Die Troika schlägt einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland vor, der dieses Mal vor allem die öffentlichen Gläubiger betreffen soll (official-sector involvement – OSI). Erst im März hatten private Gläubiger auf mehr als 50% ihrer Kredite verzichten müssen.
Die Euro-Staaten haben Griechenland in den vergangenen zweieinhalb Jahren rund 127 Mrd. Euro an Darlehen gewährt, der IWF nochmals 22 Mrd. Euro. Der deutsche Anteil an den Krediten beträgt 34 Mrd. Euro.
Bisher hatten Merkel und Schäuble immer getönt, das seien alles nur Kredite, die mit Zins und Zinseszins zurückkämen. Das erweist sich zunehmend als unhaltbare Behauptung und es ist auch nicht erst seit gestern vorhersehbar, dass Griechenland ohne umfassenden Schuldenerlass oder Entlassung aus der Eurozone keine Chance hat, jemals wieder auf die Füße zu kommen. Ob beide bewusst die Unwahrheit sagen oder sich "nur" nicht im Lichte der Weisheit sonnen können, das kann jeder für sich selbst entscheiden…
Dass die Ursache dieser Misere zu einem großen Teil in unsäglicher Korruption des griechischen Staatswesens liegt, dass die diversen Regierungen seit längerem alles Mögliche tun, nur keine vernünftige Haushaltpolitik, ist bekannt. Das wird seit langem von Brüssel toleriert und nahm seinen Anfang mit den Haushaltslügen, mit denen sich das Land in die Eurozone gemogelt hat.
Die deutsche Regierung will keinen „OSI“. Lieber gibt sie weitere Kredite, wohl wissend, dass die genauso „den Bach runter gehen“, wie die Gelder vorher. Zur Begründung ist ihr auch kein Argument zu dreist. So wird behauptet, ein öffentlicher Schuldenverzicht sei ungesetzlich. Gesetze, Verträge und Recht fallen den Herrschaften immer dann ein, wenn es passt. Der entscheidende Grund für die deutsche Ablehnung eines Haircuts liegt schlicht in der Tatsache, dass im kommenden September Bundestagswahlen sind.
Die EZB wird an einem Schuldenschnitt nicht teilnehmen, weil das (im Gegensatz zum OMT-Programm???) eine unzulässige Staatsfinanzierung wäre. Aha! Der IWF möchte seine Einlagen auch gerne „ungeschnitten“ zurück.
IWF- und EU-Offizielle sagen hinter vorgehaltener Hand längst, die Schulden Griechenlands seien nicht haltbar, eine Restrukturierung unausweichlich. „Offiziell“ arbeiten sie jedoch an allen möglichen abstrusen Konstruktionen. So wird etwa die Verlängerung von Fälligkeiten diskutiert oder der Rückkauf von Schulden mit geliehenem Geld. Dabei soll es den Griechen mit Hilfe eines neuen Kredits des ESM ermöglicht werden, alte Anleihen am Markt anzukaufen, die teilweise nur noch zu einem Viertel des Nennwerts kursieren. So könnte die Schuldenlast nach Berechnungen von Schäuble um bis zu 40 Mrd. Euro reduziert werden. Schäuble stellte gleich klar: „Das ist auch kein Trick, das ist schon eine Überlegung, die man seriöserweise anstellen kann.“ Nein, ein Trick ist das wahrhaftig nicht, dazu ist der Plan zu dumm. Was passiert wohl, wenn er in die Tat umgesetzt wird? Die Anleihekurse steigen.
Die FT berichtet von neuen Projektionen der griechischen Regierung, wonach die BIP-Schuldenquote in 2013 auf 189% und in 2014 auf 192% in 2014 steigen wird. Das ist viel höher als dem pessimistischen Szenario des IWF entspricht. Anscheinend versucht die Regierung auf diesem Weg, noch ein paar Milliarden Euro mehr los zu eisen. EU-Kommission und EZB rechnen aktuell mit weiteren Krediten über 30 Mrd. Euro, der IWF geht von 38 Mrd. Euro aus.
Eine Verzögerung eines „OSI“ um ein weiteres Jahr erhöht das Risiko eines größeren politischen Rückschlags. Die griechischen Staatsschulden steigen bis dahin weiter an, das BIP sinkt weiter. Das Ende bleibt dasselbe – ein „OSI“. Die Konkursverschleppung führt nur dazu, dass die Eurozonenkrise noch länger anhält und schwerer verläuft. Und weiteres Vertrauen verspielt wird.
Die Bundesregierung liegt mit ihrer Haltung auf einer Ebene mit führenden Repräsentanten der Finanzindustrie: Einen solchen Schritt dürfe es „in dieser Lage nicht geben“, sagte der Chef von Munich Re, von Bomhard, der „FAS“. Warum? „Sonst geht das Vertrauen restlos verloren“.
Mohamed El Erian, Pimco, sieht das genau anders herum: Wenn das Ziel sein soll, Griechenland in der Eurozone zu halten, müsse der Schuldenschnitt der öffentlichen Gläubiger viel höher sein als dem IWF-Vorschlag entspricht. Wenn das Ziel sein soll, dafür zu sorgen, dass das Land außerhalb der Eurozone wieder auf die Beine kommt, müssen die Anstrengungen darauf gerichtet sein, den Weg zu einer eigenen Währung innerhalb der EU zu ebnen. Stattdessen habe man sich wieder einmal für einen unklaren Mittelweg entschieden. Man redet zwar über den Verbleib des Landes in der Eurozone, tut aber nicht genug, um das auch wahrscheinlich werden zu lassen. Das schaffe kein Vertrauen – weder in Griechenland, noch anderswo.
Zum Thema „Korruption“: Unlängst wurde der Herausgeber einer griechischen Zeitung kurz festgenommen, die die Namen von über 2000 angeblichen Steuerflüchtlingen veröffentlicht hat. Die Liste liegt der griechischen Regierung seit der Zeit von IWF-Chefin Lagarde als französische Finanzministerin vor. Geschehen ist bisher nichts – außer dass die Liste von Regierung zu Regierung weitergereicht wurde.
Nachtrag:
(20.11.12) Im Artikel "Euro-Finanzminister hoffen auf ein Wunder – oder: Der (politische) Zweck heiligt die Mittel" wird nachgerechnet: Eine griechische Schuldenquote von 120% in 2020 oder 2022 ist ohne Schuldenschnitt unrealistisch. Der Verfasser schreibt: "Es wird daher Zeit, dass sich die Politik nicht länger hinter Wunschdenken verschanzt, sondern die ökonomischen Realitäten akzeptiert und auch der Öffentlichkeit gegenüber zugibt."
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