Die EZB hat den Strafzins für Banken auf ihrer heutigen Sitzung weiter verschärft. Jetzt müssen Banken 0,3% an Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Vorher waren 0,2% fällig. Der Leitzins bleibt seit September 2014 unverändert bei 0,05%. Der Euro reagierte „enttäuscht“ und sprang gegen Dollar nach der Bekanntgabe der Beschlüsse von unter 1,055 auf über 1,07. Der negative Einlagenzins soll die Vergabe von Bankkrediten ankurbeln, dürfte aber eher den Effekt haben, dass die Sparzinsen noch weiter unter Druck geraten.
Auf der anschließenden Pressekonferenz wurden weitere geldpolitische Schritte erläutert. So wurde bekannt gegeben, das das bestehende QE-Programm bis März 2017 fortgeführt wird. Es sollte ursprünglich im September 2016 auslaufen. Die monatliche Rate von 60 Mrd. Euro wird nicht erhöht, das war im Vorfeld vielfach erwartet worden. Nach Bekanntgabe dieses Beschlusses stieg der Euro gegen Dollar weiter an auf 1,0850 gegen 14:45. Der DAX tauchte auf zum selben Zeitpunkt auf 10850 ab, er hatte bei rund 11150 eröffnet.
Die EZB will mit aller Macht die Inflation anschieben. EZB-Draghi hat erst vor kurzem verkündet: „Wir werden das tun, was wir machen müssen, um die Inflation so schnell wie möglich zu erhöhen!“ Das Anschieben von Inflation gehört nicht zum Mandat der EZB, sie ist im Gegenteil zu Preisstabilität verpflichtet. Aber was kümmern die Institutionen der Eurozone schon deren rechtliche Grundlagen? Der CSU-Politiker Gauweiler hat gegen die dahinter stehende eigenwillige Interpretation des Mandats der EZB Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Bisher ist es der EZB nicht gelungen, die Inflation anzuschieben. Dazu müssten Verbraucher und Unternehmen mehr Schulden machen, um mehr Geld auszugeben. Aber die sind immer noch dabei, ihre Schulden abzubauen, zu denen sie vor 2008 verleitet wurden, um einen Kunst-Boom anzufeuern. Jetzt baden sie die Konsequenzen aus und verspüren wenig Neigung, das Spiel zu wiederholen. Da helfen auch noch so günstige Kreditzinsen nicht.
Mancher Beobachter mutmaßt, die EZB verfolge einen geheimen Plan und will durch einen abwertenden Wechselkurs ihrem Inflationsziel näherkommen. Der schwache Euro soll Inflation importieren helfen und Exporte beflügeln, die über zusätzliche Einnahmen die heimische Nachfrage stärken und so an der Preis- und Lohnschraube drehen.
Seit März erzeugt die EZB monatlich rund 60 Mrd. Euro an zusätzlichem Zentralbankgeld. Der Euro hat in dieser Zeit gegenüber dem Dollar von 1,12 auf zuletzt unter 1,06 abgewertet, im Vorgriff auf das im März beschlossene QE-Programm war er schon seit Mitte 2014 von 1,40 aus abgestiegen. Die Konjunktur ist ein wenig angesprungen (ob dadurch, sei dahingestellt), die Inflationsrate liegt immer noch fast bei null.
Die EZB kommt also mit ihrem Geheimplan nicht so recht voran. Nur gut, dass die anderen Länder zu blöd sind, zu merken, was sie vorhat. Sonst müssten die ja glauben, dass die EZB einen Währungskrieg vom Zaume bricht. Ich nehme indessen an, dass die wesentlichen Grundzüge der Politiken der einzelnen Zentralbanken abgesprochen sind.
Mit dem sinkenden Außenwert des Euro, bzw. dem steigenden des Dollar kommen zugleich die Rohstoffpreise unter Druck. Dadurch wird aus dem feinen Plan, Inflation zu importieren erst einmal nichts. Stattdessen wird Deflation importiert. Seit der Jahresmitte 2014, als die Finanzwelt auf QE-Maßnahmen der EZB zu wetten begann, ist der CRB-Rohstoffindex um rund 40% eingebrochen, seit Jahresanfang hat er rund 20% verloren. Der Euro liegt gegen Dollar heute rund 25% tiefer als Mitte 2014. Per September lagen die Einfuhrpreise der Eurozone 5,8% niedriger als im Vorjahresmonat. Da die Nachfrage im globalen Maßstab nicht überschäumt, geht auch die andere Seite des EZB-Geheim-Plans nicht so recht auf – zusätzliche Einnahmen kommen nicht in dem Ausmaß herein, das eine nennenswert stärkere heimische Nachfrage an der Preis- und Lohnschraube drehen könnte.
Statt einmal darüber nachzudenken, warum das alles nichts nutzt, fordern Beobachter die EZB auf, noch eine Schippe draufzulegen beim Geld drucken. Es sollte sich, auch durch das japanische Beispiel, allerdings herumgesprochen haben, dass die Geldpolitik alleine nichts bewirkt. Sie ist ein hinzukommender Faktor, der realwirtschaftliche Tendenzen und Ausrichtungen verstärkt oder abschwächt. Wenn aber Unternehmen und Verbraucher etwa wegen zu hoher Verschuldung (oder weil das gesamte Umfeld als ungünstig beurteilt wird) keine Riesensprünge beim Geld ausgeben vollführen wollen, helfen auch Niedrigzinsen nicht weiter.
Davon abgesehen, sind Banken auf solch niedrigen Zinsniveaus nicht sonderlich erpicht auf deutliche Kreditausweitung. Und wenn die EZB ihre Zinsen für Übernacht-Einlagen der Banken noch stärker in den negativen Bereich schiebt, wird sich daran vermutlich auch nichts ändern. Das führt bestenfalls dazu, noch ein wenig mehr an Mitteln ins Kasino zu tragen. Das ist noch ein „Geheim-Plan“ der EZB – dafür zu sorgen, dass sich die Asset-Preise in der Eurozone immer weiter verteuern, um der Finanzwirtschaft Handelsgewinne zu verschaffen und (natürlich), um ihr den eingelagerten Finanzmüll zu entsorgen…
Einzelne Beobachter sprechen jetzt schon davon, dass die EZB den Wert des Euro gegen Dollar auf 0,8 drücken soll, damit ENDLICH Inflation aufkommt. Und warum überhaupt Inflation? Klar, einerseits, damit die Schuldenlast real sinkt. Andererseits, damit die Wirtschaftssubjekte aus Sorge vor weiterer Geldentwertung ihr Geld nicht länger sparen, sondern auf den Kopf hauen, sprich ausgeben. Dazu dient ja auch schon der niedrige Leitzins und die daran hängenden Guthabenzinsen. Bisher ist auch diese Rechnung nicht wirklich aufgegangen. Lediglich die Assetpreise sind inflationiert worden. Aber von hohen Aktienkursen alleine springt keine Wirtschaft an, erst recht nicht, wenn sie eines Tages von hohem Niveau aus abstürzen.
Die EZB will mandatswidrig Inflation schaffen. Das ist ihr durch Micker- und Negativ-Zinsen nicht gelungen, es ist ihr durch Euro-Bashing nicht gelungen. Stattdessen ist ihr gelungen, Inflation bei Asset-Preisen herbeizuführen und den Euro als Carry-Trade-Währung zu implementieren. Der Euro ist eine Währung, die durch keinen einzelnen Staat garantiert ist, hinter ihm steht ein fragiles Staatenkonglomerat.
Eine solche, vom Fundament her schwache Währung ist zu einer wichtigen internationalen Finanzierungswährung geworden. Die EZB exportiert mit ihrer verfehlten Politik die Probleme der Eurozone. Das unterhöhlt zusammen mit der weltweiten Blasenbildung bei Aktien und Anleihen die Finanzstabilität enorm. Die EZB leistet zum internationalen Finanz-Harakiri einen entscheidenden Beitrag.
Nachtrag:
(4.12.15) Ein lesenswerter Kommentar von Daniel Gros zur QE-Politik der EZB: "Das Minsky-Paradoxon der Eurozone". Daniel Stelter setzt nach: "Es geht nur noch darum, das Schuldenspiel eine Runde weiter zu bekommen!"
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