Die Europäische Kommission geht davon aus, dass der Lebensstandard in der Eurozone ohne tiefgreifende wirtschaftliche Reformen in 2023 nur 60% desjenigen der USA betragen wird. Damit würde der Abstand wieder so groß werden wie in den 1960er Jahren. Diese Vorhersage trifft der aktuelle Quartalsbericht der EU-Kommission über die Eurozone.
Einerseits kontrastiert dieser Ausblick erheblich mit den Geschichten über wirtschaftliche Erholung und Stabilität der Finanzmärkte, die man dieser Tage immer wieder von europäischen Politikern hören muss. Außerdem kommen Zweifel auf hinsichtlich des Gewichts Europas in der Welt.
Vor 50 Jahren gab es einen markanten Unterschied in den Lebensstandards (definiert als potentielles BIP pro Kopf) der USA und in Europa. Die Gründe waren nachvollziehbar. Der zweite Weltkrieg hatte Euopa verwüstet und der US-Wirtschaft einen starken Wachstumsimpuls gegeben. In den 1960er und 1970er Jahren begann Europa aber, gegenüber den USA aufzuholen, bis sich in den 1980er und frühen 1990er Jahren das pro-Kopf-Wachstum in beiden Wirtschaftsräumen in etwa anglich.
Wenn die Prognose der EU-Kommission zutrifft, dürften die Ungleichgewichte zwischen den beiden Wirtschaftsräumen nun immer größer werden. Sie rechnet ein Potenzialwachstum in den nächsten zehn Jahren in der Eurozone von 1,1% p.a. vor, in den USA soll es jedoch bei 2,5% liegen. Die pro-Kopf-Wachstumsrate der Eurozone beträgt mit 0,9% gerade einmal die Hälfte derjenigen in den USA.
Die US-Wirtschaft hat sich seit Mitte der 1990er Jahre v.a. wegen höherer Produktivität und schnellerer Nutzung neuer Technologien besser entwickelt als die in Europa. Die Produktivität pro Arbeitsstunde lag Mitte der 1990er Jahre in Europa bei fast 90% des US-Werts. Seitdem ist sie um zehn Prozentpunkte zurückgegangen und soll bis 2023 um weitere sechs auf dann 73% des US-Niveaus absinken. Zwei Drittel dieser Lücke gehen auf die Arbeitsproduktivität, ein Drittel geht auf Unterschiede in der Beschäftigung und bei den Arbeitsstunden pro Werktätigen zurück.
Die amerikanischen Wachstumsaussichten scheinen damit nicht nur weniger von der Finanzkrise getroffen worden zu sein, die USA scheinen auch im Vergleich zur Eurozone gestärkt aus der Krise hervorzugehen, sagt der Bericht der EU-Kommission.
Es sei an der Zeit, so der Bericht, dass Europa Reformen auf den Weg bringt, die das Wachstum fördern. Bisher hätten europäische Politiker der Lissabonner Strategie von 2000 nicht mehr als Lippenbekenntnisse engegen gebracht. Mehr als eine Dekade später ist der Reformbedarf noch deutlich größer geworden, sagt die Kommission. Nach Modell-Simulationen könnte das BIP der Eurozone mit solchen Reformen in zehn Jahren 6% höher sein als ohne diese.
[Unter Verwendung von Material des Brüssel-Blogs der FT]
Der Bericht passt ins Bild – in Brüssel verabschiedet man sich still und leise von der Austeritäts-Politik der zurückliegenden Jahre und versucht, die Kurve zu mehr Wachstum zu bekommen. Was die Modell-Simulation der EU-Kommission allerdings in Aussicht zu stellen hat, ist nicht gerade üppig…
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