Was ist die Grundlage für die Tätigkeit des Verfassungsschutzes? Das Grundgesetz bestimmt in Artikel 18, dass Kräfte ihre verfassungsmäßigen Rechte verwirken, wenn sie diese zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbrauchen. Gleichzeitig haben alle Deutschen ein Widerstandsrecht gegen jeden, der diese Ordnung beseitigen will (Artikel 20 (4)), wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Also sollte man meinen, dass so etwas wie ein Verfassungsschutz „eigentlich“ überflüssig ist – zumindest in einer funktionierenden, lebendigen Demokratie. Nun haben aber Behörden, bzw. allgemein die Bürokratie, die ihr innewohnende Tendenz, sich mit immer neuen Regelungen immer weiter aufzuplustern. Dabei ist ihnen nichts so wichtig, als tagaus, tagein zu belegen, dass ohne sie gar nichts geht.
Der Verfassungsschutz hat mit einem mehr als tausend Seiten langen Gutachten gerade noch rechtzeitig zum Start der neuen SPD-„C“-Regierung beweisen wollen, wie wichtig er in unserem Staate ist. Er sieht die Demokratie in Gefahr. Die kommt von der AfD, die aus den jüngsten Bundestagswahlen als zweitstärkste Kraft hervorgegangen ist.
Die AfD ist gesichert rechtextrem, so das Urteil. Kurze Zeit später hat der Verfassungsschutz allerdings erklärt, diese Einschätzung vorläufig nicht mehr zu verbreiten. Erst wird die AfD publikumswirksam verunglimpft. Anschließend will man nicht mehr darüber reden. Aber das Verdikt ist verbreitet und in allen Köpfen.
Das Gutachten wurde nicht veröffentlicht, um Quellen zu schützen, wie es zunächst hieß. Mit diesem Schritt muss man die Verfassung allerdings vor dem Verfassungsschutz schützen. In einer Demokratie gilt generell, dass ein Beschuldigter über das, was ihm vorgeworfen wird, unterrichtet werden muss. Und das gilt erst recht dann, wenn es um eine politische Partei geht.
Jetzt gelangte das Gutachten an die Öffentlichkeit. Jeder kann sich ein Bild machen über die Arbeit des Verfassungsschutzes. Die Einschätzung als „gesichert rechtsextrem“ basiert auf der Lektüre der Presse durch die Behörden-Mitarbeiter. Ein solches Vorgehen ähnelt ein wenig dem der Stasi. Ergebnisse irgendwelcher verdeckter Ermittlungen oder Erkenntnisse von V-Leuten tauchen in dem Dokument nicht auf, wie zuvor noch behauptet. Das Vorgehen ist einigermaßen lächerlich.
Oder auch nicht. Offenbar ist der Verfassungsschutz von dem Gedanken beseelt, die öffentliche Kommunikation kontrollieren zu müssen. Und zwar zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen Mechanismen einer politischen Debatte und eventueller juristischer Schritte. Er maßt sich an, juristisch legitime Äußerungen hinsichtlich ihrer politischen Tragbarkeit zu bewerten. Damit schüchtert er auch alle Bürger ein, die bei ähnlichen Ansichten oder Äußerungen einen Stempel aufgedrückt bekommen – mit der Drohung, sich nicht mit der Staatsgewalt anzulegen.
Das Gutachten des Verfassungsschutzes und die Verwendung für ein mögliches Oppositionsverbot sind einer der größten politischen Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Wer auf Basis einer solchen Zitaten-Sammlung gegen eine Partei agitiert, sagt mehr über sich selbst als über die angegriffene Partei aus. Bei der ursprünglichen Geheimhaltung des Gutachtens handelt es sich eine reine Schutzbehauptung. Es ging nicht darum, den Verfassungsschutz vor Ausspähung, sondern vor einer kritischen Öffentlichkeit zu schützen.
Im Einzelnen:
Zum Thema Antisemitismus heißt es: „Direkt geäußerter und unverstellt zum Hass gegen Jüdinnen und Juden aufstachelnder Antisemitismus ist dabei nicht festzustellen. Belegt werden kann hingegen die Verwendung klassischer antisemitischer Narrative, Motive und einzelner judenfeindlicher Ressentiments, die fast durchgängig durch Andeutungen, Codes und Chiffren ausgedrückt werden.“ Damit ist z.B. die Kritik am Milliardär George Soros gemeint, sowie die Verwendung des Begriffs „Globalisten“. Kritik an Bill Gates wird als „antisemitisch“ eingestuft, weil Bill Gates „jüdisch gelesen“ wird. Wer also demnächst etwas an Herrn Gates auszusetzen hat, der uns u.a. die segensreiche mRNA-Impfung nahebrachte – aufgepasst!
Auch Kritik an Menschen nicht-jüdischen Glaubens kann antisemitisch sein: „Zielobjekt dieser Äußerungen sind zum einen Juden, zum anderen Personen, die –wie Klaus Schwab– nicht jüdisch sind, die jedoch mit antisemitischen Negativattributen belegt und beschrieben werden, wie sie typischer- und traditionellerweise auf Jüdinnen und Juden angewendet werden (…).“ Was ein Negativattribut ist, bleibt unklar.
Ergebnis: Der Verfassungsschutz sieht bei der AfD bisher „keine Verdichtung der Anhaltspunkte hin zu einer Gewissheit“, dass sie antisemitisch ist. Aber die „Verdichtung“ ist ja vielleicht auch noch nicht abgeschlossen…
In den Medien wird verbreitet, die AfD erhebe das deutsche Volk über alles und wolle eine Schlechterstellung von Migranten. Das Gutachten folgt und findet Zitate zu (auch polemischer bis überzogener) Kritik an der ungebremsten Massenmigration und an Migrantenkriminalität. In zahlreichen Statistiken sind aber entsprechende Folgen des politischen Kurses der Altparteien belegt. Das als rechtsextrem zu brandmarken, kann durchaus als Attacke auf die Meinungsfreiheit gesehen werden.
Abschließend heißt es in dem Gutachten (Seite 1074): „Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich die Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die Menschenwürde aufgrund eines ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffs, ergänzt durch fremden-, bzw. minderheitenfeindliche, inklusive spezifisch muslimfeindliche Äußerungen verdichtet haben.“ Dies ist mithin das (einzige) Kriterium, nach dem der Dienst der AfD eine verfassungsfeindliche Einstellung unterstellt.
Eine entsprechende Haltung alleine ist aber auch nach jüngeren Urteilen kein Anlass für die Unterstellung einer Verfassungsfeindlichkeit. Das könne erst in der Verbindung mit einem politischen Willen gegeben sein, eine Art zwei-Klassen-Gesellschaft in Bezug auf ethnische Herkunft anzustreben. Wie die abschließende Beurteilung im Gutachten zeigt, hat der Verfassungsschutz darauf aber nicht abgestellt. Er macht es sich leicht und schreibt weiter vorne im Text (Seite 44f), es sei nun mal Charakteristikum einer politischen Partei, dass sie von ihr angeprangerte Dinge verändern will: „Hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Bestrebungen böten daher auch abwertende Äußerungen, die deutlich machen, dass (…) die Migrationsgeschichte als solche als Problem angesehen wird und nicht –rechtlich zulässig- eine fehlende Integration beklagt oder für eine restriktivere Migrations- und Einwanderungspolitik geworben werden soll.“
Was also bedeutet, eine Partei darf (dank der Gnade des Verfassungschutzes – „rechtlich zulässig“) sehr wohl eine restriktivere Einwanderungspolitik anstreben. Nur offenbar nicht so lauthals und pauschal, wie es der AfD unterstellt wird.
Das Eis könnte kaum dünner sein, auf dem die Einschätzung des Verfassungsschutzes steht.
Darüber hinaus sei nochmals wiederholt: Der Verfassungsschutz maßt es sich offenbar an, die öffentliche Kommunikation kontrollieren zu müssen. Er maßt sich an, juristisch legitime Äußerungen hinsichtlich ihrer politischen Tragbarkeit zu bewerten. Das ist genau das, was auch mit der Verfolgung von „Hass und Hetze“ im Internet unternommen wird – ich hatte verschiedentlich darüber berichtet. Bürger sollen eingeschüchtert werden mit der Drohung, sich lieber nicht mit der Staatsgewalt anzulegen.
Kein Wunder, dass mittlerweile mindestens die Hälfte der deutschen Bürger der Meinung ist, nicht mehr alles sagen zu können.
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