S&P 500 an wichtigem Retracement

Der S&P 500 beschloss die Woche mit einem Minus von 3,3%. Dabei hatte der letzte Tag der zurückliegenden Handelswoche mit einer positiven Note begonnen. Die Zahl neuer Arbeitsplätze kam im August etwas stärker herein als erwartet, gleichzeitig blieb aber die Entwicklung der Löhne hinter den Vorhersagen zurück und die Arbeitslosenquote stieg leicht an. Das reichte, um Hoffnungen zu bestärken, die Fed könnte in ihrer Geldpolitik weniger aggressiv fortfahren. So zumindest die Darstellung in den Medien.

Der DAX beendete den regulären Handel mit einem leichten Wochen-Plus von 0,6%. Im erweiterten Handel kam es allerdings zu einem Wochenverlust von 2,2%. Hier platzte die Nachrcht hinein, dass Gazprom den Betrieb der Pipeline Nord Stream 1 nach der regulären Wartung zunächst (?) nicht wieder aufnehmen könne, weil ein Öl-Leck an der letzten verbliebenen Turbine festgestellt wurde. Was ist mit den übrigen Turbinen? Eine steht in Mülheim, wo sind die anderen drei?

Gazprom meldet 41,63 Mrd. Euro Gewinn in den ersten sechs Monaten diesen Jahres, doppelt so viel wie im Gesamtjahr zuvor. Scheint nicht so gut funktioniert zu haben mit den Sanktionen. Aber die G7-Staaten arbeiten daran und wollen einen Höchstpreis für russisches Öl festlegen. Wenn das genauso gut funktioniert wie beim Gas, steht einer weiteren Gewinnexplosion nichts im Wege.

Die Finanzpresse ist sich uneins. Beginnt jetzt die Bodenbildung bei Aktien oder kommt das Schlimmste noch, wie der Starinvestor Jeremy Grantham glaubt. Die „Superblase" am Aktienmarkt sei noch da und drohe zu platzen, warnt der 83-Jährige. So sieht das auch der US-Trader Todd 'Bubba' Horwitz. Er rechnet mit einem Kursrücksetzer von 50 bis 60%. Dass die Fed trotz Rezession die Zinsen anhebt, sei ein Novum und sorge für zusätzliche Verunsicherung.

Ich hatte vor einer Woche geschrieben, dass im S&P 500 der Bereich bei 3900 in den Fokus gerät. Das wurde intraday auch nahezu erreicht. Per Handelsschluss kam der Index auf 3924,26. Hier liegt das 62er Retracement des jüngsten Aufwärtsimpulses aus Mitte Juni. Am kommenden Montag wird bei US-Aktien nicht gehandelt. Der Labor-Day Feiertag gilt nicht selten als Wendepunkt des Klimas an den Finanzmärkten. Verunsichernd hinzu kommt, dass die Fed mit September den Betrag ihres Quantitative Tightening auf 95 Mrd. Dollar monatlich verdoppelt.

Die Renditen haben am Freitag über alle Laufzeiten hinweg deutlich nachgegeben. Die Rendite der 2yr-TNotes gab deutliche 0,114% auf 3,402% ab. Mitte Juni markierte diese Rendite ein lokales Maximum bei 3,422% und gab dann deutlich nach. Seinerzeit notierte jedoch der Rohstoff-Index CRB noch bei rund 315, heute kommt er auf 284,47. Rohöl Brent stand seinerzeit bei rund 120, aktuell werden 93,02 erreicht. Wenn die Rohstoffpreise in der aktuellen Konjunkturphase eine makroökonomische Indikation liefern, dann die, dass sich die Aussichten eher eingetrübt haben. Die Entwicklung des Kupferpreises bestätigt das, er steht heute 15% tiefer als Mitte Juni. Mit der Entwicklung des Dollar-Index lässt sich das alles nicht erklären, er hat sich in der Zeit lediglich um 4,2% verbessert. Der S&P 500 steht aktuell 7% höher als im Tief seinerzeit.

Jetzt lassen sich natürlich allerlei Argumente anführen, warum trotz dieses offensichtlichen Missverhältnisses aktuell ein tragfähiger Boden bei Aktien in Arbeit sein könnte. Das Wichtigste zuerst: Die sinkenden Rohstoffpreise beflügeln Erwartungen, die Inflation hat ihr Topp (zunächst) erreicht, wodurch die Fed eine weniger aggressive Gangart bei den Leitzinsen einschlagen könnte. Ich denke allerdings, ein angemessener Kurs des S&P 500 wäre im Vergleich zu Mitte Juni aktuell eher bei 3600 erreicht.

Es gibt neben der Saisonaität einige technische Rahmenbedingungen, die die Annahme zunächst weiter fallender Kurse stützen. So befindet sich die Volumenverteilung an der NYSE seit einigen Tagen in Distribution – die auf fallende Aktien anzurechnenden Volumina sind konsistent höher als die auf steigende. Eine Umkehr dieses Trends ist nicht in Sicht. Die Marktbreite nach TRIN (Verhältnis von fallenden zu steigenden Durchschnittsvolumina) dürfte ausgetoppt haben und sich nun weiter verschlechtern. Beides spricht eher für fallende Kurse.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis (siehe hier) deuten ebenfalls an, dass die kontraktive Bewegung übergeordnet noch anhalten dürfte. Weiterhin besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Volatilitätsausbruch kommt. Der VIX laviert seit einigen Tagen um 26 herum. Seine EMA50 steigt an und liegt nur noch knapp unter der EMA250. Findet ein signifikanter Durchstich von unten nach oben statt, wäre das für den S&P 500 ein ungünstiges Omen. Das Umgekehrte gilt aber auch – bleibt die EMA50 überzeugend unter der EMA250, wäre das günstig für die Bullen im S&P 500.

Kurzfristig ist die Lage sehr unübersichtlich. Der S&P 500 befindet sich, wie erwähnt nahe dem 62er Retracement des Aufwärtsimpulses aus Mitte Juni. Die Tageskerze vom Donnerstag mit längerem unteren Docht zeigt, dass hier Kaufinteresse aufkommt. Gut möglich, dass die Linie einige Tage umkämpft wird (Chartquelle).

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Das übergeordnete Szenario mit der höheren Wahrscheinlichkeit ist aus meiner Sicht ein Test des 38er Retracements des Aufwärtsimpulses aus März 2020 bei 3807. Dann muss man sehen. Ein langfristig stabiler Boden würde sich ergeben, wenn es zu einem für die Bullen erfolgreichen Test der Tiefs aus Mitte Juni kommt (~3650).
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