Das Quartal neigt sich dem Ende zu. Nie war Window-Dressing im seit 2009 laufenden Bull-Run wichtiger als in diesem Quartal. Warum?
Nach der Erhebung von Investors Intelligence sind 47,4% der Verfasser von Finanz-Newsletters und Investment-Berater in den USA bullisch eingestellt, 27,8% sind bärisch. Die Differenz zwischen beiden Werten ist so hoch wie zuletzt im August 2015 – Sie erinnern sich, gegen Ende dieses Monats brach der S&P 500 stark ein. Die Differenz liegt auch höher als im November 2015, als der S&P 500 bei knapp über 2100 kehrt machte. Ende Dezember konnte er eine Abwärtslinie vom Hoch aus Anfang November nicht überwinden und fiel dann im Januar wie ein Stein.
Tom McClellan weist darauf hin, dass die Differenz absolut gesehen nicht besonders groß ist, aber die Geschwindigkeit, mit der sich der Sinneswandel seit Anfang Februar vollzogen hat, ist beachtlich. Und das sei ein Hinweis, dass sich die Bewegung alsbald erschöpft. Denn wer derart optimistische Marktaussichten hat, der hat sich normalerweise schon positioniert. Daher fragt es sich, wer kurzfristig die Kurse noch weiter hoch kaufen könnte. Zumal, wie hier diskutiert wurde, die Käufer die Unternehmen selber waren mit ihren Aktienrückkaufprogrammen.
Eine ähnliche Aussage trifft auch die tägliche Auswertung der bullischen und bärischen Volumina an der NYSE. Sie zeigt seit 5. Februar Akkumulation und mittlerweile ist der Anteil des bullischen Volumens so hoch wie mindestens seit Mai 2014 nicht mehr (türkise Linie). Das Durchschnittsvolumen (gelbe Linie) nimmt seit Anfang Februar von hohem Niveau aus ab, was typisch für eine Akkumulationsphase ist.
Der Reifegrad dieser Phase zeigt sich auch an der Auswertung des täglichen Put/Call-Verhältnisses an der CBOE. Das Verlaufshoch erreichte zuletzt die Zone der Maxima der jüngsten 20 Monate (z.B. auch von denen im November 2015) und zieht sich gegenwärtig hiervon zurück.
Was die Bewertung angeht, so ist ein deutlich erhöhtes Niveau erreicht. Ich ziehe als Maßstab das Shiller-PE (Cape – Chartquelle) heran, das zyklische und preisliche Effekte kompensiert. (NB: Bemerkenswert ist eine etwa 60 Jahre umfassende Bewegung – ich komme darauf noch zurück.) Ich sehe hier keinen über die Dekaden gemittelten festen Referenzwert (etwa den Durchschnitt), sondern einen Kanal, der im Zeitablauf steigt. Das spiegelt die zunehmende Produktivität wider, die in erster Linie den Unternehmensgewinnen zugute kommt. Aktuell sind die Aktien im S&P 500 mit 25,7 klar überdurchschnittlich hoch bewertet, die Kanalmitte liegt bei 21. Erst recht hoch wäre die Bewertung, wenn man sich auf den langfristigen Mittelwert bezieht, der bei rund 17 liegt.
Wenn der Herdentrieb entsprechend hoch wäre, wäre ein solches Bewertungsniveau kein zwingendes Hindernis für weiter steigende Kurse. Herdentrieb äußert sich im Kursverlauf darin, dass er zunehmend geradenförmiger wird. Als Stellvertreter für den Verlauf aggregierter Kurse einer Reihe von Indices dient im folgenden Chart (oberer Chartteil – Titel „Linearity…“) die blaue gepunktete Linie, das Ähnlichkeitsmaß zu linearen Verläufen ist dort mit rot aufgetragen. Gut zu sehen, wie z.B. im Oktober und November 2015 lineare Merkmale mit der Erholungsbewegung nach dem Einbruch bei Aktien Ende August zunahmen. Dann ging das Ähnlichkeitmaß mit der sich an das damals gebildete Hoch anschließenden Seitwärtsbewegung wieder zurück. Anfang Januar stieg es mit dem starken Kursverfall wieder deutlich an, erreichte Ende Januar ein Hoch, das bis in den Februar hinein hielt. Mit dem steilen, zunächst nahezu geradenförmigen Anstieg der Aktienkurse ab 12. Februar blieben die linearen Eigenschaften bis in den März hinein dominant.
Kursbewegungen erschöpfen sich nach dieser Auswertung immer dann, wenn das Ähnlichkeitsmaß Werte über 60% erreicht hat UND der Abstand zwischen „rot“ und „gelb“ oder „grün“ sich nicht mehr weiter verengt. „Gelb“, bzw. „grün“ spiegeln die Ähnlichkeiten zu abwärts, bzw. aufwärts gerichteten Linienstrukturen wider. Signifikante Hochs (Tiefs) werden zudem signalisiert, wenn „gelb“ („grün“) im Bereich unter 10% wieder ansteigt.
Die Bedingungen für ein signifikantes Hoch sind aus Sicht der fraktalen Oszillatoren (der Chart wird täglich auf der Startseite aktualisiert) aktuell erreicht, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die Kurse auf dem gegebenen Niveau noch ein paar Tage dahinwackeln, bis ein Anstieg von „gelb“ signalisiert, dass die Bären zu einem neuen Angriff blasen. Hier kommt das Quartalsende ins Spiel, die großen Akteure würden gerne zumindest mit einer schwarzen Null abschließen.
Die Erwartungen für die Unternehmensgewinne im ersten Quartal liegen gegenwärtig bei im Jahrensvergleich um 6,9% sinkend. Viel Phantasie für steigende Kurse lässt sich daraus nicht ableiten, es sei denn, man unterstellt, dass die Ölpreise so dynamisch weiter steigen wie vom 11. Februar bis vor wenigen Tagen. Das halte ich jedoch für unwahrscheinlich, so dass die Hoffnung auf eine sich rasch verbessernde Gewinnsituation der gebeutelten Energieunternehmen aktuell nicht trägt. Da auch das Makrobild nicht eben für eine lebhafte Konjunktur spricht (siehe z.B. hier!), bleibt eigentlich nur die Erwartung eines Anlagenotstands, gepaart mit Liquiditätsflut, die Kurse treiben könnte.
Nach TED-Spread (Differenz zwischen dem Dreimonats-Libor und der Rendite für 13-wöchige US-TBills (IRX)) kann von Liquiditätsflut keine Rede sein. Zur Erklärung: Mit zunehmender Liquidität der Banken steigt das Angebot am Geldmarkt, der Spread sinkt. Umgekehrt führt ein Rückgang der Liquidität zu einem steigenden Spread; wenn Banken der weiteren Entwicklung im Bankensystem misstrauen, verkaufen sie Assets und schichten in TBills (IRX = “Parkplatz”) um.
Beim TED-Spread lässt sich seit 2014 ein zunächst flach verlaufender Aufwärtstrend (=Abnahme von Liquidität) ausmachen. Er hat sich in 2015 verschärft und hat jetzt bei über 0,3% einen kritischen Pegel erreicht (die Leitzinszone der Fed liegt seit Dezember zwischen 0,25 und 0,5%, das Mittel also bei 0,375%). Dieser Indikator spricht somit nicht für ansteigende Liquiditätsflut.
Damit sei zum Schluss noch ein Blick auf den Chart des S&P 500 geworfen. Zwei Linien (rot) sind momentan relevant, beide gehen vom Hoch aus Anfang November aus. Die eine, an der der Index Ende Dezember scheiterte, ist überwunden, die andere wurde intraday fast erreicht, hat aber bisher als dynamischer Widerstand Bestand. Das gilt auch für einen wichtigen statischen Widerstandspegel bei 2058.
Das Quartalsende rückt näher – Windowdressing ist angesagt. Für große Akteure ist es nach dem Kurs-Einbruch im Januar besodners wichtig, das Quartal zumindest mit einer schwarzen Null abzuschließen. Manchmal klappt es in solchen Situationen, häufig wird es dann aber am Ausgang schnell eng.
Nach zahlreichen Kriterien sind Aktien reif für ein weiteres signifikantes Topp.
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