausgewählter internationaler Aktienmärkte zeigt in noch bullischem Status mittlerweile eine bärische Tendenz. Die Volumenverteilung an der NYSE befindet sich seit einigen Tagen in Distribution. Die Marktindikatoren legen somit aggregiert weiteren Tempoverlust bei Aktien nahe.

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Auch der VIX, Angstmesser an Wall Street zeigt nun Schwäche. Er hat an zwei Handelstagen hintereinander seine EMA50 intraday überschritten, per Tagesschluss aber noch darunter geschlossen. Das signalisiert, dass eine zunehmende Volatilität bei Aktien zu erwarten ist. Das ist häufig gleichbedeutend mit „Risk off“. Auch die Rendite für Ramsch-Anleihen zieht an, was ebenfalls sinkende Risikobereitschaft anzeigt. Einige der besprochenen Chart werden täglich auf der Startseite aktualisiert.

Der S&P 500 ist mit 4090,46 ins Wochenende gegangen. Mit dem „Golden Cross“ am 2. Februar bei knapp 3980 kam es auch zu einer Volumenspitze, sowie zu einem lokalen Maximum etwas oberhalb des wichtigen Pegels ~4160. Damit wäre nach McClellan (s.o.!) die Bedingung dafür erfüllt, dass der Index nach dem „Golden Cross“ eine Pause in seiner Aufwärtsbewegung, bzw. eine hierzu konträre Bewegung vollführt. Das ist bisher auch so eingetreten und dürfte noch weitergehen – idealerweisen bis zum Support bei 3900 oder zumindest bis in die Gegend von 3940.

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Abgesehen von kurzfristigen Aufwärtsreaktionen sehe ich an der Oberseite zurzeit kein wesentliches Potenzial.

Das unterstreichen auch die fraktalen Oszillatoren der TimePatterAnalysis, deren Chart ebenfalls täglich auf der Startseite aktualisiert wird. Sie sind von einem lokalen Maximum aus nach unten eingeschwungen. Lineare Merkmale sind relevant. Bärische Kursmuster nehmen von niedrigem Niveau aus leicht zu, bullische nehmen von hohem aus ab. Das zyklische Modell (kleiner Chart links unten) sieht dieLage der betrachteten Indices früh im Abwärtsteil des Zyklus. Es bleibt noch ordentlich Raum für eine weitere kontraktive Entwicklung. Das bedeutet nicht zwingend eine starke Abwärtsbewegung in irgendwelchen Indexpunkten, auch eine nur mäßige, dafür aber volatile Bewegung nach unten ist damit vereinbar.

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Mein bevorzugtes Szenario beim S&P 500 ist eine Bewegung seitwärts, abwärts in Richtung 3900.

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