China: Unternehmensschulden höher als in den USA

Im März kam es in China zum ersten Kreditausfall einer Unternehmensanleihe. Das mag man als Signal werten, dass es die chinesische Regierung mit den im dritten Plenum beschlossenen Reformen zur Stärkung der marktwirtschaftlichen Kräfte ernst meint. Bisher hatten staatliche Rettungsmassnahmen Kreditausfälle verhindert.

Seit Ausbruch der Finanzmarktkrise 2008 ist es im Rahmen der staatlichen Konjunkturfördermaßnahmen in China zu einer nennenswerten Fehlallokation von Kapital gekommen, die sich in einem starken Anstieg der Unternehmensverschuldung zeigt. Lag diese in 2008 noch bei etwa 100% des BIP ist sie per Ende 2013 auf über 150% angewachsen. Die Ratingagentur Standard & Poors schätzt, dass der Schuldenberg chinesischer Firmen per Ende vergangenen Jahres mit 14,2 Bill. Dollar den in den USA um 1,1 Bill. Dollar überstiegen hat.

S&P warnt, die Kreditqualität der Firmen in Asien-Pazifik-Raum läge grundsätzlich niedriger als die von Unternehmen in Amerika oder Europa: „In der Konsequenz könnte, ohne eine genauere Prüfung der Risiken durch Gläubiger und Investoren und eine höhere Achtsamkeit durch die Aufsichtsbehörden bei der Einschränkung dieser Risiken, künftig eine wachsende Gefahr für die Finanzmärkte von Asien ausgehen.“ Und weiter: „Angesichts des bedeutenden Anteils der Schattenbanken nicht nur an Chinas Unternehmensschulden sondern auch an denjenigen der Finanzvehikel der lokalen und regionalen Regierungen wäre ein scharfer Einbruch der Gesamtwirtschaft abträglich. Eine Schrumpfung würde besonders kleine und mittlere Unternehmen treffen, die nur eingeschränkteren Zugang zu Bankkrediten haben.“

Zwar wird die Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien China helfen, so Beobachter unisono, mittelfristig auf Wachstumskurs zu bleiben, aber einige Analysten vergleichen den ersten Kreditausfall mit dem Konkurs von Bear Stearns im Mai 2008. Der setzte seinerzeit eine Neubewertung der Risiken von US-Subprime-Anleihen in Gang, die zunehmende Risiko-Aversion der Anleger führte schließlich zur Panik-Reaktion auf den Konkurs von Lehman Brothers. Weitere Kreditausfälle in den kommenden Wochen könnten etwas Ähnliches in China auslösen. Hiervon wäre insbesondere das Schattenbankensystem betroffen.

Andere Beobachter halten dagegen: Der Konkurs von Lehman Brothers hatte deshalb starke negative Konsequenzen, weil der Interbankenmarkt wegen Misstrauens der Banken untereinander zusammenbrach. Die Banken verkauften Assets in ihren Bilanzen und horteten Liquidität, die Kreditvergabe kam zum Stillstand. In China ist das jedoch unwahrscheinlich, da der Staat die Banken implizit garantiert. Zudem sind die grossen Geschäftsbanken auch im Schattenbankensystem präsent und können somit auch hier regulierend eingreifen.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ/BIS) weist auf folgenden Sachverhalt hin: In der Vergangenheit hätte ein hohes Wachstum der Liquidität in Form eines schnellen Anstiegs der internationalen Kreditvergabe der Banken untereinander oft zu Finanzmarktkrisen geführt. Seit Ausbruch der Finanzmarktkrise stagniert diese jedoch mehr oder weniger, was aber nur scheinbar Entwarnung bedeutet. Die Statistiken der BIZ zeigen nämlich einen starken globalen Anstieg der Emissionen von Unternehmens- und Bankanleihen. Multinationale Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren durch selbstständige Tochterunternehmen in Offshore-Zentren Anleihen zu günstigen Zinsen in Dollar emittiert. Das Geld sei dann innerhalb des Unternehmens an Mutter- oder weitere Tochtergesellschaften in den Schwellenländern transferiert worden, wo es zu hohen Zinsen im jeweiligen Bankensystem anlegt worden ist. Die Unternehmensschulden tauchen aufgrund dieser Konstruktion in den Firmen-Bilanzen nicht auf und ermöglichen so einen übertrieben hohen Gewinnausweis. Da die internationalen Statistiken unvollständig sind, sei es nur schwer unmöglich, die Risiken aus diesen unternehmensinternen „Carry-Trades“ seriös abzuschätzen, schreibt die BIZ/BIS.

S&P rechnet damit, dass Unternehmen weltweit bis 2018 bis zu 60 Bill. Dollar aufnehmen werden, um sich neu zu verschulden oder bestehende Schulden zu refinanzieren. In der Region Asien-Pazifik wird dann in etwa die Hälfte der dafür notwendigen Schuldtitel ausgegeben. Neuverschuldung und Umschuldung Chinas könnte bis 2018 auf 20,4 Bill. Dollar steigen, das ist etwa ein Drittel des weltweiten Volumens.

Chinas Häusermarkt gilt als besonders kreditausfallgefährdet. Das Wachstum im Immobilienbereich ist zu weiten Teilen kreditfinanziert, der Anteil der Schattenbanken hierbei ist hoch. Mit dem Überangebot gehen die Immobilien-Preise zurück, der Druck auf den Bausektor pflanzt sich auf den Stahlsektor fort, der seit Jahren mit Überkapazitäten zu tun hat. Die Ketten-Reaktion geht weiter Richtung Eisenerzpreise, die erstmals seit 2012 für eine Tonne wieder unter 90 Dollar notieren und seit Jahresbeginn um über 30% gesunken sind. Hiervon sind Australien und Brasilien besonders betroffen. Die Förderer hier haben ihre Kapazitäten zuletzt noch ausgeweitet, gleichzeitig sind die Lager voll.

Die wachsende Unternehmensverschuldung in China birgt in der Tat Gefahrenpotenzial. Dies genau einzuschätzen, fällt schwer. Einerseits ist die Qualität chinesischer Statistiken sicher noch stärker in Zweifel zu ziehen als die westlicher Prägung, andererseits scheinen aufgrund des von BIZ/BIS dargestellten Sachverhalts tatsächlich wesentliche Informationen zu fehlen.

Auch wenn es langweilig wird: Letztliche Ursache für den Sachverhalt der Fehlallokation von Kapital in China und anderswo ist die extrem lockere Geldpolitik der großen Notenbanken. Das gilt unabhängig davon, welche Probleme sich bei der Datenerfassung von Kreditströmen zusätzlich ergeben.

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