USA: Budget-Poker

Die Welt ist nicht untergegangen, obwohl ein Maya-Kalender zu Ende ist. Dafür scheint seit heute Nacht die Welt der Finanzmärkte unterzugehen. Die hatten sich zuletzt ziemlich überzeugt gezeigt, dass es gelingen kann, die Fiskalklippe in den USA zu umschiffen.

Danach sieht es gegenwärtig nicht mehr aus. Der Verhandlungsführer der Republikaner, Boehner, musste gestern Abend (nach US-Börsenschluss) überraschend eine von ihm angesetzte Abstimmung im Repräsentantenhaus über Steuererhöhungen für Superreiche mit mehr als einer Million Dollar Jahreseinkommen absagen. Er bekam in dieser Frage keine Mehrheit zustande. Ein gewichtiges Lager bei den Republikanern wehrt sich beharrlich gegen jegliche Steuererhöhungen.

Eine Einigung muss noch in diesem Jahr erfolgen, ansonsten treten automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Höhe von über 600 Mrd. Dollar in Kraft. Mancher fürchtet, die größte Volkswirtschaft der Welt könnte dadurch in eine erneute Rezession stürzen und die Weltwirtschaft mitziehen. Zudem würde die Unsicherheit bei Unternehmen und Konsumenten fortbestehen und Investitionen verhindern, heißt es. Die möglichen Konsequenzen werden in diesem Artikel aufgezeigt.

Mit den schlechteren Aussichten für eine Beilegung des Haushaltsstreits sind die als „safe haven“ geltenden Währungen Dollar und Yen erstarkt.

Obama will die Steuern für Haushalte mit mehr als 250.000 Dollar Jahreseinkommen erhöhen, zeigte sich aber zuletzt kompromissbereit, indem er die Grenze auf 400.000 Dollar heraufgesetzt sehen könnte. Für geringere Einkommen sollten die bestehenden Steuererleichterungen weiter gelten, die ansonsten zum Jahresende auslaufen.

Die Ratingagentur Fitch drohte am Mittwoch, sollten sich die Verhandlungen bis 2013 hinziehen, werde man die Bonität der USA noch einmal kritisch überprüfen. Ähnlich hatte sich zuvor schon Standard & Poor's geäußert.

Wenn die Fiskalklippe nicht umschifft werden kann, fürchtet Moody's Analytics einen Rückgang der US-Wirtschaftsleistung um bis zu 3,2%, die Bank of America rechnet worst case mit 4,6%, Morgan Stanley hält im schlimmsten Fall sogar minus 5% für möglich.

Mit den Belastungen für das Wirtschaftswachstum würde die Arbeitslosenquote im kommenden Jahr von derzeit 7,7 auf 9,1% steigen, wird befürchtet. Und die UBS sieht den S&P 500 als Kondequenz gar auf 1000 Punkte fallen, das Fass WTI-Öl könnte sich auf 55 Dollar verbilligen.

Und wenn die USA von der Klippe gefallen sind, steht gleicht die nächste Hürde an: Im Frühjahr wird die Schuldenobergrenze von 16,4 Bill. Dollar erreicht. Sollte der Deckel nicht angehoben werden, wären die USA technisch zahlungsunfähig. Die Webseite „Business Insider“ bezeichnet das als „Ultra-Alptraum“-Szenario.

Rückblende zum Juli/August 2011. Damals war die Schuldenobergrenze schon einmal erreicht. Erst in letzter Sekunde gelang den Politikern ein Kompromiss, der aber auch die jetzige Situation beschert. Standard & Poor`s entzog den USA seinerzeit die Bestnote im Kreditrating. Dem Zinsniveau für Treasurys konnte das nicht viel anhaben, es fiel in der Folge weiter.

Paul Krugman spricht in seinem Blog von republikanischen Wahnsinn: „Wenn man die Probleme des Landes in den Griff bekommen will, müssen Macht und Bereitschaft der Extremisten der G.O.P. gebrochen werden, die Wirtschaft als Geisel zu nehmen.

Die „Fiscal Cliff“ wird seit Wochen mit medialer Hysterie inszeniert. Der automatische Einsatz von Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wird als Ende der Welt verkauft. Wird die Fiskalklippe doch noch umschifft, bedeutet das nur, staatliche Ausgaben fortzuschreiben, für die man sich das Geld erst noch leihen muss. Die von Obama vorgesehenen (längst fälligen) Steuererhöhungen jedenfalls reichen dafür nicht aus.

Es hat den Anschein, als dass die USA allmählich in dasselbe Fahrwasser geraten, in dem sich die EU schon lange befindet: In end- und fruchtlosen Nachtsitzungen spielen Politiker ihre taktischen Spiele – und dabei steht nicht das Interesse der Bevölkerung oben an. Und die Wirtschaft, ohnehin schon mangels Eigendynamik in labilem Zustand, taumelt von einer politischen Wendung zur anderen.

Sorgen hinsichtlich erwarteter Steuererhöhungen in 2013 führen dazu, dass bei Aktien vor Jahresschluss sowohl Gewinner wie Verlierer verkauft werden. Kapitalerträge sollen ab 2013 der normalen US-Einkommensbesteuerung unterliegen, bis Ende 2012 werden sie noch mit fix 15% besteuert. Typisches Beispiel ist Apple. Die Aktie hat in den zurückliegenden vier Jahren jährlich mehr als 25% zugelegt. Da liegt ein steuerlich bedingter Verkauf durchaus nahe.

Auch wenn es wie im Sommer 2011 eine Einigung in letzter Sekunde gibt – nicht gerade vertrauensbildend für die hochverschuldeten USA, die sich so gerne als Supermacht sehen.

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