Die US-Arbeitsmarktdaten für April kamen besser herein als erwartet. Die Zahl der neuen Jobs stieg um 211.000, für den ohnehin schwachen Vormonat wurde sie allerdings nach unten revidiert. Die Akteure an den Aktienmärkten nahmen die jüngste Entwicklung als Beleg für die Aussage der Fed, dass der Tempoverlust in den Makrodaten, wie er sich auch in der BIP-Entwicklung für Q1 zeigt, nur vorübergehend ist. Der S&P 500 markierte (knapp) ein frisches Allzeithoch.
Die jüngste Entwicklung der Arbeitsplätze hat das Bild jedoch nicht gedreht – jedenfalls nicht übergeordnet. Im Februar 2015 wurde mit fast 2,3% die Spitze des jährlichen Job-Zuwachses seit der Finanzkrise erreicht. Seitdem sinkt die Steigerungsrate auf aktuell jetzt 1,6% (siehe kleinen Chart im unteren Bildteil). Die Trendauswertung zeigt seit Mai 2016 Tempoverlust (rote Signallinie im großen Chart oben). Noch liegen die jährlichen Zuwächse komfortabel über ein Prozent – aber es ist unverkennbar, dass der Konjunkturzyklus in die Jahre gekommen ist.
Die Arbeitslosenquote ist auf 4,4% gesunken und liegt damit jetzt unter der natürlichen Arbeitslosenquote. Diese besagt, dass zu einem im gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht gegebenen Reallohn eine gewisse Arbeitslosenquote gehört, die aus strukturellen Marktunvollkommenheiten resultiert. Wenn die natürliche Arbeitslosenquote erreicht ist, entspricht das nach Friedman dem makroökonomischen Gleichgewicht, in dem die erwartete der aktuellen Inflationsrate gleicht. Wird sie unterschritten, legt das nahe, dass sich Inflationsdruck aufbaut. Unabhängig von der Frage, wie stichhaltig diese Theorie ist, zeigt sich, dass die Geldpolitik der Fed innerhalb von ein, zwei Jahren nach Unterschreiten jeweils restriktiver geworden ist.
Dieser Zusammenhang wird im folgenden Chart illustriert (h/t Incrediblecharts – Chartquelle). Dabei steht „currency component of M1“ für den Verlauf der Geldversorgung. Der Zusammenhang ist recht deutlich. In den 1990er Jahren geschah allerdings genau das Gegenteil – die Geldversorgung wurde mit dem Fall der Arbeitslosenquote unter ihr natürliches Pendant sogar noch ausgeweitet (dann kam die Tech-Blase und dann platzte diese).
Die durchschnittlichen Stundenlöhne stiegen im April erwartungsgemäß um 0,3%, sie liegen damit gut 2,3% über dem Vorjahresniveau und zugleich deutlich unter der Schwelle von rund drei Prozent, über der die Fed jeweils die geldpolitischen Zügel angezogen hat.
Hinsichtlich Inflationsausblick ergibt sich aus all dem weiterhin, dass sich der Preisdruck gegenwärtig nur mäßig entwickelt. Unabhängig davon wird nach impliziten Fed-Funds-Futures fest damit gerechnet, dass die Fed im Juni einen weiteren Zinsschritt unternimmt. Die Wahrscheinlichkeit wird auf 78,5% beziffert, am Tag vor der Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten waren es noch 73,8%. Mit einer deutlichen Straffung des geldpolitischen Kurses wird jedoch weiterhin nicht gerechnet, die Politik der Zinsschrittchen wird als Bestätigung für die Stärke der US-Wirtschaft genommen.
Drei weitere Ereignisse waren in der zurückliegenden Woche bemerkenswert: Euro/Dollar legte deutlich zu. Die Rohstoffpreise, insbesondere für Öl kamen erheblich unter Druck (wobei Zusammenhang zwischen schwachen Rohstoffpreisen und sinkendem Außenwert des Dollar ungewöhnlich ist). Und der S&P 500 markierte ein neues Allzeithoch.
Als Gründe für die Stärke von Euro/Dollar wird angeführt, dass vor dem zweiten Wahlgang bei der französischen Präsidentenwahl nach Überzeugung der Akteure an den Finanzmärkten der Sieger Macron bereits feststeht. Gleichzeitig strömen offenbar Mittel aus dem Dollar-Raum als Portfolioinvestitionen in den Euro-Raum und bewirkten, dass europäische Aktien deutliche relative Stärke gegenüber US-Werten zeigen. Das Währungspaar notiert jetzt komfortabel über der langfristigen Aufwärtslinie aus 1985 (blaue Linie im Chart – zum langfristigen Bild siehe hier), aber auch über der Nackenlinie einer untypischen inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation (grüne Linie). In der volatilen Bodenbildung von Euro/Dollar spiegelt sich die heterogene Meinung der Währungsspekulation zum Euro-Thema wider, sowie auch die gegensätzlichen Auswirkungen der Rolle des Euro als Carry-Trade-Währung und als Anlageregion mit relativ zu den USA unterbewerteten, aber auch längst nicht mehr billigen Aktien.
Kupfer gilt als wichtiger Indikator im Bereich der Industriemetalle, auch aufgrund seines Einsatzes in der Elektronik. Die Bodenbildung konnte hier Anfang November 2016 als abgeschlossen angesehen werden. Der Preis stieg danach zügig an und notiert seit geraumer Zeit in einer Seitwärtsspanne – im gezeigten Index von S&P zwischen gut 380 und 420. Aktuell scheint sich ein Test ihrer Untergrenze anzubahnen.
Bei Öl kam es in den zurückliegenden Tagen zu einem heftigen Einbruch. Das Bild ist hier ähnlich wie bei Kupfer. Nach einem Tief zum Jahresbeginn 2016 hat sich eine Seitwärtsspanne etabliert, die im gezeigten Index von S&P zwischen 240 und 300 liegt. Auch hier befindet sich der Index auf dem Weg zu deren Unterseite.
Der S&P 500 hat ein neues Allzeithoch erreicht. Das vom 1. März wurde um gut drei Punkte überboten, mit einem Schlusskurs von 2399,29 wurde die runde Marke von 2400 knapp verfehlt. Geholfen hat dabei auch, dass der Trump-Administration im zweiten Anlauf ein Teilerfolg bei der Rückabwicklung von Obamacare gelungen ist. Die „Reform“ muss jetzt noch den Senat passieren. Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit von Trump treten damit wieder in den Hintergrund. Und das ist besonders in Hinblick auf die Steuerreform wichtig, die als wichtigster Treibsatz für das Wirtschaftswachstum, wichtiger noch, für die Unternehmensgewinne, angesehen wird. Die Aktienbullen hoffen, dass sich dadurch die elaborierten Unternehmensbewertungen dann nachträglich als nachhaltig erweisen werden.
Einstweilen ist die Volatilität im S&P 500 eingeschlafen, und zwar sowohl die historische als auch die implizite nach VIX. Der VIX notiert so tief wie zuletzt Anfang Juli 2014, kurz darauf hatte der S&P 500 damals bei 1989 ein lokales Hoch erreicht. Es folgten zwei Einbrüche, der zweite führte Mitte Oktober bis zu einem Schlusskurs von gut 1860 herunter. Technisch ist die aktuelle Lage ähnlich wie damals, die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur ist relativ hoch, bedeutendere Gewinnmitnahmen liegen nahe.
[Alle Charts mit Ausnahme der beiden ersten von Incrediblecharts.com]Der S&P 500 hat ein neues Allzeithoch erreicht. Die Volatilitäten sind eingeschlafen, die Wahrscheinlichkeit von korrigierenden Gewinnmitnahmen nimmt zu. Bei Euro/Dollar scheint eine Bodenbildung vollendet, gleichzeitig zeigen Rohstoffe insgesamt Schwäche. Das ist ungewöhnlich, solche Verwerfungen zeigen häufig sich verschiebende strategische Ausrichtungen in den Finanzmärkten an.
Eegänzung:
(9.5.17) Der VIX, Maß für die implizite Volatilität beim S&P 500, auch Angstmesser an Wall Street genannt, hat gestern mit 9,77 so tief geschlossen wie seit 1993 nicht. Details zum CBOE Volatility Index finden Sie hier.
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