US-Zölle: Aufgeschoben? Aufgehoben?

US-Präsident Trump hat gestern verkündet, dass die jüngst verhängten bilateralen Sonderzölle um 90 Tage ausgesetzt werden. Diejenigen gegen China (mittlerweile 125%) sollen ebenso bestehen bleiben wie der Basis-Tarif in Höhe von zehn Prozent auf alle Importe in die USA.

Als Grund für diese Wendung lässt sich unschwer der Markt für amerikanische Staatsanleihen ausmachen. Vermutlich wird US-Finanzinister Bessent, früher ein Hedgefonds-Manager, Trump etwas erzählt haben von drohendem Bond-Crash und was das für die USA mit ihrer ausufernden Staatsverschuldung bedeuten würde.

Die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen (TNX) sind in den ersten drei Tagen dieser Woche um 0,415% auf 4,4% angestiegen. Die Kurse der 30yr TBonds sind im gleichen Zeitraum um fünf Prozent gefallen. Innerhalb von zwei Tagen sind die 30-jährigen TBond-Renditen um 66,8 Basispunkte nach oben gesprungen. Das ist ein Bond-Crash – noch dazu zeitgleich zum Crash am Aktienmarkt.

Der Markt für US-Staatsanleihen ist mit einem Volumen von etwa 27 Bill. Dollar per 2024 zwar nur etwa halb so groß wie der US-Aktienmarkt (ca. 55,5 Bill. Dollar). Da US-Banken aber die als sicher geltenden Papiere in ihren Bilanzen halten, ist die Gefahr groß, dass sie bei solch schnellen Kursverlusten in Schieflage geraten.

Trump sagte in Zusammenhang mit der Zoll-Aussetzung: „Ich habe den Anleihemarkt beobachtet. Der Anleihemarkt ist sehr heikel, ich habe ihn beobachtet. (…) Ich habe gestern Abend gesehen, wie den Leuten ein wenig mulmig wurde.“ Trump sagte auch, er habe das Interview von JPMorgan-Chef Jamie Dimon auf Fox gehört, in dem dieser sagte, eine Rezession sei wahrscheinlich und der Anleihemarkt sende schlechte Signale über Stress im Finanzsystem. Zuvor hatten seine Berater noch beschwichtigt, die fallenden Ölpreise und Anleiherenditen würden letztlich Main Street America helfen.

Ed Yardeni sagte schon 1983: „Wenn also die Finanz- und Währungsbehörden die Wirtschaft nicht regulieren, werden es die Anleiheinvestoren tun. Die Wirtschaft wird von Wächtern auf den Kreditmärkten geleitet.“ Oder so: Vom bekannten österreichischen Finanzminister Eugen von Böhm-Bawerk stammt der Satz, dass sich ökonomische Gesetzmäßigkeiten gegenüber politischen Eingriffen letztlich durchsetzen.

Jetzt haben die Bond Vigilantes wieder zugeschlagen und man kann festhalten: Der Bond-Crash hat sich innerhalb von wenigen Tagen zu einer veritablen Bedrohung des US-Finanzsystems ausgewachsen. Womöglich war zusätzlich die Fed nicht willens oder in der Lage, einzuschreiten. So oder so, man sah in der Trump-Administration nur die Möglichkeit, das Inkrafttreten der bilateralen Zölle (zunächst?) zu verschieben. Oder war alles nur ein brillantes taktisches Manöver, wie Bill Ackman meint? Ich denke nicht.

Werfen wir einen Blick auf den Verlauf der Rendite der 10yr-Treasury Notes. Sie gilt als wichtigster Preis im weltweiten Finanzsystem. Seit Juli 2020 sehen wir einen deutlichen Anstieg von 0,5% auf jetzt 4,4%. Im Oktober 2023 war mit fünf Prozent das jüngste Hoch erreicht worden. Im September 2024 begann nach der ersten Zinssenkung der Fed ein schneller Lauf von 3,6% auf 4,8%. Dieses ungewöhnliche Verhalten wurde seinerzeit, vor den US-Präsidentschaftswahlen, mit der Erwartung höherer Inflation begründet. Mit der Jahreswende setzte eine Abwärtsbewegung der Rendite bis auf zuletzt 3,9% ein.

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Peter Boockvar, Chief Investment Officer bei Bleakley Advisory Group, schreibt: „Bei 4,4 Prozent treffen sich zwei Gruppen: Die einen hoffen auf Rezession. Die anderen glauben, der Bond-Bärenmarkt läuft weiter – wegen Inflation, Kapitalabzug, US-Dollar-Schwäche.“ Außerdem wird spekuliert, ob China US-Bonds verkauft. Dazu müsste allerdings der Dollar deutlich fallen, was bisher nicht eingetreten ist. Dennoch ist das eine im Raum stehende Möglichkeit. Allerdings würde das dann chinesische Exporte in die USA noch weiter verteuern.

Hineingezoomt werden die Kapriolen der zurückliegenden Tage deutlich. Die Rendite ist mit einer Aufwärtslücke über die EMA50 und über die EMA200 (Stellvertreter für den mittelfristigen, bzw. längerfristigen Trend) ausgebrochen.

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Wenn die von Dienstag zu Mittwoch gerissene Aufwärtslücke nicht rasch geschlossen wird, ist zu erwarten, dass der Höhenflug der Rendite zunächst weitergeht.

Die US-Staatsverschuldung hat mit 120% des BIP ein auf Dauer untragbares Niveau erreicht, zumal irgendwelche Sparmaßnahmen nicht erkennbar sind. Aktuell entspricht der Schuldendienst der US-Regierung mit mehr als 900 Mrd. Dollar dem „Verteidigungs“-Haushalt und mit 3% des BIP nicht ganz der Hälfte des Budget-Defizits, das per 2024 6,3% des BIP ausmacht. In der Eurozone sind die Mitgliedsländer zu einer Fiskalpolitik verpflichtet, die das Budget-Defizit unter drei Prozent hält.

Die Trump-Regierung hat ein fiskalisches und monetäres Chaos geerbt. Die Ausgaben der Bundesregierung sind um 52% höher als 2019 und das jährliche Haushaltsdefizit ist um 850 Mrd. Dollar höher als im Januar 2020. Die Staatsverschuldung ist um 50% höher als vor fünf Jahren und die Kosten für den Schuldendienst haben sich auf 3 Mrd. Dollar pro Tag fast verdreifacht. In diesem Zeitraum hat sich die Bilanz der Fed um 65% ausgeweitet, und die Geldbasis der USA, die die Bankreserven und den Bargeldumlauf umfasst, ist um 63% gestiegen. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass die amerikanische Wirtschaft in diesem Zeitraum nur einen Bruchteil so stark wuchs wie die Schulden.

Zwei Jahrzehnte lang machten sich die Amerikaner keine großen Sorgen um die Schulden, weil die Zinssätze niedrig waren. Zudem kaufte das Ausland bereitwillig amerikanische Schuldpapiere. Wenn aber die Zinssätze heute höher sind als zum Zeitpunkt der Emission alter Anleihen, steigen die monatlichen Zinszahlungen des Staates mit Umschuldung auf neue Anleihen sprunghaft an. Das passiert gerade mit den USA, und zwar schnell. Die Zinssätze begannen vor drei Jahren zu steigen, und die durchschnittliche Laufzeit der Staatsschulden beträgt etwa 6 Jahre. Jeden Tag werden mehr dieser Schulden zu dem neuen höheren Zinssatz von über 4% verlängert, und die Zinskosten der Regierung steigen und steigen.

Und daher muss es oberste Priorität für Trump & Co sein, die ausufernden Zinszahlungen in den Griff zu bekommen. Das geht über Sparmaßnahmen, hierzu wurde DOGE ins Leben gerufen und hat auch einige Erfolge zu verzeichnen. Das geht aber nicht weit und nicht schnell genug. Zudem hat Trump vor, die Steuern zu senken. Die Finanzierung dieses Vorhabens sollte z.T. über die Erträge aus den neuen Importzöllen gehen. Trumps Berater Navarro rechnete kürzlich 400 Mrd. Dollar pro Jahr vor.

Der Dreh- und Angelpunkt bei der Refinanzierung fälliger Schulden ist und bleibt der Zinssatz. Weniger als 3% wurde mal als Ziel ausgerufen. Das erscheint momentan utopisch. Die Bond-Wächter haben Trump die rote Karte gezeigt.

Es ist nachvollziehbar, was Peter Boockvar sagt: „Bei 4,4 Prozent treffen sich zwei Gruppen: Die einen hoffen auf Rezession. Die anderen glauben, der Bond-Bärenmarkt läuft weiter – wegen Inflation, Kapitalabzug, US-Dollar-Schwäche.“ Mit der Hoffnung auf eine Rezession ist die Hoffnung auf schnell sinkende Zinsen verbunden. Das ist auch die Antwort von Eric Demuth auf die Frage, was Trump als Ziel seiner Zollpolitik verfolgt.

Nachtrag
Consortium News: Zölle und die US-Verfassung – Richter Andrew P. Napolitano schreibt, Trump hat kein Recht, Zölle zu erheben. Nach der Verfassung liegt die Befugnis zur Erhebung von Steuern ausschließlich in den Händen des Kongresses. Die Verfasser der Verfassung schreiben sogar vor, dass alle Steuern vom Repräsentantenhaus ausgehen müssen. Die Trump-Verkaufssteuer hat ihren Ursprung im Weißen Haus, sie verstößt gegen die Verfassung. Der International Economic Emergency Powers Act von 1977 erlaubt es dem Präsidenten zwar, im Falle einer plötzlich und unerwartet aufgetretenen, die nationale Sicherheit oder den wirtschaftlichen Wohlstand der USA beeinträchtigenden wirtschaftlichen Notlage Zölle auf Waren von außerhalb der USA zu erheben. Ein Notfall liegt Napolitano zufolge aber nicht vor. Im diesbezüglichen Dekret von Trump wird sogar Bezug genommen darauf, dass die USA seit 1934 Handelsungleichgewichte haben. Kein Notfall bedeutet, dass es keine gesetzliche Grundlage für Trumps Einführung der Zölle gibt. Der Kongress kann dem Präsidenten auch nicht die Befugnis zur Erhebung von Steuern erteilen, er darf seine wesentlichen Rechte nicht delegieren.

Richter Andrew P. Napolitano ist Absolvent der Princeton University und der University of Notre Dame Law School. Er ist der jüngste Richter auf Lebenszeit am Superior Court in der Geschichte des Staates New Jersey. Er saß von 1987 bis 1995 auf der Richterbank. Er unterrichtete fast 17 Jahre lang Verfassungsrecht und Rechtswissenschaft. Als leitender Justizanalyst bei Fox News gab Napolitano von 1997 bis 2021 14.500 Sendungen auf dem Fox News Channel und Fox Business Network. Er ist Mitglied der libertären Partei der USA und nach eigener Darstellung landesweit dafür bekannt, dass er die Regierungen beobachtet und darüber berichtet, wie sie sich Freiheit und Eigentum nehmen.

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