Was für eine Woche!

Eine weitere turbulente Woche! Am Dienstag hat die Fed ihren Leitzins um 0,5% auf den Bereich von 1,00% bis 1,25% gesenkt. Ein solcher Schritt war zwar zu erwarten (siehe hier!), er sollte aber „eigentlich“ erst auf der nächsten regulären Sitzung des FOMC-Komitees am 18. März erfolgen.

Die erste Reaktion bei Aktien war ein gewaltiger Satz nach oben, dann aber beendeten die großen Aktienindices den Tag tiefrot. Die Akteure fragten sich, was weiß die Fed, was wir nicht wissen, was hat die Fed bewogen, außerplanmäßig zu handeln? Vorausgegangen war eine Besprechung innerhalb der G7 zu der Frage, wie man den wirtschaftlichen Auswirkungen von „Corona“ wirksam begegnen kann.

Am Folgetag, dem Mittwoch, stiegen Aktien dann wieder stark an, als Grund wurde das überraschende Come-back von Biden bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei angegeben (naja, irgendwas muss es halt sein). Das hielt nicht, tags darauf eröffnete der S&P 500 weit unter Schlussniveau vom Vortag an der EMA200 und fiel dann weiter. Der Fall setzte sich am gestrigen Freitag fort, der Index quetschte zum Handelsschluss aber einen kleinen Wochengewinn heraus.

Makro-Nachrichten in den zurückliegenden Tagen: Der ISM-Index hält sich im Februar knapp über der Marke von 50, die Expansion und Kontraktion trennt, der Sub-Index für Produktion ist deutlich zurückgegangen. Der Service-Index hingegen präsentierte sich im Februar weiterhin stark.

Nach aktuell veröffentlichtem US-Arbeitsmarktbericht wurden mit 275.000 deutlich mehr Arbeitsplätze neu geschaffen als erwartet, zudem wurde die Zahl für Januar aufwärts revidiert. Der Jahreszuwachs beträgt jetzt 1,60%. Die Stundenlöhne haben sich mit einem monatlichen Zuwachs von 0,3% wie erwartet entwickelt.

Mit Blick auf die gesamte Makrolage lässt sich feststellen, dass die Entwicklung übers Jahr gesehen flach verläuft. Auf kürzere Sicht wirksame Tendenzen zeigen noch mäßig aufwärts, die Stimmungs-Indikatoren sind dabei stärker ausgeprägt als die fundamentalen.

Die Kursbewegungen am zurückliegenden Freitag sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert:

  • Der S&P 500 respektierte das vor einer Woche markierte Jahrestief (Schlusskurs), Wochengewinn +0,6%; auch intraday blieb der Index über dem entsprechenden Tief
  • Der VIX stieg intraday auf über 54, schloss dann aber mit knapp 42 im zuletzt chartierten Gelände
  • Die TBond-Kurse stiegen auf ein historisches Rekord-Hoch (und notieren jetzt höher als der Euro-Bund); das vorherige Maximum stammt aus Juli 2016, der damalige Höhenflug ging erst mit der Wahl von Trump zum US-Präsidenten zu Ende
  • Die TBond-Rendite stürzte um 16,6% ab auf das Rekordtief von 1,288%, die Rendite der zehnjährigen TNotes stürzte auf 0,767%
  • Das Anleihen-KGV kommt jetzt auf sagenhafte 130, nach 109 am Vortag und 90 in der Vorwoche
  • Die Öl-Preise stürzten ab und liegen rund 30% unter dem Niveau vom Jahresanfang, der CRB-Index (Rohstoffe) blickt entsprechend auf einen Verlust von 16%
  • Euro/Dollar setzte seinen Höhenflug fort und steht jetzt 4,6% über seinem Jahrestief vom 20. Februar (siehe auch hier!), der Dollar-Index hat im gleichen Zeitraum 3,9% verloren

Aus meiner Sicht ist damit jetzt ein Grad an Panik erreicht, der zumindest für die nächsten paar Wochen erwarten lässt, dass sich die Lage beruhigt. Was nicht bedeutet, dass ab jetzt die Bullen das Ruder wieder fest in der Hand haben. Dieses Maß an Panik steht aus meiner Sicht in keinem vernünftigen Zusammenhang mehr zu dem, was als oberflächliche Begründung allgemein genannt wird. Das Corona-Virus ist nach aller historischer Erfahrung (siehe hier!) von sich aus nicht in der Lage, als externer Schock Realwirtschaft und Finanzmärkte aus der Bahn zu werfen.

Dass eine solch „lächerlicher“ Anlass aber eine solche Wirkung zeigt, lässt auf eine äußerst fragile Lage in der Gesamtwirtschaft schließen. Immerhin führt diese Epidemie schlagend vor Augen, dass unsere in der neoliberalen Globalisierung erreichte hochkomplexe weltweite Arbeitsteilung auf tönernen Füßen steht.

Insofern könnte die zunächst irrational übertrieben erscheinende Reaktion der Finanzmärkte auf Corona einen rationalen Gehalt haben. Die moderne globalisierte Wirtschaft funktioniert nur, so lange auf politischer Ebene ein bestimmtes Maß an Gleichklang ein gewisses Fundament legen kann. Diese Voraussetzung schwindet – siehe einerseits den „Zollstreit“ von Trump, siehe andererseits die in den Bevölkerungen der Industrieländer wachsende Skepsis hinsichtlich der Globalisierung mit der Folge, dass rechte und nationalistische politische Strömungen erstarken.

Die Fragilität der globalisierten Wirtschaft besteht auch ohne Corona, aber Corona hilft, diese aufzudecken. Und so wird für mich das Ausmaß der Corona-Panik in den Finanzmärkten besser verständlich. Letztlich steht als Mentekel an der Wand, die Globalisierung (ein Stück weit…) zurück zu drehen. Das, erst recht die historische Dimension, schafft Unsicherheit – je größer diese ist, umso stärker sind die Preis-Reaktionen an den Finanz-Märkten.

Zurück zum zurückliegenden Freitag: Bei der schließlich erreichten intraday-Stabilisierung des S&P 500 haben Äußerungen seitens Fed-Offizieller geholfen, man berate nach dem erfolgten, außerplanmäßigen Zinsschnitt weitere Maßnahmen. So wird diskutiert, ob die Fed dem Beispiel anderer Länder folgen und etwa Assets wie Aktien und Unternehmensanleihen kaufen soll. Z.B. agiert die BoJ seit 2012 entsprechend, sie ist in mancher geldpolitischer Hinsicht Vorreiter.

Nach Gesetzeslage darf die Fed aber bisher nur Regierungs-gesicherte Schulden kaufen, etwa bestimmte Hypothekenanleihen und Staatsanleihen (Treasurys). Gedacht wird auch an gezielte Rettungs-Darlehen für einzelne Unternehmen. Es scheint allgemein anerkannt zu sein, dass die Fed mit ihren normalen geldpolitischen Werkzeugen wenig Boden unter den Füßen hat. Gleichzeitig geht die Mehrheit der FOMC-Mitglieder offenbar nicht davon aus, dass negative Zinsen wie in Europa und Japan für die USA eine gute Idee sind (kann ja noch kommen…).

Und so wird in den nächsten Tagen der Fokus der Akteure an den Finanzmärkten auf der nächsten regulären Sitzung des FOMC am 18. März liegen.

Eines hat die Fed inzwischen erreicht: Mit ihrem Not-Zinsschnitt hat sie die Inversion bei der Zinstruktur (10yr-13wk) beendet, sie war am 20. Februar in den negativen Bereich abgedreht. Der Spread notiert jetzt mit +0,3% so hoch wie seit dem 19. Dezember 2019 nicht. Das jüngste Tief wurde Ende August 2019 mit -0,52% markiert. Dadurch, dass die Fed besonders effizienten Durchgriff auf die kurzfristigen Renditen hat, schafft sie es immer, die Inversion bei diesem Spread weg zu prügeln. Aber der Schaden ist dann schon entstanden (siehe hier!).

Ob der Not-Zinsschritt vom 3. März von den Akteuren an den Kredit-Märkten als ausreichend angesehen wird, muss sich noch zeigen. Der Spread der zweijährigen TNotes zur effective Federal-Funds-Rate gilt als guter Signalgeber. Momentan zeigt er mit einem Stand von –0,5% weiteren Anpassungsbedarf, allerdings dauert es gewöhnlich ein paar Wochen, bis er nach Leitzinsschritten eingeschwungen ist (Chartquelle).

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Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag per Handelsschluss den wichtigen Pegel bei 2940 respektiert. Auf diesem Niveau startete Anfang Oktober 2019 der jüngste Bull-Run. Zudem waren hier die ATHs von Anfang Oktober 2018 und Ende April 2019 markiert worden. Für die nächsten Tage ist es wichtig, dass dieses Niveau hält. Falls nicht, könnte die statische Zone um 2875 herum noch ein Rettungsanker für die Bullen sein. Falls auch das nicht hält, käme ~2750 in den Fokus (Chartquelle).

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Auf der Oberseite liegt eine wichtige statische Zone bei 3030 bis 3060. Kann sich der Index darüber behaupten, dürfte die Volatilität zügig zurückgehen, eine Seitwärtskonsolidierung wäre dann das zunächst wahrscheinlichste Auskommen.

Entscheidend wird sein, wie sich dann Euro/Dollar und Gold entwickeln. Beide sind kurzfristig überkauft, was keine Garantie dafür ist, dass sie kurzfristig nicht noch weiter steigen können. Je weniger sie im aktuellen Umfeld auf der Unterseite reagieren, je vorsichtiger sollte man sein hinsichtlich einer Stabilisierung bei den Aktienkursen. Auch die Entwicklung der Ölpreise wie der übrigen industriellen Rohstoffe ist von Bedeutung.

Das für die Informationstechnologie wichtige Kupfer hält sich seit dem 20. Februar vergleichsweise gut. Der Preis leitete den Absturz bereits einen Monat vor den Aktienmärkten ein, seit Anfang Februar etabliert sich eine Seitwärtstendenz um das 62er Retracement der Aufwärtsbewegung zwischen September 206 und Juni 2018 herum. Ein am aktuellen Punkt steigender Kupferpreis würde den Aktienmärkten ein positives Signal senden – allerdings auch umgekehrt (Chartquelle).

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Die Fed hat die Leitzinsen außerplanmäßig um 0,5% gesenkt. Die Corona-Panik grassiert weiter. Sie wird meiner Meinung nach nur im Zusammenhang mit der historischen Dimension der (teilweisen) Rückabwicklung der neoliberalen Globalisierung verständlich. Aktienkurse haben am aktuellen Punkt eine weitere Chance auf Stabilisierung. Der Kupferpreis hatte mit seinem Absturz den Absturz bei Aktien vorweggenommen, aktuell dürfte er eher wieder zulegen.

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