S&P 500 – außer Spesen…?

Außer Spesen nichts gewesen… Der S&P 500 begann die zurückliegende Woche mit einem fulminanten Kurssprung, zur Wochenmitte ging ihm die Puste aus, es blieb ein Wochengewinn von +1,5%. Der NDX konnte gerade noch +0,6% auf Wochensicht einfahren, der DJI brachte es auf +2,0%, der DAX auf +1,3%.

Laut Wells Fargo & Co. könnte eine gigantische Optionstransaktion den Aufschwung des S&P 500 zu Wochenbeginn ausgelöst haben. Das Geschäft umfasste Kauf und Verkauf von an den Index gebundenen Call-Optionen im Wert von rund 31 Mio. Dollar. Ein Market Maker auf der anderen Seite einer Optionstransaktion muss dabei Aktien kaufen oder verkaufen, um die Positionierung auszugleichen. Je nach Engagement (Delta) kann der Händler einen übermäßigen Einfluss auf den Markt ausüben.

Der Handel umfasste den Kauf von 20.000 S&P 500 Calls mit Fälligkeit Oktober und einem Ausübungspreis von 4.500 sowie 14.000 bullische Kontrakte mit Fälligkeit März und einem Ausübungspreis von 4.300, während 48.000 Calls mit Fälligkeit Januar und einem Ausübungspreis von 4.500 verkauft wurden. Das ist im wesentlichen eine Wette darauf, dass die Aktien in den kommenden Monaten steigen werden. Ein Beobachter meinte, das sei einer der größten Abschlüsse, die er seit langem gesehen hätte.

Andere Beobachter stellten fest, dass die Erholung des S&P 500 mit einem temporären Rückgang des Dollars und einer Aufwärtskorrektur des GDPNow-Index der Federal Reserve Bank of Atlanta zusammenfiel. Das Delta des Optionshandels sei nicht so groß gewesen, dass es den S&P 500 so stark hätte beeinflussen können (siehe hier).

Der Absturz des S&P 500 am Freitag fällt zusammen mit der Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten für September. Die Zahl der neuen Arbeitsplätze (nonfarm) stieg mit 263.000 etwas stärker als mit 250.000 erwartet. Stundenlöhne und Arbeitszeit entwickelten sich wie erwartet, aber die Arbeitslosenquote fiel von 3,7% auf 3,5%. Man hatte sie als unverändert erwartet.

Es zeigen sich gewisse Tempoverluste im US-Arbeitsmarkt. Lag der Zuwachs der neuen Jobs im Juli noch bei 537.000, so kam er im August auf 315.000 zurück. Für September betrug der Zuwachs nun noch 263.000.

Inzwischen sollte klar sein, dass die Fed die Zinsen so lange erhöht, bis etwas bricht. Ein Fed-Offizieller stellte am Donnerstag ein Plus beim Leitzins von weiteren 1,25% bis Jahresende in Aussicht. Die Fed will insbesondere die starke Verbrauchernachfrage drosseln. Die Verbraucher zeigen sich jedoch wenig kooperativ. Der Weg führt daher für die Fed über den Arbeitsmarkt. Und deshalb reagierten Aktionäre auf die „eigentlich“ guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt mit Anzeichen von Panik.

Nichtsdestotrotz – die Fed nähert sich mit einer Zinssteigerung von 3% in den zurückliegenden sieben Monaten dem Ende ihres Straffungszyklus. Das Ende kommt, wenn etwas bricht. Die ersten 2,25% waren für die Finanzmärkte und die Realwirtschaft noch einigermaßen gut verdaulich. Aber nun bilden sich Risse. In den zurückliegenden zwei Wochen haben wir zwei Interventionen ausländischer Zentralbanken erlebt, die BoJ hat den Yen gestützt und die BoE kam den Markt für Gilts zuhilfe.

Wir sehen bereits Risse auf den Kreditmärkten, Anleihegeschäfte werden zurückgezogen, Banken haben hohe Verluste bei Überbrückungsfinanzierungen hinnehmen müssen, die Abflüsse aus Investmentfonds nehmen zu, die globale Liquidität versiegt. Die Märkte für hypothekarisch gesicherte Wertpapiere stehen unter erheblichem Druck. Selbst Staatsanleihen müssen in kleinere Lose aufgeteilt werden, um noch gehandelt werden zu können. Anleihen der europäischen Peripherie und in den Schwellenländern lassen sich nur noch schwer handeln, die Aktienmärkte können ihre Gewinne nicht halten. Der Dollar ist durch seine anhaltende Aufwertung zu einer gewaltigen Abrissbirne geworden.

Je weiter die Fed mit ihrer Geldpolitik in restriktives Territorium vordringt, je wahrscheinlicher wird ein „Schwarzer Schwan“-Ereignis. Der englische Gilt-Markt ist in diesem Sinne ein Warnzeichen, hier besteht Potenzial für eine globale Finanzkrise. Der VIX-Index, Angst-Messer an Wall Street für Aktien, ist über 30 gestiegen, hat aber noch nicht das Niveau erreicht, das mit einer Kapitulation assoziiert wird. Der ICE Bank of America MOVE Index, ein Maß für die implizite Volatilität der Anleihekurse, liegt nahe bei 150. Das ist ein Niveau, das nur zu Beginn der „Pandemie“ im März 2020 und während der Finanzkrise 2008 überschritten wurde. Auch die implizite Volatilität auf dem Devisenmarkt ist erhöht. Bei einer so hohen Volatilität gleichzeitig in verschiedenen Asset-Klassen wächst das Risiko eines finanziellen Betriebsunfalls (Chartquelle).

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Die gute Nachricht ist, dass die Breakeven-Inflationserwartungen aktuell auf rund 2,3% zurückgekommen sind. Im März lagen sie noch bei 3,34% (fünf Jahre), bzw. bei 2,84% (zehn Jahre). Aber richtig gut ist diese Nachricht auch nicht, ein Rückgang der erwarteten Inflationsraten fällt in der Regel mit Rezessionen zusammen. Auch das ist nicht unbedingt schlecht, weil gewöhnlich beim Eintritt von Rezessionen der Boden bei Aktienkursen nicht mehr weit ist.

Einstweilen zeigt die Auswertung der Daten aus August für S&P 500, Gewinne und Dividenden im S&P 500, sowie für Bond-Renditen Kontraktion an (rote Signallinie im unteren Chart). Zuvor war die Auswertung per Mai von Expansion auf „neutral“ zurückgegangen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dieses Signal Rezessionen gewöhnlich vorausläuft. Um die Jahreswende 2015/2016 hatte das Signal inmitten eines problematischen Makro-Umfelds zuletzt Kontraktion gemeldet. Die Daten für September liegen Mitte Oktober vor.

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Der S&P 500 hat in der zurückliegenden Woche ein „Island Reversal“ gebildet – nach einer Aufwärtslücke kam es drei Tage später zu einer Abwärtslücke. Diese bärische Umkehrfunktion sagt fallende Kurse voraus. Das wird noch dadurch bestärkt, dass eine Abwärtslinie aus Mitte August die Kurse gedeckelt hat. Zudem kehrte der Index am 38er Retracement des Bull-Run von März 2020 bis Jahreswechsel 2021/2022 (3807) um. Jetzt hat er leicht oberhalb des Niveaus aus Mitte Juni (intraday 3640) geschlossen, hier begann seinerzeit ein Bull-Run, der bis 4310 führte.

Das Umfeld der Marktindikatoren hat sich verschlechtert, die Entwicklung der Volumenverteilung an der NYSE ist wieder zurück in Distribution gekippt. Die Marktbreite zeigt zwar bärischen Tempoverlust, ebenso auch die Auswertung der Indikatoren Stochastik, RSI und MACD in einigen großen Aktien-Indices. Aber belastbare Wendepunkte sind das bisher nicht. Nach den fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis ist eine Fortsetzung der Expansionsbewegung, die in der zurückliegenden Woche avisiert worden war, noch etwas wahrscheinlicher als ein erneuter Rückfall in Kontraktion. Sie zeigen im übrigen auch, dass die Kursbewegungen der zurückliegenden Tage mehr durch Auflösung bärischer Orientierung als durch Aufbau bullischer getragen wurde. Deren Chartbild wird täglich auf der Startseite aktualisiert.

Zunächst wird es in der kommenden Woche darum gehen, dass der Pegel von rund 3640 hält. Dann würde an der Oberseite die zuvor erwähnte Abwärtslinie im Fokus stehen, die aktuell bei rund 3750 liegt. Darüber käme dann das zuvor erwähnte 38er Retracement in den Blick (Chartquelle).

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An der Unterseite ist der nächste wichtige Pegel das 50er Retracement des Bull-Run von März 2020 bis Jahreswechsel 2021/2022 bei 3500. Das 62-er Retracement liegt bei 3192.

Niemand wird klingeln, wenn die Fed gezwungen ist, in ihrer Geldpolitik umzuschwenken. So lange sie aber auch verbal so aggressiv für den eingeschlagenen Kurs trommelt, ist ein langfristig tragfähiger Boden bei Aktien schwer vorstellbar. Immerhin könnte man aber mit einem bullischen Blick auf das Chart-Bild auf die Idee kommen, die Tiefs aus Mitte Juni und aktuell als „Double-Bottom“-Formation anzusehen mit einem Zielkurs von 4150+. Das ist zwar sehr spekulativ, aber ganz von der Hand weisen würde ich es angesichts der schlechten Stimmung und der überkauften Lage nicht. Es würde auch der zu Beginn des Artikels angesprochenen „gigantischen Optionstransaktion“ entsprechen.

[Unter Verwendung von Material aus "That Sound You Hear Is the Fed Breaking Something"]

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