EZB erhöht Leitzins um 0,5%

Die Rekordinflation geht auch an der EZB nicht spurlos vorbei. Die Leitzinsen steigen um jeweils 0,50%, wie die Zentralbank heute mitteilte. Der Negativzins von minus 0,50% für geparkte Gelder entfällt damit. Viele Banken hatten diese Belastung an Privatkunden weitergegeben. Der Leitzins, zu dem sich Kreditinstitute bei der EZB Geld leihen können, steigt von null auf 0,50%. Für die nächsten Sitzungen kündigte die EZB weitere Zinsschritte an.

Zunächst hatte die EZB einen kleineren Zinsschritt in Aussicht gestellt, aber beruhend auf der auf der aktualisierten Einschätzung der Inflationsrisiken habe man sich zu einem größeren Zinsschritt entschlossen, hieß es.

Akteure an den Finanzmärkten sehen Probleme, wenn die EZB die Zinsen zu rasch anhebt. U.a. könnte das vor allem für hochverschuldete Staaten in Südeuropa zur Belastung werden.

Und, oh Wunder, die EZB legt ein neues Anti-Krisen-Programm auf, das sogenannte Transmission Protection Instrument (TPI). Damit soll sichergestellt werden, dass Zinserhöhungen Länder wie zum Beispiel Italien nicht über Gebühr belasten Das könnte den Währungsraum zu stark fragmentieren, heißt es.

„Das TPI wird das Instrumentarium des EZB-Rats ergänzen und kann aktiviert werden, um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen“, heißt es von der EZB. „Der Umfang von Ankäufen im Rahmen des TPI hängt von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab. Die Ankäufe sind nicht von vornherein beschränkt.“

Die EZB hatte die Arbeiten an diesem neuen Anti-Krisen-Instrument nach Unruhen an den Finanzmärkten Mitte Juni forciert. Der Renditeabstand zwischen Staatsanleihen aus Deutschland und denen höher verschuldeter Euroländer, insbesondere Italiens, hat sich stark ausgeweitet. Für Länder wie Italien wird es somit teurer, sich frisches Geld zu besorgen – ein zusätzliches Problem angesichts des schon angehäuften Schuldenbergs (siehe unten!).

Andere Notenbanken wie die Fed und die Bank of England haben ihre Zinssätze bereits mehrfach angehoben, die EZB hielt das bisher nicht für erforderlich. Im Juni lagen die Verbraucherpreise im Euroraum um 8,6% über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die EU-Kommission rechnet für 2022 mit durchschnittlich 7,6% Inflation. Das wäre ein historischer Höchstwert. Ein stabiles Preisniveau liegt nach allgemeiner Auffassung bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2%.

Beobachter sehen in dem Schritt der EZB auch den Effekt einer Stützung des schwachen Euro, der zuletzt die Parität zum Dollar erreicht hatte. Die Hoffnung ist, dass der Effekt der importierten Inflation abgemildert wird, wenn der Euro gegen Dollar Stärke entwickelt.

Das Zinsdifferential ist jedoch nur ein Faktor bei den Währungsverhältnissen. Zudem wird die Fed noch im Juli einen weiteren Zinsschritt von wahrscheinlich 0,75% unternehmen. Dann liegt der Leitzins dort bei 2,325%. Wie das den Euro stärken soll?

Was das neue TPI-Programm angeht, so steht dahinter der Gedanke, dass zu große Zinsdifferenzen zwischen den Ländern der Eurozone unerwünscht sind. Was „zu groß“ ist, entscheidet allein die EZB. Dabei spiegeln sie Unterschiede in den Risiken wider. Solche Informationen sorgen dafür, dass Investoren entsprechend agieren. Diese weitere Manipulation wichtiger Schlüsselinformationen wird zu weiteren Fehlallokationen führen.

Zudem hat sich die EZB an keinerlei Beschlüsse anderer Institutionen gebunden. Die von der EZB beim TPI-Programm definierten Bedingungen, die ein Land erfüllen muss, damit es von der EZB im Rahmen des TPI-Programms finanziell unterstützt wird, sind deutlich schwächer als beim in der Eurokrise eingeführten Anleihenkaufrogramm OMT, das zumindest ein ESM-Programm mit weitgehenden Auflagen verlangt.

Mit einem solchen Programm fordert sie potente Akteure an den Finanzmärkten förmlich auf, zu testen, wie weit ihre Bereitschaft geht, einzelne Mitgliedstaaten mit hohen Schulden fiskalisch zu unterstützen. Der dadurch entstehende Druck kann massiv werden, zumal es keine Obergrenze gibt. Die EZB könnte dadurch gedrängt (oder motiviert) werden, die Grenze zur (ihr nicht erlaubten) Staatsfinanzierung noch weiter als bisher schon zu überschreiten. Weitere Manipulationen sind vorgezeichnet.

Wenn einzelne Mitgliedstaaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten, ist es nicht die Aufgabe der EZB einzuschreiten. Das ist Sache der nationalen Regierungen im Euroraum und etwa auch des Rettungsschirms ESM.

Ergänzung:
Italiens Verschuldung (oben private, unten staatliche Verschuldung in % des BIP):
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