Aktien sind in den zurückliegenden Tagen weltweit angestiegen, der S&P 500 schaffte einen Wochengewinn von 2,5%, der NDX einen von 3,4%, der DAX stieg um 3,0%. Am letzten Tag der Handelswoche gab der S&P 500 allerdings 0,9% ab. „Gesunder“ Rücksetzer oder übernehmen die Bären schon wieder das Regime?
Ohne Zweifel dürfte das Ergebnis der FOMC-Sitzung der Fed am kommenden Mittwoch einen Einfluss auf das Börsengeschehen haben. Beobachter erwarten eine Zinsanhebung um 0,75%. Aber auch bei den Zahlen zum zweiten Quartal wird es spannend: So melden in der kommenden Woche unter anderem Microsoft, Meta, Amazon, Apple und Alphabet.
Wie hier erörtert, liegt das wohl größte Marktrisiko gegenwärtig beim Verlauf der Unternehmensgewinne. Es wird aktuell ein Zuwachs von 5,8% gegenüber dem Vorjahr erwartet. Zu Monatsbeginn war man noch von +6,8% ausgegangen. Das Shiller-KGV (Cape) kommt auf knapp 30. Die „Earnings Yield“ hieraus erreicht 3,3%, die nicht Inflations-adjustierte Variante kommt auf 5%. Das liegt zwar über der Rendite der 10yr-TNotes, die über jüngsten zwei Monate gemittelt bei 3% liegt. Ein großer Anreiz, Aktien gegenüber Festverzinslichem vorzuziehen, ergibt sich hieraus nicht, zumal nach allgemeiner Auffassung eine Rezession heraufzieht.
So erwartet das „Conference Board“, dass sich das US-Wirtschaftswachstum das ganze restliche Jahr hindurch abkühlt. Es hat die Prognose für das Wachstum des realen BIP in 2022 auf 1,7% (zuvor 2,3%) zurückgenommen. Für 2023 geht man jetzt von +0,5% aus, nach 1,8% zuvor. Eine Rezession könnte etwa zur Jahreswende 2022/2023 eintreten, heißt es. Der Frühindikator (LEI) zeigt den vierten Monat in Folge eine negative Entwicklung (Chartquelle).
Während sich also die wirtschaftlichen Aussichten in den kommenden Monaten noch weiter eintrüben dürften, schlägt sich das bisher in der Gewinnentwicklung der Unternehmen im S&P 500 nicht (ausreichend) nieder (siehe hier!). Zahlreiche negative Überraschungen dürften hier erst noch kommen – es gab sie in der laufenden Quartalssaison auch schon, etwa bei den großen Banken, sie hatten aber keinen übergreifenden Effekt.
Nun gibt es natürlich jede Menge Möglichkeiten, wie sich Aktienkurse miesen Aussichten widersetzen und „trotzdem“ zeitweilig steigen. Böse Zungen sagen, das tun sie seit mindestens 20 Jahren…
Also die Frage: Gibt es Anzeichen einer längerfristigen Bodenbildung? In der Phase der Bodenbildung bewegt sich der Kurs zwischen Unterstützung und Widerstand seitwärts und oszilliert um längerfristige gleitende Durchschnitte (EMA50, EMA200) und zwischen ihnen. Anzeichen von Akkumulation mit abnehmendem Volumen bei Abwärtsbewegungen und zunehmendem bei Aufwärtsbewegungen verstärken sich gegen Ende dieser Phase. Statt einer Rechteckformation kann gegen Ende der Bodenbildungs-Phase auch ein Aufwärts-Dreieck oder ein abwärts gerichteter bullischer Keil auftreten (siehe hier!).
Anzeichen von Akkumulation gibt es, die Volumenverteilung befindet sich seit Mitte Juli in Akkumulation. Die Marktbreite nach TRIN (Verhältnis der steigenden zu fallenden Durchschnittsvolumina) stabilisiert sich seit Anfang des Monats auf sehr niedrigem Niveau (so bärisch wie seit mehr als zwei Jahren nicht). Am 21. Juni gab es im S&P 500 eine isolierte Volumenspitze (sie sind im folgenden Chart mit vertikalen grauen Linien markiert), was die Bedeutung des seinerzeit erreichten lokalen Tiefs unterstreicht. Seitdem hat das Volumen (im folgenden Bild an der Unterkante) aber eher wieder abgenommen. Chartformationen, die eine Bodenbildung anzeigen würden, sehe ich nicht, es sei denn, man stellt auf ein breites Rechteck (Handelsspanne) ab mit Oberseite bei 4160 und Unterseite bei 3800 (38er Retracement des Bullruns zwischen März 2020 und Jahreswende) (Chartquelle).
Nachdem Anfang Mai mit dem Schnitt der EMA50 von oben durch die EMA200 ein „Death Cross“ fabriziert wurde, hat sich die EMA50 zuletzt stabilisiert (aktuell waagerecht bei 3952). Der S&P 500 notiert mittlerweile mit 3961,63 wieder (knapp) darüber, was durchaus bullisch zu werten ist. Allerdings sollte er tunlichst bald weitere Stärke zeigen, um sich solide hiervon abzuheben. Dann steht einer Bewegung bis 4160 zunächst wenig im Wege. Dieser Pegel dürfte allerdings schwer zu knacken sein.
Fällt der Index signifikant unter die EMA50, dürfte der Fokus wieder nach unten gerichtet sein. So lange dabei die Zone bei 3800 respektiert wird, müssen die Bullen aus übergeordneter Sicht ihre Flinten noch nicht ins Korn werfen.
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