Böller in Berlin

An Silvester hat es ordentlich gekracht. Nach zwei Jahren Pause wegen der sogenannten Pandemie bestand ein gewisses Nachholpotenzial. Auch sonst hat es gekracht. Nur anders. Zum Beispiel in Berlin.

Dem Vernehmen nach wurden bei Randale gegen Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte in der Silvesternacht mehr als hundert Personen festgesetzt. Zwei Drittel bis drei Viertel davon sollen einen „Migrationshintergrund“ gehabt haben. Alle sind am nächsten Tag wieder auf freien Fuß gesetzt worden, auch die „Un-migrierten“.

Die Politik rief reflexartig nach neuen Gesetzen und Böllerverbot. Neue Gesetze müssen her – etwas anderes fällt denen nie ein, wenn ein Missstand offenbar wird. Unsere „Volksvertreter“ sollten mal endlich anfangen, über die Hintergründe nachzudenken. Und die sind vielfältig – das mag manches Hirn in Berlin überfordern. Vor allem müssten sie zu Selbstkritik finden, aber das ist so ungefähr das Schwerste, was man von dieser Kaste verlangen kann.

Es ist ganz einfach. Wenn jemand aggressiv wird gegen etwas oder gegen jemanden, dann liegt das höchstwahrscheinlich an schwerer und anhaltender Frustration. Jetzt die Frage, frustriert wegen oder über was? Darauf gibt es sicherlich zahlreiche unterschiedliche Antwortmöglichkeiten.

Meine Antwort ist die: Die Krawallmacher sind frustriert über ihre persönlichen Verhältnisse, über ihren Stand in der Gesellschaft. Sie fühlen sich von dieser Gesellschaft nicht gesehen, nicht akzeptiert, ausgeschlossen. Sie sehen in dieser Gesellschaft nicht den Rahmen, der ihre Existenz sichert, ihnen Möglichkeiten zur Gestaltung ihres Lebens gibt, sie beachtet. Folglich lehnen sie diese Gesellschaft ab, empfinden sie sogar als ihnen gegenüber feindlich gesinnt.

Ist das nicht das, was viele von uns immer stärker erleben? Der Staat gängelt uns immer mehr durch immer weiter ausfernde Bürokratie, nimmt uns nach Belieben demokratische Grundrechte, agiert immer willkürlicher. Die Medien, in einer Demokratie eigentlich die vierte Gewalt, werden immer mehr zum Sprachrohr der Regierung, sie sind ihr Propaganda-Organ. Die Regierung wiederum lässt sich treiben von den Interessen der großen Konzerne und Finanzinstitutionen.

Im vorherigen Absatz hatte ich von „Gesellschaft“ gesprochen, danach von „Staat“. Die Krawallmacher unterscheiden nicht.

Der Staat hat in einer Demokratie die Aufgabe, den organisatorischen Rahmen für die Gesellschaft zu schaffen, ist ausführendes Organ für den Willen des Volkes. Wenn das nicht mehr gegeben ist, wenn der Staat sich selbst zum Meinungsmacher aufschwingt, sich zur moralischen Instanz erhebt, dann entsteht nach und nach ein autoritäres Regime. Noch schlimmer, wenn die Justiz dann auch noch auf den Kurs des Staats einschwenkt hin bis zur Rechtsbeugung.

Was folgt daraus? In den Krawallen hat sich meiner Meinung nach eine Gesellschafts-Verdrossenheit gezeigt. Natürlich müssen Täter nach den Gesetzen bestraft werden. Dazu braucht es keine neuen Gesetze und Vorschriften. Man muss die bestehenden nur konsequent anwenden.

Und weiter? Der Staatsapparat, die Poltik, muss sich an die eigene Nase fassen. Eine wachsende Zahl von Bürgern sieht sich in dieser Gesellschaft nicht mehr aufgehoben, weil der Staat in seiner Aufgabe versagt, Diener der Bürger und ihrer Gesellschaft zu sein.

Jetzt erst komme ich zum Migrantenproblem. Wenn dieser Staat nicht willens ist, zu kontrollieren, wer ins Land kommt und diejenigen, die nicht zu dieser Gesellschaft passen, entweder gar nicht erst herein lässt oder schnellstens wieder vor die Tür setzt, dann hat er seine Aufgabe verfehlt. Unsere Gesellschaft muss verlangen können, dass die, die zu uns kommen, unsere Regeln beachten. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass dies geschieht. Die Politik kommt dieser Verpflichtung seit vielen Jahren nicht nach. Jetzt gibt es die Quittung dafür.

Wer beim Stichwort „Silvester in Berlin“ einfach nur mit dem Finger auf „Migranten“ zeigt, denkt zu kurz. Schon deshalb, weil ein ordentlicher Teil der Krawallmacher „un-migriert“ ist. Das Problem liegt viel tiefer – die um sich greifende Verdrossenheit über Staat und Gesellschaft treibt einige zu offener Aggression.

Ergänzung:
Das Versagen des Staates hinsichtlich Migration geht zurück auf das multikulti-Laissez-faire, das die Grünen vor vielen Jahren aus der Taufe gehoben haben. Laissez-faire hat auch immer etwas mit Nicht-Beachtung zu – „mach, was Du willst, aber lass mich in Ruhe“. Ohne allzusehr ins Psychologisieren abzudriften, kann auch aus dieser Haltung erst Frustration und dann Aggresion entstehen: Jemand kommt aus einem fremden Kulturkreis nach Deutschland, ist auf sich selbst gestellt, fühlt sich nicht wirklich aufgenommen in unserer Gesellschaft. Also sucht er seinesgleichen, man bestärkt sich gegenseitig, steigert sich in eine Haltung extremer Feindlichkeit unserer Gesellschaft gegenüber hinein. Mit geeigneten, konsequent durchgeführten Integrationsmaßnahmen könnte dem entgegen gewirkt werden.

Ein ganz anderes Kapitel ist die Frage nach den Ursachen der Flüchtlingswelle. Hier muss sich der Westen an die eigene Nase fassen. Durch vom Westen provozierte Kriege und durch ruinöse Wirtschaftspolitik Ländern der dritten Welt gegenüber wurde das Leben für viele Flüchtlinge in ihren Ländern erst unerträglich.

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