S&P 500 – nicht günstig für die Bullen

Der S&P 500 fällt deutlich – Wochenverlust von 2,4%. Als Grund wird die Situation im Nahen Osten genannt. Auch eine Rede von Fed-Chef Powell enttäuschte – er hielt sich bedeckt über den weiteren Gang der Geldpolitik.

NDX und Nasdaq Composite zeigen erneut relative Schwäche, der Dow relative Stärke (im Minus). Gold und Silber steigen weiter, die Renditen ebenfalls. Die Anleger suchen sichere Häfen. Die Ölpreise gewinnen auf Wochensicht weiter. Auch der CRB-steigt weiter.

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Die US-Renditen steigen deutlich an, lediglich die 13wk-TBills tendieren allesamt schwächer. Die Rendite der 10yr-TNotes touchiert 5% – neues 16-Jahres-Hoch. Der Dollar zeigt Schwäche, Euro/Dollar tendiert fester. Das Währungspaar Dollar/Yen hält sich knapp an der Schwelle von 150. Hier werden Interventionen der BoJ erwartet.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken sinkt auf Wochensicht um weitere 2,8%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, verliert weitere 1,7%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, sinkt um weitere 4,0%.

Die beobachteten Merkmale der Zinsstruktur notieren am langen, wie am kurzen Ende weniger negativ. Über das gesamte Spektrum der Laufzeiten ist die Differenz im Vergleich zur Vorwoche etwas positiver. Beginnt eine Normalisierung der Zinsstruktur? Nach einer langen Phase der Inversion ist das aus historischer Sicht keine gute Nachricht.

Die großen US-Indices notieren allesamt unter ihren EMA50-Linien. Der DAX setzt seine Serie der Wochenverluste fort. Er hat am zurückliegenden Freitag eine Abwärtslücke produziert. Das Gesamtbild bei Aktien sieht schlecht aus. Beobachter machen als Grund die Geopolitik aus. Man erwartet einen Einmarsch Israels in den Gaza-Streifen. Die größte Gefahr der aktuellen geopolitischen Situation wird darin gesehen, dass sie zu einem größeren Konflikt eskalieren könnte – Stichwort Hisbollah und Iran.

Bemerkenswerte Bemerkung von Fed-Chef Powell in seiner Rede am Donnerstag: Im Nachhinein betrachtet ist es möglich, dass die FED während der Pandemie weniger hätte tun können. „Tun sollen“ wäre richtig gewesen. Anscheinend wundert er sich, dass aus dem Hut gezauberte Billionen zu so etwas wie Inflation führen. [Siehe auch unten!] Ein weiterer Fed-Offizieller sagte, er sehe keine Umkehr bei den Leitzinsen bis spät ins nächste Jahr.

Aktien- und TBond-Kurse haben sich seit Mitte Mai völlig entkoppelt, wie der folgende Chart zeigt. Wenn die Bond-Kurse weiter kollabieren, die Renditen also weiter steigen, dürfte die Situation bald korrigiert werden, und zwar so, dass die Aktienkurse die Hauptlast tragen.

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Der Kredithunger der USA wächst und wächst. Die Staatsverschuldung ist in diesem Jahr auf über 33,5 Bill. Dollar angestiegen – noch Anfang Juni galt die Schuldengrenze von 31,4 Bill Dollar. Innerhalb von nur vier Monaten hat die Staatsverschuldung um mehr als zwei Bill. Dollar zugenommen. Und das, obwohl sich das Land in keiner (offensichtlichen) wirtschaftlichen Krise befindet. Taugen Anleihen da noch als sicherer Hafen?

Angesichts der schnell wachsenden Staatsverschuldung in den USA und der Möglichkeit, dass dies durch einen sich ausweitenden Konflikt im Nahen Osten über das Kriegsbudget noch weiter beschleunigt wird, ist der folgende Chart interessant. Der Anteil der ausländischen Gläubiger der USA hat sich seit 2010 von etwa 50% auf etwa 30% reduziert. Also muss immer mehr an liquiden Mitteln im US-Inland aufgewendet werden, um Staatsschulden zu kaufen. Das fehlt dann an anderer Stelle – bis die Fed den Geldhahn mal wieder richtig aufdreht (Chartquelle).

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Mohamad El-Erian schreibt in einem Artikel für die Financial Times, dass das Problem des US-Schatzanleihemarktes mehr ist als Inflation und Geldpolitik der Fed. Der Markt für US-Staatsanleihen ist der wichtigste Vermögenswert auf den globalen Finanzmärkten, und er verliert seinen Stellenwert. Die Politik der Fed ist von Ungewissheit geprägt, u.a. in Bezug auf die Auswirkungen von Zinserhöhungen, die Reduzierung der Bilanzsumme und das Fehlen eines wirksamen geldpolitischen Rahmens. Verschärft wird die Situation durch erhebliche Haushaltsdefizite. Anzeichen für eine Verringerung sind nicht erkennbar, was auf Funktionsstörungen im Kongress, Ausgaben im Zusammenhang mit früheren Verpflichtungen und Antworten auf Herausforderungen wie den Klimawandel zurückzuführen ist.

Es herrscht Ungewissheit darüber, wer das zusätzliche Angebot an Staatsschulden, das aus den hohen Defiziten resultiert, aufnehmen wird. Die Fed, die in der Vergangenheit ein wichtiger Käufer war, verkauft nun Anleihen und macht ihre quantitative Lockerung rückgängig. Ausländische Käufer sind zögerlich, und inländische institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften halten Anleihen mit Marktwertverlusten. Die Sorge um die Stabilität der regionalen Bankeinlagen könnte zu Anleiheverkäufen führen.

Kurzfristige Stabilisatoren gibt es auf dem Anleihemarkt immer noch, da steigende Renditen Käufer anlocken und sinkende Renditen den Anlegern die Möglichkeit geben, Papierverluste zu mindern. Trotz dieser Stabilisatoren sollte die Widerstandsfähigkeit des Anleihemarktes nicht als selbstverständlich angesehen werden. Der wichtigste Benchmark-Markt der Welt befindet sich auf einer unvorhersehbaren Reise mit ungewissem Ziel, so Mohamad El-Erian.

All das spricht nicht unbedingt dafür, dass die Renditesteigerungen ihr baldiges Ende finden werden. In den Verlauf der 10yr-TNotes lassen sich immer steilere Trendlinien einzeichnen. Mittelfristig sieht es für Aktien nicht günstig aus.

Der S&P 500 hat seit dem Tief in 2009 durchschnittlich jährlich um 16% zugelegt – das ist deutlich mehr als der langfristige Durchschnitt von rund 10% pro Jahr. Porter Stansbury rät dazu, Cash zu generieren. Er empfiehlt, insbesondere spekulative, hoch bewertete Unternehmen auf den Prüfstand zu stellen und dann solche mit signifikanter Ausrichtung auf zyklische Bereiche der Wirtschaft unter die Lupe zu nehmen. Dabei geht es insbesondere um den Hausbau, kommerzielle Immobilien und Industrie-Rohstoffe. Außerdem sollten Unternehmen mit signifikanten Schulden verkauft werden.

Mit Hypothekenzinsen bei 8% und Hauspreisen nahe Allzeithoch scheint eine Korrektur im Hausbau-Sektor unausweichlich, schreibt Stansbury. Hinsichtlich Kupfer ist er langfristig „extrem bullisch“, aber in den nächsten 12 bis 18 Monaten könnte es einen scharfen Preisverfall geben, weil die hohen Zinsen auf der globalen Wirtschaft lasten.

Wie hält man Cash, wenn man den Ratschlägen gefolgt ist? US-Treasury Bills sind eine Möglichkeit. Weitere bestehen darin, entsprechende ETFs zu kaufen. Stansbury gibt einige Empfehlungen für in den USA gehandelte Titel. Wie bei allen ETFs besteht ein kleines Risiko eines Kapitalverlustes, man sollte also diversifizieren. Geldmarkt-Fonds sind eine weitere Möglichkeit (in Deutschland wird ein US-Geldmarkt-ETF mit der WKN-Nr. DBX0A0 gehandelt). Solche ETFs investieren jedoch häufig auch in riskantere Papiere außerhalb des Treasury-Marktes. Stansbury empfiehlt zur Vermeidung eines solchen Risikos den Vanguard Treasury Money Market Fund (VUSXX).

Es ist zwar erfreulich, so Stansbury, dass wir zum ersten Mal seit Jahren wieder eine echte Rendite auf unser Bargeld erzielen, aber wir sind uns auch bewusst, dass der Dollar -wie alle Fiat-Währungen- von Natur aus instabil und zum Zusammenbruch verurteilt ist. Und es ist möglich, dass dieser Zusammenbruch bereits im Gange ist. Um sich gegen dieses Risiko abzusichern, empfiehlt er, einen kleinen Teil des Geldes in physischem Gold und Bitcoin zu halten – nicht viel, 5% bis 10% des Bargelds in Gold und 1% bis 5% in Bitcoin reichen aus.

Stichwort Kupfer: Der Verlauf des Kupfer-Preises sieht nicht gut aus. Mitte Mai wurde ein Death Cross produziert, seit Jahresbeginn hat sich ein Abwärtskanal etabliert. Der Preis notiert aktuell am 62er Retracement des Aufwärtsimpulses aus Mitte Juli 2022.

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Die US-Wirtschaft wächst weiterhin schneller als die in Europa. Das Wirtschaftswachstum in den USA hat während der Erholung von der globalen Finanzkrise und der Pandemie das Wachstum in Europa überflügelt, und die jüngsten Prognosen des IWF deuten darauf hin, dass dieser Trend bis 2024 anhalten wird. Faktoren wie ein flexibleres US-Bankensystem, ein boomender US-Technologiesektor und unterschiedliche Auswirkungen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine werden als Triebkräfte für diesen Trend genannt. Ökonomen erhöhen die Wachstumsprognosen für die US-Wirtschaft bis Anfang 2024. Eine Bloomberg-Umfrage vom Oktober zeigt, dass sie für das vierte Quartal ein Wachstum von 0,7% erwarten, während sie im September noch von 0,5 % ausgegangen waren, wobei die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ebenfalls gesenkt wurde.

Jeroen Blokland: Die Renditen 10-jähriger italienischer Anleihen haben 5% erreicht. Das letzte Mal haben wir dies Ende 2012 gesehen. Nur ein Jahr zuvor stand Italien kurz davor, aus der Eurozone auszuscheiden. Zeichnet sich eine neue europäische Schuldenkrise ab?

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Die Situation dürfte aktuell kritischer sein als Ende 2010, kurz vor dem Ausbruch der europäischen Schuldenkrise. Alle Renditen bis zu einer Laufzeit von 15 Jahren sind (viel) höher als noch vor dreizehn Jahren. Je kürzer Italien sich refinanziert, desto schmerzhafter ist es. Die Umschuldung wird schmerzen, Punkt. Habe ich übrigens erwähnt, dass Italiens Schuldenquote im Jahr 2010 „nur" 119% des BIP betrug, fragt Blokland. Aktuell sind es 144%.

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Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4224,16 geschlossen. Er hat zu Wochenbeginn seine EMA50 aufgegeben (4366, sinkend) und zum Wochenende hin auch seine EMA200 (4272, waagerecht) durchbrochen. Auch der Pegel bei 4300, dem zyklischen Hoch aus August 2022, wie auch dem 38er Retracement der Abwärtsbewegung aus Ende Juli, wurde pulverisiert.

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Die Marktindikatoren zeigen sich per Saldo weiter leicht bullisch. Die Volumenverteilung ist seit 25. September in Distribution. Die Marktbreite nach TRIN ist bullisch, die AD-Line neutral. Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen Aktienindices) hatte sich Mitte September an der Grenze zum sehr bärischen Bereich stabilisiert, eine Bestätigung für eine untere Wende, was für Aktien bullisch zu werten wäre, steht aber weiterhin aus.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bullische lineare Merkmale seit der Wochenmitte abnehmend, bärische nehmen zu. Aus dieser Sicht spricht nicht viel für eine rasche bullische Umkehr.

Die Volatilität bei Aktien bleibt erhöht. Der die implizite Volatilität im S&P 500 messende VIX steigt über seiner EMA50 weiter an, er befindet sich jetzt auf einem Niveau wie zuletzt Ende März. Der Index notiert weiterhin über seiner EMA50w. Der Verlauf mahnt zur Vorsicht. Wenn die EMA50d (16,88) über die EMA50w (18,28) steigt, kommt es normalerweise zu einer signifikanten Korrektur.

Möglich, dass die Bullen etwa zusammen mit dem irsaelischen Einmarsch in den GAZA-Streifen in der kommenden Woche versuchen, nach oben zu kommen. Dabei müsste der S&P 500 zügig über die EMA200 und eine Aufwärtslinie aus Oktober 2022 steigen. Auf der Unterseite liegt das 50er-Retracement des Aufwärtsimpulses aus März. Hält dieser Pegel nicht, kommt sofort der wichtige Pegel bei 4160/4150 ins Visier, vielleicht zusammen mit einem Test der Abwärtslinie aus Ende Juli.

Was ist wahrscheinlicher? Ich denke, das ist gegenwärtig noch weiter die Unterseite.

Ergänzung
Fed-Chef Powell hielt am zurückliegenden Donnerstag im New York Economics Club eine Rede, in der er u.a. auch sagte, zitiert nach Megan Cassella von Barron's: „Die Höhe der Gesamtverschuldung der USA ist an sich kein Problem ….". Er deutete an, „dass schnell steigende Schuldenniveaus in Zukunft zu einem Problem werden könnten". „Der Weg, auf dem wir uns befinden, ist nicht nachhaltig, und wir müssen diesen Weg eher früher als später verlassen."

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