Bullisch wie verrückt

In globale Aktienfonds flossen mit 569 Mrd. Dollar in den zurückliegenden fünf Monaten mehr Mittel als in den vorherigen 12 Jahren zusammen (452 Mrd. Dollar). Für die nun anlaufende Berichtssaison für Q1/2021 wird bei den Unternehmensgewinnen im S&P 500 eine Steigerung von über 24% gegenüber dem Vorjahr erwartet. Die „AAII Sentiment Survey“ ist auf solch bullischen Höhen, wie sie nur ein paar Mal in den zurückliegenden zehn Jahren aufgetreten sind.

Der folgende Chart zeigt, dass Haushalte und non-Profit Organisationen einen rekordhohen Anteil an Aktien in ihren Portfolios halten, höher noch als zum Zeitpunkt des Platzens der dotcom-Blase (Chartquelle: @jsblokland).

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An Karfreitag wurden die US-Arbeitsmarktdaten für März veröffentlicht. Die Zahl der neuen Arbeitsplätze (non-farm) stieg mit 916.000 viel stärker als erwartet. Der ISM-Index steht auf Rekordhoch. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sinken übergeordnet weiter. Ein optimistisches Makrobild. Im großen Bild erkennt man aber, dass es noch Jahre brauchen dürfte, bis das Verhältnis zwischen Arbeit-Habenden und Gesamtbevölkerung wieder auf dem Niveau vor der „Corona-Krise“ angekommen ist. Mit aktuell 57,6% liegt es mehr als 3% darunter, was über neun Millionen Jobs entspricht (Chartquelle).

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Die jüngste, aktuelle und künftige stimulierende Fiskal- und Geldpolitik wird wahrscheinlich ein relativ kurzlebiges wirtschaftliches Zuckerhoch erzeugen. Die Unternehmen haben während der „Coronakrise“ weiter rationalisiert, die Bedeutung von Internet- und großen, hoch automatisierten Digital-Konzernen hat weiter zugenommen.

Die fundamentale Lage hat sich nach verschiedenen Indikatoren in den zurückliegenden Wochen verbessert. Makrodaten (blau) und Sentimentdaten (grün) befinden sich im Aufschwungquadranten (links oben – Rezessionsquadrant ist links unten), Finanzdaten (hell) laufen im Boom-Quadrant (rechts oben). Die aktuelle Woche ist "Woche 0".

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Historisch sind steigende Zinsen in der Regel bärische Vorboten für Märkte und Wirtschaft. Mit einer Staatsschuldenlast von mehr als 28 Bill. Dollar verglichen mit 9 Bill. Dollar vor zehn und nur 5 Bill. Dollar vor 20 Jahren reichen immer kleinere Zinsbewegungen für negative Wirkungen aus.

Nach Crestmont Research lässt die gegenwärtige Bewertung von Aktien unterdurchschnittliche Renditen im Aktiengeschäft erwarten und lässt Anlagealternativen interessant aussehen.

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Hinsichtlich der Perspektive bei Aktien zeigt Tom McClellan den Vergleich zwischen den um zehn Jahre in die Zukunft verschobenen Ölpreisen und dem Dow. Der Gleichlauf ist verblüffend gut, wenn man einige Monate „Schlupf“ toleriert und eher auf die große Richtung, weniger auf das Maß der Schwankungen abstellt. Demnach wäre für den weiteren Verlauf des Dow bis irgendwann in 2024 eine Seitwärtsbewegung zu erwarten, bevor es zu einer starken Korrektur kommt (Chartquelle).

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Der folgende Chart zeigt seit Juni 2012 vier bedeutendere Aufwärtsimpulse. Der erste dauerte bis Ende August 2015, der zweite lief von Juli 2016 bis Oktober 2018, der dritte hielt hielt von Februar 2019 bis Februar 2020 an. Der aktuelle vierte startete Anfang Mai 2020 und befindet sich mithin im zwölften Monat seines Bestehens. Spannende Frage: Schafft er die Verlängerung, nachdem die Impulslänge seit 2012 stetig abgenommen hat?

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Der S&P 500 ist in den zurückliegenden fünf Monaten um 27% angestiegen. In dieser Zeit bewegte er sich gut abgezirkelt in einem Aufwärtskanal, der etwas steiler verläuft als ein vorheriger, ebenfalls (fast) fünf Monate währender Aufwärtskanal, der Mitte Februar 2020 sein Ende fand. Seine Untergrenze lässt sich bis zu den Tiefs aus der zweiten Hälfte März 2020 zurückverfolgen. Die Obergrenze des Aufwärtskanals wäre ausgehend von einem Schlusskurs des S&P 500 am zurückliegenden Freitag von 4129 bei rund 4170 erreicht (Chartquelle).

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Es spricht bei der gegenwärtigen bullischen Dynamik nicht viel dagegen, dass das kurzfristig geschieht. Dann gibt es zwei kurzfristige Möglichkeiten: Ein Ausbruch darüber hinaus würde eine massive Übertreibungsphase einläuten, wird die Linie respektiert, sollte zunächst die 300 Punkte tiefer liegende Untergrenze in den Fokus geraten.

Im größeren Bild kommt es auf die nun mit den Banken anlaufende Berichtssaison an. Die Gewinn-Erwartungen sind hoch, viele makroökonomisch zumindest für eine gewisse Zeit positiv stimmende Neuigkeiten sind eingepreist. Das Enttäuschungsspotenzial ist deswegen hoch. Wenn jeder investiert und massiv bullisch ist, was soll dann noch die Kurse treiben? Saisonale Gründe ("Sell in may…") und andere, oben angesprochene Faktoren stützen ebenfalls nicht unbedingt die Oberseite.

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