Es heißt ja immer, US-Präsident Trump sei unberechenbar. Gut möglich, dass die europäischen Eliten nicht hinterherkommen und auch jetzt noch an die sogenannten Werte glauben, die der Westen bisher vorgeschoben hat, um seine Interessen durchzusetzen.
Das ist passé – jedenfalls für die Trump-Adminstration. Das hätte man längst wissen können. Trump gibt sich viel weniger Mühe als andere Präsidenten, die wahre Natur des US-Imperiums zu kaschieren. Es scheint ihm egal zu sein, dass die imperiale Maschinerie nun ihr wahres Gesicht zeigt. Und dieses Gesicht hat sie nicht erst seit gestern, sondern seit mehr als hundert Jahren.
Ich hatte hier zuletzt unterschiedliche Meinungen zu Trumps Zollpolitik zu Wort kommen lassen – Zeit, ein Resumee zu ziehen.
Trump will das „Recht des Stärkeren“ neu etablieren, und zwar nun ohne und gegen internationale Einrichtungen, Gepflogenheiten und Verträge, die aus seiner Sicht nur hinderlich sind. Er will die imperialen Interessen der USA umsetzen v.a. durch wirtschaftliche Vorteile und Stärke.
Neu, wie gesagt, sind nicht die imperialen Ziele der US-Regierungen, neu ist die Art und Weise, wie sie die Trump-Administration durchsetzen will. Mit brutalem Geschäftsgebaren von einer Position der Stärke aus, Kompromisse waren gestern.
Ausgehend von dem Streben der USA nach Hegemonie – wer ist die größte Bedrohung? Die VR China. Sie schickt sich an, die USA wirtschaftlich, politisch und militärisch bis spätestens 2050 zu überholen. Das ist offzielles Ziel der chinesischen Machthaber. Wie weit sie dabei im internationalen Handel gekommen sind, zeigt die folgende Graphik (Chartquelle).
Das kann sich das US-Imperium nicht bieten lassen. Daher muss man auch die Zollpolitik der USA von dieser Perspektive aus betrachten. Dass Trump die neuen bilateralen Zölle für alle Länder um 90 Tage verschoben hat, nur nicht in Bezug auf China (125%), spricht Bände. Und diese Verschiebung ist vermutlich Teil des Plans, wie z.B. Bill Ackman meint. Er hält den Schachzug für „genial". Dass die Bond-Vigilantes rebelliert haben, hat nur den Zeitpunkt der Verschiebung beeinflusst.
Der zweite wichtige Umstand, mit dem die Trump-Adminstration umgehen muss, ist die Höhe der Staatsverschuldung, v.a. deren schnelles Anwachsen in der Biden-Administration. Das hat zu einer erheblichen Zinslast geführt, die nicht tragbar ist. Unterziel der Trump-Administration muss sein, diese drastisch zu reduzieren. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Rolle des Dollar als Weltleitwährung schwindet und es daher immer schwerer wird, die Staatsverschuldung vom Ausland finanzieren zu lassen.
Der Anteil des Dollar an den gesamten zugewiesenen Devisenreserven sank Ende 2024 auf 57,8 % und damit auf den niedrigsten Stand seit 1994, was einem Rückgang von 7,3% innerhalb von 10 Jahren entspricht. Die Zentralbanken diversifizieren ihre Bestände seit Jahren auf Vermögenswerte, die auf andere Währungen als den Dollar lauten, und auf Gold. Die Vormachtstellung des Dollar war für die USA von entscheidender Bedeutung, je mehr diese schwindet, desto mehr Risiken häufen sich (Chartquelle).
Die VR China ist nach Japan der größte ausländische Gläubiger der USA. Das Land hat Währungsreserven in Höhe von 3,2 Bill. Dollar, etwa 9,3% davon sind Bestände in Gold. Auf US-Staatsanleihen entfallen nach dieser Quelle noch 761 Mrd. Dollar, die China v.a. in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts angehäuft hat, um zum Zweck der Exportförderung den Dollar zu stärken (und die eigene Währung zu schwächen). China ist damit einer der größten ausländischen Gläubiger der USA, auch wenn die Bestände in den letzten Jahren aufgrund geopolitischer Spannungen und Diversifizierungsstrategien zurückgegangen sind. Auf dem Höhepunkt im Jahr 2013 hielt China über $1,3 Bill. Dollar an US-Schuldtiteln.
Wenn China seine Bestände an US-Staatsanleihen schnell abbaut, weil es keinen Grund mehr gibt, den Handel mit den USA über die Währung zu subventionieren, dann steigen die US-Renditen am langen Ende an. Das ist genau, das was die Trump-Administration nicht brauchen kann, wenn sie bestehende Kredite refinanzieren muss. Und gleichzeitig ist das eine Möglichkeit, wie China gegen die US-Zölle (aktuell 125%) zurückschlagen kann.
Das ist gewissermaßen die finanzpolitische Achillesferse der USA. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Trump-Administration im Ernstfall zum äußersten Mittel greifen würde und sich weigert, von China gehaltene Staatsanleihen zurückzukaufen (wenn sich kein anderer Käufer findet). Das wäre ein gigantischer Eklat, der das Vertrauen der Welt in die USA nach den Sanktionen gegen Russland und den jüngsten Zolltiraden noch weiter erschüttern würde. So weit ist es nicht.
Aber der Verlauf der Dollar-Schwäche und der zeitgleich in dieser Woche so stark wie seit 2001 nicht gestiegenen 10yr-TNote-Rendite legt nahe, dass zuletzt US-Staatsanleihen in stattlichem Umfang verkauft worden sind. Ein schwächer werdender Dollar erhöht den Druck auf verkaufswillige Bond-Halter, es kann zu Kaskaden-Effekten kommen.
Ein Weg aus diesem Dilemma ist es, wie hier darhestellt, eine Rezession in den USA herbeizuführen, was über per Importzoll importierte Inflation am aktuellen Punkt der Wirtschaft relativ leicht möglich ist. Das Sentiment der US-Verbraucher ist regelrecht abgestürzt und notiert jetzt so tief wie zuletzt im Juni 2022. Selbst in der Finanzkrise war es nicht so schlecht, man muss bis 1980 zurückgehen, um einen vergleichbaren Wert zu finden. Seinerzeit strebte die US-Inflation auf ihr Rekordhoch von fast 15% zu. Jetzt erwarten US-Verbraucher selbst auf Sicht von fünf Jahren noch eine jährliche Teuerung von 4,4% (Chartquelle). Wenn sie ihre Ausgaben reduzieren, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession schnell an.
Peter Boockvar, Chief Investment Officer bei Bleakley Advisory Group, schreibt zum Verlauf der 10yr-TNote-Rendite, dem wichtigsten Preis im globalen Finanz- und Wirtschaftssystem: „Bei 4,4 Prozent treffen sich zwei Gruppen: Die einen hoffen auf Rezession. Die anderen glauben, der Bond-Bärenmarkt läuft weiter – wegen Inflation, Kapitalabzug, US-Dollar-Schwäche.“ Das ist genau das Dilemma, in dem sich der Markt für US-Staatsanleihen befindet.
Einstweilen läuft es vermutlich für „Deal-Maker“ Trump insofern positiv, als dass von hohen Zöllen betroffene Staaten zu Kreuze kriechen, Zugeständnisse in ihrer eigenen Zollpolitik avisieren und versuchen, neue Handelsabkommen mit den USA abzuschließen. Die EU gehört nicht dazu, Trump hatte ihren Vorschlag, alle gegenseitigen Zölle auszusetzen, zurückgewisen. Bei alldem könnte China ins Hintertreffen geraten. Denkbar wäre zwar, dass sich in diesem Zusammenhang China und die EU annähern. Aber gegenwärtig scheinen die Brüsseler Bürokraten eher weiterhin dabei, China moralisch ins Abseits zu stellen und von der eigenen Größe zu träumen.
Der von den USA ausgehende „Handelskrieg“ wird zumindest hinsichtlich China in einen Renditekrieg ausarten. Der hat gerade erst begonnen. Ray Dalio ordnet das in den großen Zusammenhang ein und glaubt auf längere Sicht zu Recht nicht, dass es ein systemimmanentes Entkommen aus der Verschuldungsfalle gibt.
Auf Sicht einiger Jahre wird es der Trump-Administration vermutlich nochmal gelingen, sich mit gedrückten langfristigen Renditen und irgendwelchen „Deals“ durchzuwursteln. Da andere entwickelte Länder und auch die VR China mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, könnte der US-Hegemon als Lahmer unter den Gelähmten noch eine zeitlang bestehen.
Anmerkung
(13.4.25) Der Artikel wurde überarbeitet und u.a. ergänzt durch zwei Abbildungen, die die Entwicklung des Dollar in seiner Rolle als Weltleitwährung und die Verteilung der US-Schulden auf der Welt zeigen. Außerdem stand in der ersten Fassung des Artikels fälschlicherweise, die VR China sei der größte ausländische Gläubiger der USA. Dies wurde berichtigt.
Nachtrag
(13.4.25) Mag sein, dass Trump ahnungslos ist, was internationalen Handel und Finanzen angeht, wie Marc Faber sagt. Aber er handelt nicht alleine – es sei denn, seine Truppe von Beratern und MInistern wären alle Opportunisten (was ich nicht glaube). Mit der Aussicht, die Zentralbanken werden Geld drucken müssen, hat Faber recht.
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