Nach Sieg von Macron – Risk-on

Die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen brachte einen Sieg des unabhängigen Kandidaten Macron. Er holte 23,8% der Stimmen. Die Vertreterin des rechtsnationalen Front National (FN) kam mit 21,5% auf den zweiten Platz. Am 7. Mai wird in einem zweiten Wahlgang entschieden, wer von den beiden Kandidaten das Amt des französischen Präsidenten bekleiden wird.

Die Kandidaten der beiden großen etablierten Parteien scheiterten, erstmals seit Jahrzehnten ist weder ein Kandidat der Sozialisten noch einer der bürgerlichen Rechten auf den ersten beiden Plätzen vertreten. Auf Platz drei kam mit fast 20% der Kandidat der Republikaner, der Linkspolitiker Mélenchon erreichte mit gut 19,6% den vierten Platz. Die Wahlbeteiligung lag bei gut 78%.

Der 39-jährige Macron, ein ehemaliger Investmentbanker, war unter Hollande Wirtschaftsminister, hat sein sozialistisches Parteibuch aber schon vor längerer Zeit abgegeben. Er vertritt einen pro-EU-Kurs, sein Wahlprogramm sieht eine deutliche Reduktion der in Frankreich traditionell hohen Staatsquote vor. Mit besonderer Kritik an der Konstruktion der EU und ihrer gegenwärtigen Ausrichtung ist er nicht aufgefallen – sehr zur Erbauung der deutschen Wirtschaft und Politik. Bundesaußenminister Gabriel flötete dazu: „(Macron) war der einzige proeuropäische Kandidat, der sich nicht versteckt hat hinter Vorurteilen gegenüber Europa.“

Die Kandidatin des FN ist mit dem Versprechen angetreten, Frankreich aus der EU zu führen und den Euro abzuschaffen. Zudem vertritt sie einen klar fremdenfeindlichen Kurs und liegt damit politisch auf der Linie vieler Brexit-Befürworter, wie auch der Politik des US-Präsidenten Trump. Sie warb mit dem Versprechen, das französische Volk von den arroganten Eliten zu befreien, die ihm sein Verhalten vorschreiben wollen. Sie konnte einen recht hohen Anteil junger Wähler gewinnen. Die 48-jährige FN-Chefin schnitt wesentlich besser ab als vor fünf Jahren, damals holte sie im ersten Wahlgang knapp 18% der Stimmen.

Zur Erleichterung der Marktforscher behielten die vor der Wahl erstellten Prognosen dieses Mal recht – sie hatten Macron favorisiert. Und sie sind sich auch jetzt sicher, dass dieser mit rund 60% als Sieger aus dem zweiten Wahlgang hervorgehen wird. Der Vertreter der Republikaner hat sich bereits festgelegt und will nun Macron unterstützen. Der viertplatzierte EU-kritische Mélenchon gab bisher keine Empfehlung ab. Bei den Anhängern der Republikaner werden Umfragen zufolge im zweiten Wahlgang bis zu einem Fünftel die Kandidatin des FN wählen.

Macron ist angetreten, mit einem System brechen, „das unfähig ist, auf Probleme zu reagieren.“ Gleichzeitig will er die Eurozone gemeinsam mit Deutschland stärken. Dabei hat er auch ein paar Kritikpunkte: So will er Bürgerkonvente auf dem ganzen Kontinent einberufen, um „dem europäischen Projekt wieder eine Richtung zu geben“. Er stellt sich auch hinter weitreichendere Reformideen für die Eurozone, sie soll u.a. einen eigenen Haushalt bekommen. Außerdem befürwortet er gemeinsame Anleihen.

Die deutsche Politik in Gestalt von Merkel und anderen will hingegen keine weitreichenden EU-Reformen. Erst kürzlich hat Bundesfinanzminister Schäuble solchen Vorhaben eine klare Absage erteilt.

Wie das alles zusammen gehen soll, bleibt Macrons Geheimnis. Bei Fortbestand der gemeinsamen Euro-Währung könnte Frankreichs Wirtschaft gegenüber Deutschland nur dann Tritt fassen, wenn die Stückkosten sehr deutlich sinken. Das zwingt zu Abbau von Sozialleistungen, zu Mehrarbeit, späterem Renteneintritt und anderen Maßnahmen. Wenn dieser Kurs gefahren wird, spielt das der FN-Kandidatin in die Hände, die mit ihrer Propaganda gegen „Sozialabbau“ im Wahlkampf besonders bei jungen Wählern punkten konnte.

Einen Ausweg aus den Konsequenzen der Euro-Klammer könnte es nur dann geben, wenn eben diese Klammer beseitigt wird oder wenn die deutsche Politik zu einer umfassenden Kehrtwende bereit ist. Sie müsste eine Politik betreiben, die die Konsumkraft im eigenen Land massiv stärkt. Damit würde gleichzeitig die Exportstellung der deutschen Wirtschaft konterkariert. Eine solche Wende ist nicht in Sicht. Abgesehen davon würde sie die strukturellen Probleme der französischen Wirtschaft nicht beheben.

Unklar ist, ob der parteilose Macron bei der im Juni anstehenden Parlamentswahl in Frankreich eine Mehrheit für seine Politik bekommt. Gelingt das nicht, wäre Frankreich innenpolitisch gelähmt. Die daraus folgende Unsicherheit würde auf Europa ausstrahlen und die Euro-Krise wieder aufflammen lassen, die viele Beobachter nun gelindert sehen. Kann Macron allerdings seine Macht auch im Parlament etablieren, könnte er mit solcher Stärke andere Länder der Eurozone hinter sich scharen und mit der deutschen Politik aneinandergeraten. Auch das würde den Kurs von EU und Eurozone wieder unbrechenbarer werden lassen.

Einstweilen feiern die Finanzmärkte. Der DAX konnte gestern ein neues Allzeithoch markieren. Der S&P 500 ist mit einer Aufwärtslücke über die zuletzt hier besprochene Chartformation ausgebrochen. Der Aktienindex steht aktuell an einer vom Tief aus Anfang Februar 2016 her kommenden Aufwärtslinie (grün) und oberhalb der Oberseite des seit 2009 bestehenden Aufwärtskanals (braune Linie).

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Euro/Dollar hat, ebenfalls mit einer Aufwärtslücke, den Sprung über die langfristige Auswärtslinie aus 1985 geschafft (blaue Linie im Chart – zum langfristigen Bild siehe hier!), an die er am Freitag vor der französischen Wahl bereits herangelaufen war. Gleichzeitig wurde die Nackenlinie einer hier vermuteten inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation überwunden. Sie ist nach „Lehrbuch“ obsolet, da die rechte Schulter nicht ausgebildet wurde. Der Chartverlauf zeigt sehr deutlich die unklare Meinung der Währungsspekulation zum Euro-Thema, sowie auch die gegensätzlichen Auswirkungen der Rolle des Euro als Carry-Trade-Währung und als Anlageregion mit relativ zu den USA unterbewerteten Aktien.

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[Charts von Incrediblecharts]

Ergänzung:
Wie wenig die Politik von EU und Eurozone auf die Belange der europäischen Bürger ausgerichtet ist, zeigt sich auch an folgendem Beispiel. Seit 2009 liegt ein Konzept zu einer Europa-weiten Arbeitslosenversicherung in den Brüsseler Schubladen. In Europa herrscht zwar weitgehende Freiheit hinsichtlich der Wahl des Arbeitsplatzes. Wenn aber jemand in einem Land arbeitet und dann in einem anderen Land arbeitslos wird, sind die in dem vorherigen Land eingezahlten Beträge bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes verloren. Nach 2008 wurden für die Bankenrettung viele hundert Milliarden Euro bereitgestellt, ein paar hundert Millionen für eine grenzüberschreitende Arbeitslosenversicherung sind da natürlich nicht drin.

Nachtrag:
(15.5.17) Bezeichnend – nach seiner Inthronisierung am gestrigen Sonntag hat Macron nichts Eiligeres zu tun, als heute, einen Tag später, nach Berlin zu Bundeskanzlerin Merkel zu fliegen, um ihr seine Aufwartung zu machen.

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