S&P 500 mit bullischem Jahresstart

Die erste Woche im neuen Jahr schließt mit Gewinnen in großen Aktienindices. Der S&P 500 schafft 1,4%, der Dow kommt auf 1,5%, der NDX legt 0,9% zu. Der DAX gewinnt 4,9%. Gold in Dollar bringt es auf +2,3%, Öl Brent verliert 5,5%. Die Rendite der 10yr TNotes notiert mit 3,563% 8,2% tiefer als vor einer Woche. Die Rendite der 2yr TNotes verliert 3,2% und steht jetzt bei 4,283% und damit etwas tiefer als der mittlere Leitzins der USA (4,375%). Diese Rendite zeichnet die Markterwartungen für den Leitzins auf Sicht einiger Monaten recht gut nach.

Wenn die Veröffentlichung des US-Arbeitsmarktberichtes nicht gewesen wäre, hätten zumindest US-Aktien die erste Handelswoche wohl mit Verlusten beendet. Es heißt ja immer: So wie die erste Woche im Jahr verläuft, entwickeln sich die Aktienkurse über das Jahr. Demnach dürfte 2023 mit einer positiven Note schließen – ganz im Gegensatz zu 2022, dem ersten Verlustjahr für Aktien seit 2018 und dem stärksten Verlust seit 2008.

Die Zahl der Arbeitsplätze in den USA hat im Dezember weiter zugenommen, und zwar stärker als erwartet. Sie liegt jetzt drei Prozent höher als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote ist gesunken auf jetzt 3,5%. Diese Daten waren aus Sicht der Liquiditäts-Süchtigen negativ, legen sie doch nahe, dass weitere deutliche Zinssteigerungen anstehen.

In diesem Sinne positiv war jedoch, dass die Löhne auf das Jahr gerechnet im Dezember mit 4,6% weniger stark gestiegen sind als mit 5,0% erwartet. Im November lag der jährliche Zuwachs noch bei 4,8%. Ein weiteres positives Indiz war vor einigen Tagen schon die Entwicklung des ISM-Subindex für die Fertigungspreise, er rutschte im Dezember um weitere 3,6% auf 39,4% ab.

Die Aktienanleger brauchten nach Veröffentlichung der Daten einige Zeit, um sich auf eine Richtung festzulegen. Sie verkauften die Arbeitsmarktdaten zunächst. Dann kam die Meldung, dass der Service-Sektor im Dezember in den Kontraktionsbereich gerutscht ist, und zwar um deutliche 6,9% auf 49,6%. Das half schließlich den Bullen auf die Hufe, die großen US-Indices legten per Handelsschluss alle mehr als zwei Prozent zu.

Also ist das Thema von 2022 scheinbar auch das Thema in 2023: Schlechte Nachrichten sind gut für die Aktienkurse, weil das der Fed Vorwände liefert, ihre Gangart bei den Leitzinsen zu drosseln. Der Chef der Fed von Minneapolis hatte in dieser Woche noch ein Ziel von 5,25% bis 5,5% ausgerufen. Wenn er, der als einer der Gemäßigsten im FOMC gilt, das schon sagt, dann muss Fed-Chef Powell erst recht auf dieses Niveau zusteuern. Das war der Tenor bis zu den Arbeitsmarktdaten.

Powell hatte schon zuvor gesagt, dass die Fed über das gesamte Spektrum hinweg positive reale Renditen sehen will. Bei einer CPI-Inflation von 7,1% fehlt da noch einiges, insbesondere am langen Ende. Das gilt auch für die Kernrate von 6,0% und ebenfalls für den von der Fed besonders beachteten PCE-Kernpreis-Deflator (PCEPILFE 4,7%). Die Renditen der 10yr-TNotes sind am Freitag abgeschmiert auf 3,563%, die der 30yr-TBonds liegen jetzt bei 3,687%, wodurch sich der Abstand noch vergößert hat. Selbst bei den 2yr-TNotes und sogar bei den 13wk-TBills ist das nicht gegeben.

Damit bin ich wieder beim Thema Inflation. Die kommende Woche wird spannend, am Donnerstag gibt es die US-Inflationsdaten für Dezember. Erwartet wird eine CPI-Inflation von 6,5% (Vormonat: 7,1%), sowie eine CPI-Kernrate von 5,7% (6,0%).

Eine wesentliche Komponente bei der Berechnung des CPI sind die Kosten für Wohnraum. Sie machen etwa ein Drittel aus. Das zugrunde liegende krude Konzept rechnet ein nachlaufendes Äquivalent für diese Kosten aus, in das auch die Hauspreise eingehen. Diese befinden sich mit den steigenden Zinsen im Sinkflug, was dazu beiträgt, dass der private Wohlstand abnimmt (siehe hier!). Das wiederum soll nach den Vorstellungen der Fed letztlich dazu beitragen, die Nachfrage zu dämpfen und damit die Preise deckeln.

Ich habe einige alternative Berechnungen der Inflation herausgesucht. Da ist zunächst die Meinung von John Williams, der seinen alternativen CPI-Index bei 15%, bzw. 11% sieht. Er rechnet Veränderungen heraus, die 1980, bzw. 1990 eingeführt wurden (u.a. hedonische Preise). Die zurückliegenden 2022-Topps liegen bei 17%, bzw. 12%.

Dann ist da Prof. Jason Furman, bei Obama Mitglied des Council of Economic Advisers. Er veröffentlicht drei Charts des Kern-PCI, jeweils mit Änderungen auf einen und drei Monate. Chart 2 und Chart 3 zeigen den Einfluss der Wohnungskomponente.

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Furman sagt, dass seine eigene Berechnung (rechter Chart) keine gute Messung der allgemeinen Kosten für die Lebenshaltung darstellt, aber ein besserer Wegweiser dafür ist, wohin die Inflation gehen dürfte. Und die liegt nach seinen Berechnungen im Verlauf der drei-Monats-Änderungen per November 2022 nur noch bei knapp über Null. Dies zeigt wohl auch, dass man die disinflationären Kräfte in der aktuellen Wirtschaft nicht unterschätzen soll.

Die Wirtschaft ist insbesondere seit 2008 an eine regelmäßige Geldflut gewöhnt. Das hat zu Schulden-Exzessen geführt. Inflation nutzt den Schuldnern und schadet den Kreitgebern. Insofern verschafft inflationäre Preistreiberei eine gewisse Entspannung. Andererseits führen steigende Zinsen zu teurerem Schuldendienst, zunächst bei Krediten mit variablen Zinsen, bei Re- oder Neufinanzierungen gilt mit Verzögerung das gleiche. Steigende Kosten der Lebenshaltung vermindern wiederum den Spielraum für Ausgaben der Konsumenten.

Selbst wenn die Inflationsrate schnell wieder auf den Zielwert der Zentralbanken von 2% oder sogar auf Null zurückgeht, bleiben die durch die rasant gestiegenen Preise herbeigeführten Effekte. Es braucht Zeit, damit sich die gesamte Wirtschaft auf die veränderten Bedingungen eingestellt hat. Die großen Volkswirtschaften sind weiter überschuldet und damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bei diesem Anpassungsprozess etwas schief geht. Von externen Schocks bei der gegebenen Fragilität gar nicht erst zu sprechen (siehe Ukraine, siehe Taiwan).

Ein weiterer wichtiger Teil der Inflation sind die Kosten für Energie. Nimmt man als Stellvertreter hierfür der Benzinpreis an der Zapfsäule, so zeichnet sich in der Tat Entspannung ab, wie der folgenden Chart zeigt (Chartquelle).

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Daraus geht auch hervor, dass die gestiegenen Preise hier nicht ursächlich mit dem Ukraine-Krieg zusammenhängen. Sie sind schon vorher in 2021 gegenüber 2020 um 50% angestiegen. Momentan haben sie sich gegenüber dem Topp in 2022 wieder fast halbiert (in den USA!). Hohe Energiekosten sind insbesondere für kleine und mittlere Einkommen eine Art Konsumsteuer; was man hierfür mehr bezahlt, muss man letztlich anderweitig einsparen. Die Energiekosten haben so auch einen großen Einfluss auf die Stimmung der Verbraucher.

Bei den Energiekosten kommt die VR China ins Spiel. Mit dem Ende der Null-Covid-Politik dort wird früher oder später die dortige Wirtschaft wieder anlaufen. Das wird die Probleme in den Lieferketten abmildern, was tendenziell Kosten dämpft. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Energie, insbesondere an Öl, was zu steigenden Energiekosten und damit tendenziel zu steigenden Preisen führen dürfte. Was per Saldo dabei für die Verbraucherpreise herauskommt ist noch schwer zu sagen.

Die seit April 2021 deutlich gestiegenen Löhne kompensieren den Effekt der Energiekosten auf die Nachfrage zum Teil. Gleichzeitig tragen sie so aber zur Inflation bei. Hier dürfte allmählich allerdings Tempoverlust auftreten (siehe hier!). Der folgende Chart zeigt die Lohnentwicklung (Chartquelle).

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Also muss die Fed in dem Dreieck Arbeitsplatzentwicklung, Löhne und Preise navigieren. Dass dabei etwas schief gehen kann, ist leicht einzusehen, insbesondere auch, weil die Geldpolitik sich erst mit erheblicher Verzögerung auswirkt. Und wenn etwas schief geht, können die Auswirkungen aufgrund der Fragilität der Wirtschaft (Überschuldung) schnell gravierend werden. Hinzu kommen die engen Verbindungen in der Finanzindustrie, die schnell zu einem Dominoeffekt führen.

Hinsichtlich der Verzögerungen zwischen dem, was auf Seiten der Geldmenge geschieht, bis hin zu den Auswirkungen etwa auf die Inflationsrate, ist folgender Chart interessant. Hier gehen leicht mal zwei bis vier Jahre ins Land, bis sich die Spitze der Geldmengenentwicklung in einem Topp der Teuerungsrate bemerkbar macht (Chartquelle).

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Es sieht so aus, als ob wir tatsächlich zunächst ein Nachlassen der Inflation erleben. Das würde an den Aktienbörsen gebührend gefeiert, auch wenn Aktien nach wie vor nicht „billig“ sind (siehe die Ergänzung unten!). Ob die Inflation aber bereits dauerhaft besiegt ist, steht dahin (ist unwahrscheinlich).

Der S&P 500 notiert mit seinem gestrigem Tagegewinn von 2,3% auf 3895,08 wieder über seiner EMA50 (3885), wenn auch knapp. Bei 3900 liegt ein bedeutender statischer Pegel, der intraday erreicht wurde. Aus meinber Sicht spricht nicht viel dagegen, dass der Index zünächst zügig bis zur Abwärtslinie aus der Jahreswende 2021/2022 läuft. Hier liegt auch die EMA200 (ca. 3992) (Chartquelle).

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An der Unterseite ist eine Aufwärtslinie zu beachten, die aus Ende 2018 herrührt. Knapp darunter sind zwei 38er Retracements angesiedelt. Werden die nicht respektiert, dürfte es chaotisch werden, markante Unterstützungen fehlen.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis bestätigen das übergeordnet bullische Bild. Die bullischen Kusmuster dürften in einem tiefen Bereich einen Boden augebildet haben, die bärischen haben nach unten abgedreht. Es dürfte eine erneute Expansion anstehen. Der Chart wird täglich auf der Startseite aktualisiert.

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Das Bild wird bekräftigt von der Volumenseite an der NYSE. Die Volumenverteilung ist frisch in Akkumulation gekippt, nachdem sie einige Tage in überdehnter Distribution verlief. Das ist per se ein bullisches Zeichen. Die Marktbreite nach TRIN ist schon einige Tage bullisch unterwegs. Auch die ADL-Linie, der Anteil der bullischen Aktien, ist nun bullisch. Weitere Indizien unterlegen den Eindruck, dass zunächst weiter steigende Aktienkurse zu erwarten sind.

Ergänzung:
Aktien sind im historischen Vergleich auch nach einem Jahresverlust im S&P 500 von knapp 20% nicht "billig" (Chartquelle).

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