Über die zurückliegenden zwölf Monate sind eine Bill. Dollar in die weltweiten Aktienmärkte geflossen. Das ist mehr als in der gesamten Zeit zwischen 2001 und 2020, als insgesamt 0,8 Bill. Dollar in Aktien gingen.
Die andauernden QE- und sonstigen Maßnahmen der Fed haben ihre Bilanz von 4,3 Bill. Dollar Anfang März 2020 auf aktuell 8,7 Bill. Dollar anwachsen lassen. Das oft als Bewertungsmaßstab für Aktien herangezogene faire KGV, der Kehrwert der Rendite der 10yr-TNotes kommt auf 65, das Aktien-KGV nach Shiller-Cape liegt bei knapp 40. Am 4.8.20 wurde mit nahezu 200 das historische Maximum des fairen KGV erreicht.
Aktien erscheinen demnach noch günstig. Das gilt aber nur, weil die dem Vergleich zugrundeliegende Rendite durch die Geldpolitik der Fed so tief manipuliert wurde. Fed und Regierung haben mit dem Aufkommen von Corona, bzw. der Gegenmaßnahmen argumentiert, nun müsse die Wirtschaft angekurbelt werden. Das ist ein falscher Ansatz.
Wenn man zu diesem Zeitpunkt der Meinung gewesen wäre, die Wirtschaft sei stabil und gesund, hätte man lediglich eine Politik betreiben dürfen, die durch Virus und Gegenmaßnahmen entstandenen Verluste auszugleichen. Aber offenbar kam der Anlass gerade recht, die Wirtschaft mit Liquidität zu fluten, woraus man in der Umkehr (zu Recht) schließen kann, dass es mit der Wirtschaft seinerzeit nicht zum besten stand (ich hatte das mehrfach thematisiert – u.a. im Dezember 2019 hier!). Und heute ist es nicht anders – siehe unten!
Der diesjährige Bull-Run hat schon zunehmende Inflationsbefürchtungen, zunehmende Spannungen in den Lieferketten und weitgehende regulatorische Interventionen in China überlebt. Ganz zu schweigen von drohenden Störungen durch Corona-Ausbrüche oder wie man das so nennt. Auch das von der Fed eingeleitete Tapering scheinen die Akteure wegzustecken.
Geld machen mit Aktien sieht momentan (zu) einfach aus. Das ist aber gewöhnlich dann auch eine Zeit, in der es gefährlich wird. Manche beschwichtigen, der Anstieg der Aktien sei eher dadurch begründet, dass Bonds so unattraktiv sind. In den zurückliegenden 20 Jahren gingen die Geldfüsse vorrangig in Bonds, in den meisten Jahren waren sie für Aktien negativ.
Bisher haben sich Vorhersagen in Luft aufgelöst, die Bondrenditen könnten am aktuellen Punkt als Antwort auf die wirtschaftliche Erholung und den zunehmenden Inflationsdruck nur noch steigen. Und so bleiben Fonds-Manager weiter mit Aktien voll geladen.
Aktien profitieren in der Anfangsphase einer inflationären Entwicklung meist in besonderem Maße. Ab einem bestimmten Punkt jedoch verlangen Bond-Halter einen Ausgleich für sinkende bis negative Real-Renditen. Dann haben Aktien ihre beste Zeit hinter sich. Das ist dann üblicherweise auch der Punkt, wo die Zentralbanken gefordert sind. Deren Optionen sind aber angesichts der mit „Corona“ weiter gestiegenen Schuldenpegel und der ultraniedrigen Zinsen sehr begrenzt. Sie werden nicht viel tun in Richtung strafferer Geldpolitik, sonst riskieren sie Pleiten von Schuldnern und einen Domino-Effekt im Finanzsystem mit verheerenden Folgen. Geht aber Vertrauen in ihre Fähigkeit verloren, die Inflation in Schach zu halten, könnte das Ende des Bull-Runs schneller kommen als gedacht.
Die Zuflüsse in Tech-Werte und Marktführer erlahmen, wie der folgende Chart zeigt. Die Entwicklung der Kurse von Technologie-Werten war zuletzt noch von relativer Stärke geprägt. Der NDX hat zum Wochenschluss ein neues Allzeithoch markiert. Im Tagesverlauf sieht das aber mit einem Gap-up und Dochten eher nach Erschöpfung aus (Chartquelle).
Noch spricht die Saisonalität für Aktien, die im allgemeinen zwischen Oktober und Mai für eine gute Kursentwicklung widerspiegelt (Chartquelle).
Die 5yr-Breakeven Inflation steht bei 3,1%. Das ist der höchste Wert seit zumindest 2003. Er liegt höher als 2011, als die Inflation eine Nahrungsmittelkrise bewirkte. Er ist ebenfalls höher als 2005/2006, als die Hauspreisblase ungeahnte Ausmaße annahm und Öl auf die Marke von 150 Dollar zuzusteuern begann, die Mitte 2007 erreicht wurde. Mit anderen Worten, die Akteure an den Finanzmärkten erwarten heute eine auf längere Sicht deutlich über der Zielmarke von zwei Prozent liegende Inflation (Chartquelle). Schon werden für 2022 zwei bis drei kleine Zinsschritte erwartet.
2005/2006 begann sich die Finanzkrise zusammenzubrauen. Damals aber wuchs die Wirtschaft noch deutlich, die Leitzinsen lagen bei 5%. Die Fed hatte viel Spielraum. Heutzutage besteht das Wachstum einerseits aus Nachholeffekten bezüglich der Corona-Maßnahmen, andererseits haben enorme Hilfspakete der Regierung ein Strohfeuer entfacht. Wie daraus ein selbststragender Aufschwung entstehen soll, ist mir schleierhaft. Die Niedrigstzinsen spiegeln das wider – sie Wirtschaft ist strukturell todkrank (und das nicht erst seit 2020). Die Möglichkeiten der Zentralbanken sind weitgehend erschöpft.
Der Staat kann noch eine zeitlang über kreditfinanzierte Anreizprogramme für kümnstliche Nachfrage sorgen. Aber wer wird diese neuen Schulden kaufen zu solch lausigen realen (weit negativen) Renditen? Da fällt mir nur die Fed ein. Sie begibt sich damit auf den Weg der BoJ, die seit 2012 alle neu ausgegebenen Schuldscheine der japanischen Regierung aufkauft. Dadurch wird die Wirtschaft nicht gesünder…
Der Dollar wird immer stärker – ist das ein Zeichen der Unsicherheit, eine Art Flucht zurück in den sicheren Hafen? Oder spiegelt das die Erwartung zunehmender Renditedifferenzen wider, also auch die Erwartung deutlich steigender US-Renditen?
An der Oberfläche scheint nichts den Bull-Run in Aktien stoppen zu können. Aber darunter bröckelt es. Die Entwicklung der Volumen ist das eine – die Volumenverteilung meldet seit einigen Tagen Distribution, das Durchschnittvolumen an der NYSE liegt weit unter den diesjährigen Spitzenwerten von Februar und März.
Gleichzeitig nimmt der spekulative Charakter der bullischen Bewegung zu. Das Verhältnis der Zuflüsse in gehebelte Long- und Short-ETFs steigt steil an (Chartquelle).
Viele Firmen geben Anleihen aus, auch wenn sie die Zinsen dafür nicht dauerhaft zahlen können. Solche Zombie-Unternehmen können nur durch fortwährende Umschuldung in noch billigere Kredite überleben. Die Marktkapitalisierung solcher Firmen ist aktuell auf einem Rekordniveau. Der Minsky-Moment wird kommen – eines unschönen Tages (Chartquelle).
Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis zeigen für Aktien eine extrem ausgereizte Situation, sowohl lineare wie zyklische Merkmale sind auf einem Höchststand. Werte von 0,8 für die Linearität und 0,4 für die Zyklizität sind seit 2020 nie überschritten worden. Die Richtung der beiden Merkmale ist nicht mehr aufwärts gerichtet, die Expansion scheint fürs erste auszulaufen. Gleichzeitig nehmen bullische Kursmuster zögerlich ab, bärische nehmen leicht zu. Die gesamte Konstellation spricht kurzfristig für auf hohem Niveau volatil seitwärts laufende Kurse. Das Potenzial nach oben erscheint begrenzt, nachfolgend sind schwächere Kurse zu erwarten (Der Chart wird täglich auf der Startseite aktualisiert).
Auf der Oberfläche also „FOMO“ – „Fear Of Missing Out”. Aber darunter mehren sich die Zeichen für „GTFO“ – „Get The Fuck Out“.
Wie sieht es auf der Chart-Oberfläche des S&P 500 aus? Der Index versucht seit Anfang November wieder in den Aufwärtkanal aus Herbst 2020 hereinzukommen. Den hatte er Mitte September nach unten verlassen. Jetzt steht er unmittelbar an einer wichtigen statischen Zone unterhalb von 4707. Gelingt der Ausbruch, ist die Konsolidierung beendet, in der sich der Index seit 14 Tagen bewegt. Anderenfalls dürfte an der Unterseite relativ zügig die EMA50 und eine statische Unterstützung bei 4540 angesteuert werden. Das halte ich kurzfristig für wahrscheinlicher (Chartquelle).
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