S&P 500 – schwächer vor FOMC-Treffen

Nach einem starken November, der den S&P 500 kurz über seine EMA200 ausbrechen sah, hat sich der Dezember ganz anders angelassen. Der S&P 500 hat seit dem Monatswechsel 3,6% verloren, der Dow gab 3,2% ab, der NASDAQ büßte im Dezember bis jetzt 4% ein. Der DAX hielt sich bei -0,2%. Der Goldpreis in Dollar hat sich um 1,6% verbessert, das Fass Oil Brent hat sich um 11,9% verbilligt. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen ging um 0,6% zurück.

Beim FOMC-Treffen in der kommenden Woche wird die Fed die Leitzinsen nach vier Zinsschritten von 0,75% in Folge wahrscheinlich um 0,5% erhöhen auf dann 4,25% bis 4,5%. Das bedeutet nicht, dass damit die Phase steigender Zinsen beendet ist. Die Inflation scheint nicht zu verschwinden. Die US-Arbeitsmarkdaten für November zeigen eine niedrige Arbeitslosenquote von 3,7%, die durchschnittlichen Stundenlöhne sind im Jahresvergleich um 5,0% angestiegen. Der Produzentenpreis-Index ist im November um 7,4% gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen, stärker als erwartet.

Die Inversion der Zinsstruktur zwischen zwei- und zwanzigjährigen US-Staatsanleihen ist die größte seit 1981. Das deutet auf die Erwartung hin, dass die Fed ihre geldpolitischen Straffungsmaßnahmen fortsetzen wird. „Wir sind der Meinung, dass die Form der Renditekurve ein Maß dafür ist, inwieweit die Geldpolitik gestrafft werden kann, und der Markt geht eindeutig davon aus, dass die Straffung noch eine ganze Weile anhalten wird", sagte Mark Cabana, Leiter der US-Zinsstrategie bei der Bank of America.

Eine invertierte Zinsstruktur hat bei den zurückliegenden acht Rezessionen zutreffend vor deren Eintreten gewarnt. Dies zeigt der folgende Chart.

Meine Auswertung von verschiedenen Merkmalen der Zinsstruktur warnt seit August vor einer Rezession. Der Vorlauf dieses Signals beträgt vier bis sechs Quartale, also wäre demnach mit einem Beginn der Rezession etwa ab Jahresmitte 2023 zu rechnen.

Die Fed will die Inflation dadurch bekämpfen, dass sie die Nachfrage drückt und versucht, dies über den Arbeitsmarkt zu erreichen. Der „wehrt sich“. Nach Haushaltserhebung ist die Zahl der Erwerbstätigen zwischen März und November lediglich um 12.000 angestiegen, nach Establishment-Umfrage (die Zahl, an der sich der Markt orientiert) ist sie um 2,7 Millionen angewachsen. Das wird damit erklärt, dass aufgrund der Verschlechterung der Wirtschaftslage immer mehr Menschen ihre besser bezahlten Vollzeitjobs verlieren und in viel schlechter bezahlte Teilzeitjobs ohne Sozialleistungen wechseln, was viele auch dazu zwingt, mehr als einen Job auszuüben. Die Establishment-Umfrage, so ZeroHedge, fährt mit ihren politisch motivierten Annäherungen, saisonalen Anpassungen und anderen Arbeitsmarktzielen munter fort, die Biden-Administration gut aussehen zu lassen und die Fed mit Munition zu versorgen, um die Zinsen hoch zu halten. Das wird noch mehr echte Entlassungen erzwingen, die von der Establishment-Umfrage zu spät erfasst werden, was zu verspäteten und möglicherweise umso heftigeren Marktreaktionen führen dürfte.

Der liquiditätssüchtige „Markt“ denkt um die Ecke. Er sucht verzweifelt nach Anzeichen einer sich abschwächenden Inflation, weil dies die Fed zu einer gemäßigteren Gangart bei der Geldpolitik bringt. Gleichzeitig ist aber Disinflation gewöhnlich ein Zeichen nachlassenden Wirtschaftswachstums. Das wiederum drückt die Unternehmens-Gewinne, die letztlich die wichtigste Determinante für die Entwicklung der Aktienkurse sind.

Die Gewinnschätzungen für die nächsten sechs bis 12 Monate sind deutlich zu hoch. Damit steigt das aktuell keineswegs günstige Aktien-KGV cet. par. weiter an. Das führt Marko Kolanovic von JP Morgan zu der Aussage: „Wir gehen davon aus, dass die Tiefststände, die wir in diesem Jahr an den Aktienmärkten gesehen haben, Anfang nächsten Jahres im S&P 500 erneut getestet werden, und wir sehen einen anhaltenden Trend zum Rückzug bei Risikoanlagen und einen Anstieg der Allokation in Anleihen".

Ein weiteres Argument für kommende Schwäche bei Aktienkursen: Der Spread zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff. Fed Funds Rate beträgt aktuell 0,5%. Nach diesem viel beachteten Maß wäre mit dem nächsten Zinsschritt ein Gleichgewicht erreicht. Weitere Zinsanhebungen wären demnach dann „zu viel“ und dürften eher negative Marktreaktionen unterstützen.

Weitere Indizien für eine herannahende Abkühlung der US-Wirtschaft: Der Preis für Bauholz ist mit dem Rückgang der Hauspreise auf einem Niveau vor „Covid“ angekommen. Die Kreditkartenschulden sind deutlich über das Niveau von Anfang 2020 ausgebrochen. Das stützt zwar momentan noch das Nachfragepotenzial, aber zusammen mit einer Sparquote auf dem Niveau von 2005 tut sich hier ein Risiko auf: Im schlimmsten Fall kommt es bei einer Kontraktion auf dem Arbeitsmarkt zu einer Serie von Privat-Insolvenzen, aber in jedem Fall zeigt sich daran, dass die aktuell noch einigermaßen stabile Nachfrage auf ziemlich tönernen Füßen steht. Das US-BIP ist in besonderem Ausmaß von der Konsum-Nachfrage bestimmt. Weiter: Die US-Fertigungsaufträge in China sind um 40% zurückgegangen. Und schließlich zeigt der steigende Anteil der Zinskosten der US-Staatsverschuldung an den Staatsausgaben, dass der Spielraum für fiskalische Anreize und dergleichen enger wird. Die Staatsverschuldung befindet sich auf dem höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Der Ölpreis ist eine wichtige Komponente im Inflationsgeschehen. In Zusammenhang mit der seit kurzem gültigen Obergrenze für russisches Öl (die z.B. Indien und China nicht anerkennen): Die USA müssen ihre strategischen Ölreserven (SPR) wieder auffüllen. Sie hatten ihre Bestände freigegeben, um den Ölpreis niedrig zu halten. Die SPR-Bestände sind jetzt auf einem 40-Jahres-Tief und könnten bis April 2023 aufgebraucht sein. Das Weiße Haus hatte ursprünglich geplant, die Reserven wieder aufzufüllen, wenn der Ölpreis unter 80 Dollar fällt. Jetzt liegt das Preisziel bei 70 Dollar, das ist für den Preis von WTI Oil fast erreicht (der Preis für Oil Brent liegt mittlerweile bei unter 77 Dollar). Der Plan, die Reserven wieder aufzufüllen, wenn die Preise niedrig sind, lässt sich nur schwer mit dem Preisziel der OPEC+ von fast 100 Dollar pro Barrel vereinbaren. Wir steuern zwar auf eine Rezession zu, aber im Unterschied zu 2008 oder zu Zeiten von Paul Volcker in den frühen 1980ern ist es fraglich, ob die Ölpreise kollabieren, da die Produktionskapazität in den zurückliegenden Jahren nicht gestiegen ist. Angesichts der niedrigen SPR-Bestände und der Produktionskürzungen der OPEC+ sind die Hoffnungen gedämpft, den Anstieg der Energiepreise und damit auch der Inflation in den Griff zu bekommen.

Der S&P 500 bewegt sich in einem Aufwärtskanal. Zuletzt kam er an dessen Obergrenze nicht weiter, hier verläuft auch eine Abwärtslinie aus Anfang des Jahres. Aktuell notiert der Index mit 3934,38 genau an dessen Untergrenze. Die EMA50 liegt bei 3912, gleichauf mit dem 50er Retracement des Abstiegs von Mitte August. Bei 3900 verläuft ein wichtiger statischer Pegel. An der Oberseite ist 4010 zu beachten, hier wären 62% des Abstiegs wieder aufgeholt.

Ich vermute, dass der Index zunächst weiterhin in einer Handesspanne zwischen 3900 und 4100 laviert. Ein ungünstiges Zeichen läge allerdings schon dann vor, wenn er den erwähnten Aufwärtskanal nach unten verlässt.

Die Volumenverteilung an der NYSE befindet sich weiterhin in Distribution, die Marktbreite nach TRIN hat sich zuletzt leicht verbessert. Aus technischer Sicht (Stochastik, RSI, MACD) bewegen sich die Aktienkurse immer noch auf sehr bullischem Niveau. Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis zeigen abnehmende lineare Merkmale, was eine bullische Disposition nicht mehr rundweg unterstützt. Alles in allem legt das nahe, dass zunächst mit einer volatilen Seitwärtsbewegung im S&P 500 zu rechnen ist.

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