Die Fed rätselt

Schon zur Amtszeit von Fed-Chef Bernanke gab die realwirtschaftliche Entwicklung der US-Zentralbank zeitweilig Rätsel auf, jetzt rätselt das wichtigste geldpolitische Gremium auf der Welt unter Chefin Yellen erneut.

In der jüngsten FOMC-Sitzung ging es einmal mehr um Inflation, genauer gesagt, darum, warum sie sich nicht stärker entwickelt, wo doch angeblich die Wirtschaft in so guter Verfassung ist. Nun, so gut scheint sie nun wohl auch wieder nicht in Schuss zu sein, hat die Fed doch in jünster Zeit ihre Tonlage deutlich verschoben von anhaltenden Falkenrufen hin zu Tauben-Gegurre.

Im zugehörigen Protokoll steht zum Thema Inflation zu lesen, die meisten Teilnehmer erwarten in den nächsten Jahren eine Beschleunigung der Inflation. Viele erwarten aber auch, dass sie länger als erwartet unter der Zielgröße von zwei Prozent bleiben wird. Ebenfalls glauben viele Teilnehmer daran, dass die Inflation zuletzt durch sogenannte idiosynkratische Faktoren gedrückt wurde. Einzelne Teilnehmer schließlich denken, dass die Mittel der Fed zur Vorhersage der Inflation nicht mehr funktionieren (gemeint ist hier in erster Linie die Phillips-Kurve). „Idiosynkratisch“ ist ein schönes Fremdwort für „eigentümlich“ oder auch „seltsam“, also eine Umschreibung für die Tatsache, dass offenbar viele Fed-Mitglieder keine Ahnung haben, was abgeht.

Die CPI-Inflation hatte im Februar ihr jüngstes Hoch bei 2,80%. Seitdem geht es bergab auf zuletzt 1,73%. Die von der Fed besonders beachtete PCE-Kerninflation (PCEPILFE) hatte ihr jüngstes Maximum im Oktober 2016 bei 1,91%, im Januar waren es immerhin noch 1,89%, im Juni wurden nur noch 1,50% erreicht. Das passt in der Tat nicht so recht zur Entwicklung des realen US-BIP, das im zweiten Quartal um 2,1% gegenüber dem Vorjahr angewachsen ist. Oder doch?

Unter der Überschrift „Es ist der Arbeitsmarkt, stupid“ gibt Dr. Martin Hüfner, assenagon, eine mögliche Erklärung für dieses „Conundrum“. Anhand von US-Datenreihen lässt sich das auch für die USA zeigen: Unmittelbar vor dem Ende des Bretton-Woods-Regimes war der Anteil der Löhne und Gehälter am BIP mit fast 52% auf dem höchsten Stand nach dem zweiten Weltkrieg. Aktuell werden lediglich noch 43% erreicht, Anfang 2007 waren es noch fast 45%. Gleichzeitig sind die staatlichen Transferzahlungen im gleichen Zeitraum von 6% auf fast 15% angestiegen (siehe unterer Chartteil).

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Während dieser Anstieg auch zeigt, dass der Arbeitsmarkt immer weniger ein freies Spiel der Kräfte ist, weist die sinkende Lohnquote darauf hin, dass die Konsumkraft der breiten Bevölkerung über die Jahrzehnte deutlich abgenommen hat. Das wiederum dürfte zu einem bedeutenden Teil erklären, warum sich die Inflationsrate so anemisch präsentiert – trotz Vollbeschäftigung (auf dem Papier).

Die sinkende Lohnquote ist nur ein weiteres Zeichen einer horrenden ökonomischen Ungleichheit in den USA (und anderswo in entwickelten Industrieländern) – siehe z.B. hier). Das Ausmaß dieser Ungleichheit ist so groß wie Ende der 1920er Jahre. Dies ist gesellschaftspolitisch wie ökonomisch besorgniserregend. Wenn die Schere in Wohlstand und Einkommen ein bestimmtes Maß überschreitet, wird über die Zeit das Einvernehmen der Mitglieder dieser Gesellschaft so stark gestört, dass sie instabil wird und ihre wirtschaftliche Leistungskraft empfindlich leidet.

Die Geldflut der Notenbanken hat diese Entwicklung gefördert. Das billige Geld floss nicht so sehr in produktive Investitionen in der Industrie, in Innovationen und in neue Ganztags-Arbeitsstellen, sondern vor allem in Aktienrückkäufe, andere Methoden der Steigerung des „Shareholder Value“ und insgesamt in spekulative Anlageformen mit dem Ergebnis, dass sich die Asset-Preise in den meisten Finanzsegmenten weit von ihrem Wert entfernt haben.

Die Vorhaben Trumps, für die er mit Beginn seiner Präsidentschaft gefeiert wurde, sind nicht dazu geeignet, die Schere in der Verteilung von Einkommen und Vermögen wieder etwas zuklappen zu lassen. Die Pläne zur Steuerreform verbessern die Unternehmensgewinne in erster Linie finanziell und die Deregulierung will den Gestaltungsspielraum der Finanzindustrie wieder erweitern. Die (dringend notwendigen) Infrastrukturprojekte sind noch am ehesten geeignet, einen nachhaltigen realen Wachstumsimpuls zu liefern. Und die scheinen gegenwärtig am weitesten in die Ferne rücken.

Hinsichtlich weiterer Entwicklung der Inflation ist zu beachten, wie sich Öl- und Rohstoffpreise entwickeln. Sie hatten zuletzt eine gewisse Stärke aufgebaut, die mit einer Verzögerung von einigen Monaten auf die Endpreise durchschlagen dürften. Daher würde ich im Herbst zumindest mit einem temporären Aufflammen der Verbraucherinflation rechnen.

Die Trumpsche Wirtschaftspolitik dürfte aus sich heraus wenig inflationsfördernd sein, es sei denn, ein noch umzusetzender protektionistischer Kurs führt zu nachhaltiger importierter Inflation. Ob mehr daraus wird, hängt im wesentlichen davon ab, ob das Vertrauen in Trumps Fähigkeit, die Wirtschaft nachhaltig zu beleben, zurückkehrt und Geschäftstätigkeit, sowie Konsumfreude und Konsumpotenzial anfacht. Daran jedoch machen sich in letzter Zeit zunehmend Zweifel fest, womit ich mich im Artikel „Immer mehr Zweifel an Trump“ beschäftige.

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