Im Rechtsstreit über das OMT-Programm der EZB wurde am 14. Oktober vor dem Europäischen Gerichtshof öffentlich verhandelt. Dabei warf einer der Kläger, Peter Gauweiler, der EZB vor, sich wie das Zentralkomitee der Sowjetunion zu verhalten: „Die EZB meint, dass sie über das Geld der EU-Mitgliedstaaten nach eigenem Gusto verfügen kann, aber die EU besteht aus parlamentarischen Demokratien.“
Das im September 2012 beschlossene OMT-Programm sieht vor, Staatsanleihen von Krisenländern der Eurozone zu kaufen, wenn diese sich einem strengen Sparregime der Brüsseler EU-Kommission unterwerfen. Das Programm wurde bis heute nicht aktiviert, aber die blosse Ankündigung in Verbindung mit der Äußerung von EZB-Chef Draghi im Juli 2012, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten, hatte für eine Wende in der Eurokrise gesorgt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Fall an den EuGH verwiesen, aber schon selbst klar gemacht, dass das Programm gegen das deutsche Grundgesetz verstösst.
Die Kläger argumentieren, die EZB habe mit ihrer Ankündigung, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen, ihre Kompetenzen überschritten und Wirtschaftspolitik betrieben. Mit dem OMT-Programm verlagere sie Risiken in Milliarden-Höhe von Gläubigern finanzschwacher Euroländer auf die Steuerzahler der Mitgliedsländer mit stabileren Finanzen. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, warf der EZB vor, dass die mit den Anleihekäufen verknüpften Sanierungsprogramme für die Krisenländer einen gewaltigen Sozialabbau und die Verletzung der Grundrechte-Charta bedeuten und verwies dabei auf Griechenland.
Auch der Präsident des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, kritisiert die Euro-Rettungspolitik und die Maßnahmen der EZB und stellt heraus, die Finanzmärkte seien nur dadurch beruhigt worden, dass die Lasten von cleveren Zockern auf treuglaubende Steuerzahler verlagert wurden: „Wir werden alle zu Geiseln der Finanzmärkte und der Spekulanten, die der Politik Maßnahmen aufzwingen, die wir alle gar nicht wollen können. Das muss einmal ein Ende haben. Es gibt auch noch normale Staatsbürger, die beruhigt werden müssen.“ Rettungsmaßnahmen müssten über die Parlamente laufen: „Wir haben ein riesiges Demokratieproblem in Europa.“
Die gemeinsame Linie der Kläger ist die: Die EZB habe sich zu wirtschaftspolitischem Handeln ermächtigt und sich zu einer demokratisch nicht legitimierten wirtschaftlichen „Neben-Regierung“ aufgeschwungen. Sie überschreitet damit ihre auf die Geldpolitik ausgerichteten Kompetenzen und umgeht das Verbot der monetären Staatsfinanzierung nach Artikel 123 des EU-Vertrages.
Die EZB-Seite argumentierte, Anleihekäufe seien ein klassisches geldpolitisches Instrument, das auch die Bundesbank schon eingesetzt hat. Der Einsatz der EZB in der Euro-Schuldenkrise wird mit der Bekämpfung eines Brandes verglichen. Der selektive Kauf von Staatsanleihen sei gerechtfertigt, schließlich setze die Feuerwehr ja auch nicht gleich ein ganzes Stadtviertel unter Wasser, sondern lösche den Brandherd gezielt. Dies diene dem Schutz des ganzen Viertels.
Auch die vom Verfassungsgericht erhobene Forderung wird zurückgewiesen, die EZB solle das Volumen ihres Ankaufprogramms begrenzen. Eine solche Begrenzung sei in den EU-Verträgen nicht gefordert und würde auch jegliches Handeln der EZB zum Spielball von Spekulanten machen. Der Beschluss der EZB vom September 2012 sei eine notwendige und angemessene Reaktion auf die Euro-Schuldenkrise gewesen. Seinerzeit sei der geldpolitische Transmissionsmechanismus gestört gewesen, wegen der Angst vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone hätten Leitzinssenkungen auf Zinssätze in Krisenländern kaum Wirkung gehabt. Die EZB musste einschreiten, sie habe dabei ein geldpolitisches Ziel verfolgt, also im Rahmen ihres Mandats gehandelt.
Das Feuerwehr-Argument der EZB-Vertreter ist gut – für die Kläger. Denn damit wird noch einmal deutlich, dass es sich die EZB auf die Fahnen geschrieben hat, die Eurozone in ihrer gegenwärtigen Ausdehnung und Struktur zu erhalten. Diese Aufgabe steht ihr jedoch nicht zu, dies ist Aufgabe der Politik und der Parlamente der Mitgliedsländer der Eurozone. Die EZB agiert geldpolitisch in einem Rahmen, den ihr die Politik setzt, sie hat diesen Rahmen weder zu definieren, noch zu verteidigen. Und noch etwas spricht für die Kläger: Die EZB hat Leistungen aus ihrem OMT-Programm mit von Brüssel aufoktoierten Rettungsprogrammen verquickt. Genau das zeigt, dass das OMT-Programm nicht als geldpolitische Maßnahme angelegt war.
Die EZB-Vertreter werden in dieser Angelegenheit auf Zeit spielen, wohl wissend, dass Zeiten kommen, in denen die Eurokrise erneut aufbricht. Sie werden dann argumentieren, die EZB müsse handeln, sie müsse Staatsanleihen kaufen, um die Geldversorgung zu gewährleisten. Und die EZB wird handeln, sprich Staatsanleihen kaufen, sie wird sich dabei auf Notlagen berufen und sich einen feuchten Kehricht um ihr auf Geldpolitik ausgerichtetes Mandat und die EU-Verträge scheren. Die Regierungen insbesondere der südlichen Krisenländer werden dieses Vorgehen begrüßen. Auch die Regierungen der Nordländer werden es decken.
Am Ende ist der Steuerzahler der Dumme, der die Rettungspolitik wird finanzieren müssen (bis zum bitteren Ende). Handelte es sich bei den Problemen der Eurozone lediglich um Liquiditätsprobleme ansonsten solventer Schuldner, wäre gegen temporäre Hilfen, allerdings beschlossen und getragen durch die Politik, nichts einzuwenden. Da es bei den Krisenländern allerdings um Solvenzprobleme geht, zögern Hilfen, egal, ob von der Politik oder von der EZB, die Pleite nur hinaus, machen sie am Ende teurer und möglicherweise in ihren Folgen nicht mehr beherrschbar. Nicht umsonst ist Konkursverschleppung strafbar – im pivaten Sektor.
Die Luxemburger Richter unter ihrem griechischen Vorsitzenden Vasilios Skouris dürften frühestens in einigen Monaten ein Urteil sprechen.
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