S&P 500 – die Volatilität steigt weiter

Die Aktienmärkte verneigten sich in der zurückliegenden Woche vor dem FOMC der Fed. Die US-Leitzinsen wurden wie erwartet um 0,25% hoch gesetzt. Einen Tag später folgte die EZB. Der Dow sinkt auf Wochensicht um 1,2%, der S&P 500 gibt 0,8% ab. Der NDX unverändert und zeigt in der zweiten Woche in Folge relative Stärke, wenn auch nur knapp. Der DAX legt um 0,2% zu, bis zum Allzeithoch fehlen noch rund 300 Punkte.

Euro/Dollar ist im Wochenvergleich unverändert, knapp über 1,1000; Dollar und Euro gegen Yen jeweils –1%. Die Ölpreise fallen um jeweils weitere rund 7%. Auch der CRB-Rohstoffindex sinkt um nochmals 2,4%. Gold (in Dollar) steigt hingegen um 1,4%.

Die US-Renditen uneinheitlich zur Vorwoche: Die der 10yr-TNotes steigt um 0,5% auf 3,440%, die der 2yr-TNotes –2,4% auf 3,908%. Die Rendite der 13wk-TBills steigt um 3,2% auf 5,225%. Die Zinsstruktur zeigt am kurzen Ende eine leicht abnehmende Inversivität, sie ist vom Niveau mit den frühen 1980er Jahren vergleichbar. Am langen Ende ist der Spread gering positiv und nimmt ebenfalls leicht ab.

Zu Wochenbeginn kam die Bankenkrise wieder ins Bewusstsein. Der KBW-Index regionaler Banken verlor in der Spitze 12,1%, auf Wochensicht blieb ein Minus von 7,9%. Der Dow Jones Transport Index stieg divergent zum Dow um 0,7%. Die Q1-Ergebnisse der großen Tech-Firmen stützten erneut, Apple stach heraus. Die Q1-Gewinne im S&P 500 werden jetzt mit –1,4% im Jahresvergleich erwartet. Anfang April hatte man noch mit-5,1% gerechnet. Der Zenith der Berichtssaison ist überschritten, bedeutende Impulse von hier aus sind nicht mehr zu erwarten.

Der VIX, Angstmesser an Wall Street, stieg unter der Woche kurz über seine EMA50, schloss zum Wochenende aber wieder darunter bei 17,19. Die tiefsten Pegel seit „Corona“ liegen bei knapp unter 15. Die 21-Tage-Volatilität ist in den zurückliegenden Tagen weiter leicht angestiegen, wie auch die des S&P 500.

Das herausragende Ereignis war in der zurückliegenden Woche die Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten für April. Die Zahl neuer Stellen (nonfarm) stieg um 253.000. Erwartet wurden 180.000 nach +165.000 im März. Die Stundenlöhne stiegen um 4,4%, erwartet wurden +4,2% nach +4,3% im März.

Nun sind das nicht gerade Daten, die danach aussehen, als würde die Fed ihre Zinsschritte bald beenden. Aber in den neuerlichen Turbulenzen im Bank-Sektor unterstützte das die (verzweifelte) Hoffnung, die Wirtschaft werde damit schon fertig. Wenn es nicht passt, wird es passend gemacht…

Die Assets der First Republic Bank wurden von JPMorgan übernommen, die Halter von Bonds und Aktien gucken in die Röhre. Aktien der PacWest Bank verloren in den zurückliegenden fünf Tagen über 70%, die der Western Alliance Bank gaben auch mehr als 50% ab. Die nächsten Kandidaten?

Vordergründig scheint die Fed zu glauben, die Bankenkrise erleichtere ihre Arbeit, die Wirtschaft abzukühlen und die Inflation unter Kontrolle zu bringen, ohne dass es zu einer schmerzvollen Rezession kommt.

Rezession und Inflation

David Rosenberg hat schon vor zwei Jahren die These vertreten, dass ein Inflationsboom nach COVID vorübergehend und von kurzer Dauer sein würde. Er sagt, dass die Inflation mit Angebotsproblemen und nicht mit einer geringeren Nachfrage zu tun hat. Es ging vorrangig um Stress in der Versorgungskette, der 2021 mit der Lockerung der COVID-Beschränkungen und dem Nachholbedarf stark anstieg. Jetzt ist er unter das Niveau vor COVID auf ein 14-Jahres-Tief gefallen (Chartquelle).

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Die Fed reagierte auf den Preis-Anstieg im Jahr 2021 erst mit großer Verzögerung. Die Instrumente der Fed wirken in einer nachfrageseitigen Inflation über den Zugang zu Krediten, wodurch die Nachfrage sinkt und schließlich die Preise fallen. In der aktuellen, angebotsgesteuerten Situation funktioniert das aber nicht besonders gut. Rosenberg meint, dass sich die Inflation von selbst stabilisiert.

Die Fed hat die Zinssätze viel schneller erhöht als in allen früheren Gelegenheiten. Die hohe Geschwindigkeit der Leitzinssteigerung wirkt wie ein nie dagewesener geldpolitischer Schock. Die Fed war mit dem Beginn ihrer geldpolitischen Straffung weit hinten dran und meinte wohl, verlorenes Terrain mit Aggressivität zurückholen zu können. Da nach Rosenberg die Inflation mit nachlassenden Angebotsproblemen ohnehin gesunken wäre, hat die Fed die Wirtschaft so möglicherweise viel früher und stärker in eine Rezession getrieben, als es nötig gewesen wäre.

Rosenberg zeigt auf, wie die Zinspolitik bereits große Probleme verursacht. Sie begannen mit den am stärksten fremdfinanzierten Käufen der Verbraucher von Fahrzeugen und Häusern. Höhere Zinssätze verteuern diese und führen mit sinkenden Umsätzen zu einem Rückgang der Beschäftigung in diesen Sektoren. Weitere Dominosteine fallen und in der Regel folgt eine Rezession. Aktuell verlangsamen die niedrige Arbeitslosigkeit und die steigenden Löhne diesen Prozess, aber er findet dennoch statt. Gleichzeitig machen die steigenden Zinsen und die flache/invertierte Zinskurve die Banken weniger profitabel, so dass sie ihre Kreditvergabe einschränken. Wir haben bereits Bankenzusammenbrüche erlebt, und es werden noch mehr kommen. Das verknappt die Kreditvergabe weiter.

Die Inversion der Renditen ist ein zuverlässiger, aber früher Rezessionsindikator. Nach Rosenberg liegt der Vorlauf bezogen auf die Auswertung der 2-Jahres- und 10-Jahres-Treasury-Rendite bei durchschnittlich zehn Monaten, der längste Vorlauf kommt auf 19 Monate. Demnach kann die Rezession zwischen jetzt und dem Jahresende starten.

Rosenberg glaubt, dass die Zinserhöhung in der zurückliegenden Woche die letzte in der aktuellen Serie ist, die Fed werde bald mit Zinssenkungen beginnen. 500 Basispunkte würden ihn nicht überraschen. Rosenberg ist ein langjähriger scharfer Beobachter, dessen Meinung man ernst nehmen sollte.

Lacy Hunt, Chefökonom bei Hoisington Investment Management, hat einen langfristigeren Ausblick als Rosenberg, stimmt aber mit diesem überein. Nach Hunts Ansicht handelt es sich bei dem „Konjunkturzyklus" eigentlich um drei verschiedene Wellen, die in einer bestimmten Reihenfolge auftreten. An erster Stelle steht der Finanzzyklus, gefolgt von einem BIP-Zyklus und einem Preis-/Arbeitszyklus. Er veranschaulicht dies mit der folgenden Grafik (Chartquelle).

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Der Finanzzyklus steht an erster Stelle, die Geldpolitik beeinflusst ihn stark. Eine lockere Kreditvergabe setzt sowohl die Inflation als auch eine übermäßige Risikobereitschaft frei. Dies führt zu einem Anstieg des BIP und später zu einem Anstieg der Löhne und Preise. Dann erreicht der Finanzzyklus seinen Höhepunkt, er fällt, und die anderen folgen mit Verzögerung.

Wie gut die Absichten der Zentralbanken auch sein mögen, ihre Aktivität ist es, die zu Boom und Bust führt. Die Zentralbanken können die Geldmenge kontrollieren, aber die Menge des Geldes ist nicht der einzige Faktor. Auch die Geschwindigkeit, mit der es sich durch die Wirtschaft bewegt (die „Geldumlaufgeschwindigkeit"), spielt eine Rolle. Die Schaffung von mehr Geld hat wenig Wirkung, wenn die Menschen es im Wirtschaftskreislauf nicht nutzen.

Wie die folgende Graphik zeigt, ist die Umlaufgeschwindigkeit derzeit sogar niedriger als während der Großen Depression. Hunt sagte das schon vor über 10 Jahren voraus. Das ist ein ernstes Problem für die Versuche der Fed, das Wachstum anzukurbeln (Chartquelle).

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Die Umlaufgeschwindigkeit geht seit den 1990er Jahren zurück. Der Rückgang verstärkte sich in den Jahren 2007-2009, als die Fed die Finanzkrise mit Nullzinsen und quantitativer Lockerung bekämpfte. Mit der COVID-Konjunkturpolitik 2020 ging es dann noch stärker bergab. Es scheint nicht sehr gut zu funktionieren, einer Wirtschaft Liquidität zuzuführen, wenn diese sie nicht nutzt.

Hunt verfolgt dies anhand des so genannten „Grenzertrags der Verschuldung", der Betrag des BIP-Wachstums, der durch jeden zusätzlichen Dollar an Schulden erzeugt wird. Dieser Wert ist seit Jahren rückläufig. Er wird noch weiter sinken, höhere Zinssätze leiten einen größeren Teil der Einnahmen aus schuldenfinanzierten Projekten in Zinszahlungen statt in produktivere Verwendungen um.

So verliert die Geldpolitik ihre Fähigkeit, das Wachstum zu stimulieren. Das Zyklus-Diagramm zeigt, dass die aktuelle BIP-Entwicklung (pro Kopf) weit unter dem Trend vor 1997 liegt. Aktuell haben wir den Höhepunkt des Finanzzyklus, wie auch den Höchststand des BIP-Wachstums und den Höchststand der Löhne und Preise (d.h. der Inflation) hinter uns gelassen. Von hier aus geht es (weiter) bergab. Und das entspricht der von Rosenberg erwarteten Rezession.

Dazu passt auch, dass Robert Ferrall, der große Markttechniker bei Merrill Lynch, sagt. „Wir werden nicht nur die Oktober-Tiefs des zurückliegenden Jahres erneut testen, sondern wahrscheinlich darunterrutschen und von dort aus in das Jahr 2024 hinein eine Rally hinlegen.

Der S&P 500 nimmt erneut den eminent wichtigen Pegl bei 4160 ins Visier. Am Donnerstag hatte er seine EMA50 bei 4067 getestet und knapp darunter geschlossen, ein Schwächezeichen. Mit dem Rückenwind der Arbeitsmarktdaten schaffte der Index am Freitag die Umkehr, machte aber unter der Unterseite des flachen Aufwärtskanals aus Anfang April halt. Intraday kam er genau bis dorthin. Auch kein Zeichen von besonderer Stärke (Chartquelle).

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Verglichen mit dem Versuch vom Februar, über den Pegel bei 4160 hinaus auszubrechen, kann man den Bullen aktuell etwas mehr „Mut“ zusprechen. Aber die Avancen werden nicht von steigendem Volumen begleitet. Insgesamt befindet sich die Volumenverteilung an der NYSE in noch recht früher Distribution, was zwar nicht zwingend für fallende Kurse spricht. Aber die technische Verfassung nach MACD, RSI und Stochastik stützt die bullische Seite gegenwärtig nicht. Auch andere Marktinikatoren sind indifferent. Und so ist aus dieser Sicht die Wahrscheinlichkeit nicht besonders hoch, dass der S&P 500 jetzt den nachhaltigen Ausbruch über 4160 schafft. Das bedeutet im Gegenzug, dass nach den fehlgeschlagenen Versuchen seit Mitte April ein bedeutenderer Abwärtsimpuls wahrscheinlicher wird.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis zeigen einen kurzfristigen Patt-Zustand zwischen bullischen und bärischen Kursmustern. Nach Zyklusmodell dürfte eine Abwärtsbewegung anstehen – möglicherweise noch mit weiteren Fehl-Aus-, bzw. –Einbrüchen.

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Alles in allem erscheint es mir wahrscheinlicher, dass mit weiter zunehmender Volatilität der S&P 500 zunächst tiefere Regionen aufsucht. Die Quartalssaison dürfte keine größeren positiven Überraschungen mehr liefern und so kommt die Makrolage und die Rezessionsgefahr wieder stärker in den Fokus.

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