Aktienmärkte – eine uneinheitliche Woche liegt hinter uns. Der Dow verlor auf Wochensicht ein Prozent, der S&P 500 brachte es auf +0,3%. Der NDX steigt um 3,6% und zeigt in der fünften Woche in Folge relative Stärke. Der DAX verliert 1,8%, nach seinem Anstieg an sein Allzeithoch fiel er mit einer Abwärtslücke zurück.
Euro/Dollar sinkt im Wochenvergleich um weitere 0,7%, deutlich unter der Marke von 1,1000; Dollar und Euro gegen Yen +1,9%, bzw. +1,2%. Die Ölpreise steigen um weitere 1,5% (Brent), bzw. 1,1% (WTI). Der CRB-Rohstoffindex sinkt um 0,5%. Gold (in Dollar) sinkt um weitere 1,5%, Silber (in Dollar) gibt weitere 2,2% ab.
Die US-Renditen – erneut fester im Vergleich zur Vorwoche: Die der 10yr-TNotes steigt um 3,3% auf 3,806%, die der 2yr-TNotes +6,9% auf 4,564%. Die Rendite der 13wk-TBills +0,4% auf 5,268%. Die Zinsstruktur zeigt am kurzen Ende eine weiterhin leicht abnehmende, aber nach wie vor starke Inversivität. Am langen Ende ist der Spread leicht positiv und nimmt ebenfalls leicht ab. Über alle Laufzeiten hinweg ist der Spread abnehmend negativ.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt auf Wochensicht um weitere 2,4%. Der Dow Jones Transport Index notiert unverändert und liegt weiter unter seiner sinkenden EMA50. Der Halbleiterindex SOX steigt um weitere 10,7%. Er ist mit drei Aufwärtslücken in Folge über sein jüngstes Hoch aus Ende März ausgebrochen.
Aus Makrosicht gilt in den USA eine Rezession weiterhin als wahrscheinlich. Die große Frage ist und bleibt, wie schwer sie ausfällt. Die deutsche Wirtschaft befindet sich nach zwei Quartalen mit schrumpfendem BIP nun in einer technischen Rezession. Der Kinderbuchautor im Wirtschaftsministerium hatte propagiert, dass dies vermieden werden kann.
Fed-Analyst Wright hatte 2006 vorgeschlagen, die akkumulierte Häufigkeitsverteilung der Spreads am kurzen Ende der Zinsstruktur auszuwerten. Sein „Model B“ sagte die Rezession von 2001 richtig voraus, verpasste die Signifikanzschwelle bei der von 2008 knapp und zeigte nur einen schwachen Ausschlag vor der von 2020. Das Modell warnt mittlerweile signifikant vor einer neuen Rezession. Die Häufigkeitsverteilung des Spreads divergiert zuletzt weniger krass zur von Wright unterstellten Normalverteilung. Das gibt der Aussage wieder mehr Gewicht.
Der Kupferpreis zeigt weiter Schwäche. Vor wenigen Tagen haben die EMA50 und die EMA200 ein „Death Cross“ gebildet, bei dem der erste Duchschnitt den zweiten von oben nach unten durchschneidet. Beide Linien fallen, was die Bedeutung des Signals unterstreicht. Kupfer ist für unsere Wirtschaft ein wichtiger Rohstoff. Sein seit Anfang März 2022 übergeordnet fallender Preis ist kein gutes konjunkturelles Omen.
In den zurückliegenden fünf Monaten hat der Hype um die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) die Marktkapitalisierung von Nvidia von 350 auf aktuell 950 Mrd. Dollar hoch getrieben. Allein am 25. Mai stieg sie um über 200 Mrd. Dollar – an einem Tag. Noch nie hat ein Unternehmen an einem einzigen Tag einen solchen Wertzuwachs erlebt.
Auch Google, Microsoft und Amazon haben seit Jahresbeginn hunderte Milliarden an Wertzuwachs gesehen. Mit jeder KI-bezogenen Schlagzeite sprangen die Kurse in die Höhe.
Nvidia hatte völlig überraschend am vergangenen Mittwoch die Umsatzerwartung für das laufende Geschäftsquartal (Ende des Geschäftsjahres per Januar) auf 11 Mrd. Dollar angehoben, 32% mehr als im Vorjahresquartal (8,3 Mrd. Dollar). Im Geschäftsbereich Rechenzentren hatte Nvidia im zurückliegenden Geschäftsquartal 4,3 Mrd. Dollar umgesetzt, 10% mehr als von Analysten erwartet. Jetzt soll hier im laufenden Quartal der Umsatz auf sieben Mrd. Dollar steigen, mehr als 60% gegenüber dem Vorquartal (nicht Vorjahresquartal).
Anleger sehen eine glänzende Zukunft für das Unternehmen, der Kurs stieg auf 390 Dollar, nach 100 Dollar zum Ende des zurückliegenden Jahres.
Wall Street Analysten erwarten bei Nvidia für 2024 einen Gewinn von 5,93 Dollar je Aktie, macht ein KGV von 66. Andere Schätzungen kommen auf ein KGV von 80. Der S&P 500 kommt im selben Vergleich auf 18. Damit ist das Unternehmen zu einem Wachstum ohne Brüche verdammt. Bei Nvidia handelt es sich ja nicht um ein kleines Startup-Unternehmen, bei dem solch hohe Bewertungen gerechtfertigt sein können. Es darf nichts schief gehen.
Prognosen sind schwer, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen, heißt es.
Auf kürzere Sicht dürfte nicht viel dagegen sprechen, dass Nvidia die ambitionierten Pläne erfüllen kann. Cloud-Betreiber und Rechenzentren müssen ihre Verarbeitungskapazitäten ausbauen, um den Anforderungen einer wachsenden Zahl von KI-Anwendungen gerecht zu werden. Nvidia hat die entsprechenden Komponenten dazu. Eine H100-GPU kostet momentan etwa 20.000 Dollar. Ursprünglich für komplexe Anwendungen in der Computergraphik konzipiert, eignen sich einige Produkte von Nvidia aufgrund ihrer dedizierten Verarbeitungsleistung für Aufgaben im KI-Bereich.
Eine Firma, die Graphik-Chips und Graphikkarten herstellt, erreicht eine Marktkapitalisierung von 60% der im DAX versammelten Unternehmen. In Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Geschäftszahlen legt die Marktkapitalisierung von Nvidia an einem Tag stärker zu als das teuerste Unternehmen im DAX, SAP, insgesamt wert ist.
Superlative – wenn da nicht Erinnerungen an die dotcom-Blase vor 2000 wach werden. Damals genügte eine Unternehmensmeldung mit den Stichworten Telekommunikation, Logistik oder Internet, um tägliche gigantische Kurssprünge zu bewirken. Heute ist es mit „KI“ dasselbe. In 2022 wurden mehr als 50 Mrd. Dollar in Startups in diesem Bereich investiert.
Der Beauty-Contest von Keynes: Die Herde hat sich in Bewegung gesetzt, Anleger investieren dort, wo sie glauben, dass andere investieren. Solche Phasen können lange anhalten – siehe eben z.B. die Zeit vor 2000.
Ein interessanter Chart – der Vergleich von 1999 mit 2023 (Chartquelle).
Ein Zeichen für Übertreibung lässt sich auch im Verhältnis zwischen NASDAQ und dem marktbreiten Russell-Index erkennen (Chartquelle).
Goldman Sachs Analysten glauben, dass eine breite Anwendung von KI das Wachstum der Produktivität über einen zehn-Jahres-Zeitraum um jährlich rund 1,4% steigern könnte (Chartquelle).
Im laufenden Jahr liegt der Anteil der Aktien mit Outperformance gegenüber dem S&P 500 bei nur 29%. Das ist der geringste Wert in ungefähr 25 Jahren. Über die zurückliegenden 30 Jahre ist die Verteilung der Aktien nach Marktkapitalisierung immer ungleicher geworden, was dazu führt, dass mittlerweile zehn Aktien 35% der gesamten Marktkapitalisierung im S&P 500 auf sich vereinigen. Das bedeutet aber auch, dass viele schlechte Kurs-Entwicklungen anderer Aktien schlicht zugedeckt werden.
Als im Februar die Outperformance der MegaCap-Tech-Unternehmen relativ zum breiten S&P 500 zu bröckeln begann, drehte sich die Entwicklung wieder um, als ChatGPT herauskam. Mancher Beobachter sagt, ChatGPT habe den Markt vor einem deutlichen Rückgang bewahrt. Anleger scheinen darauf zu setzen, dass KI zu einer Verbesserung von Effizienz und Profitabilität der großen Tech-Unternehmen führt. Betrachtet man das Gewinnwachstum und die elaborierten KGVs dieser Unternehmen in den zurückliegenden acht Quartalen, so konnte ChatGPT nicht besser gelegen kommen.
Man mag versucht sein, solche Entwicklungen wie vor 2000 oder auch das, was sich jetzt andeutet, mit Attributen wie „verrückt“, „irrational“ oder so ähnlich belegen. Aber das trifft nicht zu. Im Sinne der Gewinnmaximierung ist es durchaus rational, sich an einen solchen Hype anzuhängen. Auch dann noch, wenn gegen Ende solcher Bewegungen die „Greater Fool“-Theorie wirkt: So lange es noch jemanden gibt, der einem sein überteuertes Zeug abkauft, ist auch das nicht irrational. Irrational wird es aber dann, wenn man im Glauben, dass dies unbegrenzt weiter geht, fallende Kurse zum Ende einer solchen Bewegung hin als Einstiegsgelegenheit ansieht.
Der S&P 500 hat die Woche bei 4205,45 beschlossen. Er liegt damit erneut über der wichtigen Schwelle bei rund 4160. Noch am Mittwoch hatte der Index intraday seine EMA50 (bei 4104, steigend) touchiert. Der Index befindet sich in einem flachen Aufwärtskanal nahe dessen Oberseite (aktuell ca. 4225). Die Volumenentwicklung stützt die Kerze des Tagesgewinns vom Freitag nicht. Die jüngsten Volumenspitzen stammen aus der zweiten Märzhälfte und untermauerten seinerzeit bullische Avancen. Seitdem verläuft es unauffällig eher unterdurchschnittlich.
Die Volumenverteilung schwankt zwischen Distribution und Akkumulation. Die Marktbreite tendiert zwar noch bullisch, aber wirklich überzeugend ist das nicht. Der Anteil der bullischen Aktien kommt über einige Tage gemittelt auf weniger als 50%. All das legt nahe, was auch die Auswertung der Volatilitäten von S&P 500 und VIX ergibt:
Die Konsolidierung dürfte bald mit einem Volatilitätsausbruch zu Ende gehen. Ich vermute allerdings, dass sich in diesem Zusammenhang erst im Umfeld der nächsten FOMC-Sitzung Mitte Juni eine klare Richtung herausbildet. Zunächst rechne ich mit einer zunehmend volatilen Seitwärtsbewegung, bei der es auch zu einem Test der EMA200 (aktuell 4042) kommen dürfte.
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