US-Zölle – der Befreiungsschlag?

Gestern war der Tag der Unabhängigkeitserklärung in den USA. Bisher dachte ich, das sei der 4. Juli (1776). Man lernt nie aus.

Also, am gestrigen, von US-Präsident Trump so ausgerufenen „Liberation Day“ hat dieser die Importzölle neu festgesetzt. Der Basis-Tarif, den die amerikanischen Importeure auf Güter aus (fast) allen Ländern zu bezahlen haben, beträgt zehn Prozent. Ausgenommen sich Russland und Nord-Korea. (Man sollte sich das klar machen: Zunächst einmal zahlen nicht die exportierenden Länder die Einfuhrzölle, sondern das Land, in das importiert wird.)

Für zahlreiche Länder gelten spezielle Zölle. So werden auf Waren aus China 34% aufgeschlagen, für solche aus der EU gelten 20%, japanischen Waren werden mit 24% besteuert. Selbst solche aus dem von Trump heiß geliebten Israel werden 17% fällig. Wollte er dort nicht Spielkasinos bauen lassen mit Plästinensern als Schuhputzer oder Reinigungskräfte? (Chartquelle)

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Trump spricht von reziproken Tarifen, will heißen, sie sind eine Reaktion auf die Zölle, die andere Länder für Einfuhren aus den USA erheben. Dies zeigt der Chart in der zweiten Spalte. Das Strickmuster ist relativ klar: Die neuen US-Zölle werden bei den Ländern mit Importzöllen auf US-Waren jenseits der 20% bis auf die Hälfte der erhobenen Einfuhrzölle angehoben. Unter dieser Schwelle werden zehn Prozent Importzoll fällig.

Morgan Stanley hat ausgerechnet, dass der effektive Einfuhrzoll jetzt bei 22% liegt, 2024 sollen es noch 2,5% gewesen sein. Nach folgender Graphik lag der Wert vor dem neuen Befreiungstag bei gut zehn Prozent. Jetzt erreicht der Wert eine Größenordnung, die über den bisherigen Spitzenwert von 1930 (Smoot-Hartley Act) hinausgeht (Chartquelle).

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Die Aktienmärkte waren in den Tagen vor der Verkündung Trumps am gestrigen Abend nach Börsenschluss etwas angestiegen, wohl in der Erwartung, dass es nicht ganz so schlimm kommen werde. Jetzt zeigt sich, dass die Zölle offenbar höher und umfassender ausgefallen sind. Die Futures auf US-Aktienindices sind jedenfalls mit drei Prozent und mehr im Minus kräftig auf Talfahrt.

Es liegt auf der Hand, dass solch umfassende und signifikante Zölle recht unmittelbare Auswirkungen haben werden: Die Preise für die Verbraucher werden steigen, die US-Importeure, die die Zölle zu zahlen haben, werden die Kosten weitergeben. Und da die Verbraucher immer noch steigende Einkommen und Spargeld zur Verfügung haben, werden sie zahlen (müssen).

Die Reaktion der Finanzmärkte zeigt sich nicht nur in den Aktien-Futures, die nicht den Eindruck machen, als würden sie den „Liberation Day“ feiern. Die Kurse von Staatsanleihen steigen deutlich an, der Dollar strebt auf ein sechs-Monats-Tief zu, der Yen baut Stärke auf. Und die Ölpreise kollabieren, Brent läuft auf die 70-Dollar-Marke zu, die Anfang März und Anfang September 2024 touchiert wurde. In der ersten Hälfte Januar war der Preis für ein Fass Röhöl der Sorte Brent auf über 82 Dollar angestiegen.

In all diesen Reaktionen drückt sich die Erwartung aus, dass es zu einer Rezession in den USA kommen könnte. Die US-Wirtschaft hatte schon in den Wochen zuvor erhebliche Bremsspuren gezeigt. Und wenn die US-Wirtschaft in eine Rezession kippt, dürften andere entwickelte Länder rasch folgen, vielleicht sogar die Weltwirtschaft. Eine gefährliche Situation angesichts der überbordenden Verschuldung allerorten.

In Situationen wie dieser kommt dem Yen eine besondere Bedeutung zu. Die japanische Währung gilt als Caarry-Trade-Vehikel. Die lange Jahre verlässlich bei Null dahindümpelten japanischen Zinsen haben die Kreditaufnahme in Yen interessant gemacht. Die aufgenommenen Beträge wurden dann außerhalb Japans oft z.B. in Staatsanleihen investiert und konnten so mit geringen Kosten hohe Hebelwirkung entfalten. Wenn solche Kredite aufgrund von zunehmender Unsicherheit aufgelöst werden, stärkt das Yen. Das geschieht aktuell. Auffallend ist, dass der Yen gegen Dollar deutlich mehr erstarkt als z.B. gegen Euro. Das lässt vermuten, dass die Unsicherheit hinsichtlich der Auswirkung der Zölle im Dollar-Raum größer ist als in der Eurozone.

Aktuell steht der Euro gegen Dollar 2,2% höher als gestern, Öl der Sorte WTI verliert sieben Prozent, Brent kommt auf –6,5%. Der S&P 500 Future steht 3,9% tiefer. Der DAX verliert zwei Prozent. Der T-Bond Future notiert 1,7% höher, der Euro Bund Future kommt auf +0,5%. Auch Gold kommt mit fast drei Prozent unter die Räder.

Stellt sich die Frage: Warum geht Trump diesen Weg? Ist das noch ein taktisches Manöver, um in irgendwelchen Verhandlungen einen besseren Ausgangspunkt zu haben, wie lange gemutmaßt wurde? Oder steckt dahinter eine grundsätzliche Ausrichtung? Die Antwort wird noch zu geben sein…

Einstweilen zitierte ich aus einer Einschätzung von Yardeni: „Die kollektiven Auswirkungen all dieser Zölle werden immer wahrscheinlicher stagflationär sein. (…) Wirtschaftswissenschaftler sind sich im Allgemeinen einig, dass Zölle eine Steuer auf importierte Waren sind, die in der Regel vom importierenden Unternehmen gezahlt wird, das wiederum einen Teil oder den größten Teil der Kosten der Zölle in Form von höheren Preisen an die Verbraucher weitergibt.

Es ist wirklich eine Schande, dass Trump so bereitwillig eine Abrissbirne auf die Wirtschaft loslässt. Sie hat sich in den letzten drei Jahren angesichts der Straffung der Geldpolitik als sehr widerstandsfähig erwiesen. Wir verlieren unser Vertrauen, dass sie angesichts von Trumps Zollregime widerstandsfähig bleiben kann. Die jüngsten Daten deuten darauf hin, dass die Stagflation bereits die hervorragende Leistung der Wirtschaft untergräbt, die seit der Pandemieabriegelung Anfang 2020 keine Rezession mehr erlebt hat.“

Nachtrag
Simplicius: Das Team von Flexport konnte die Formel, mit der die Regierung die „gegenseitigen Zölle“ errechnet hat (zweite Spalte der obigen Tabelle), zurückentwickeln. Man nahm das Handelsdefizit der USA mit jedem Land und teilte es durch die Einfuhren in die USA aus diesem Land. Das nachstehende Schaubild zeigt die Vorhersagen dieser Formel, aufgetragen gegen die tatsächlichen neuen Zollsätze.
Zumindest im Fall der EU stimmt die Aussage allerdings nicht ganz, die Formel wirft gut 40% als bestehenden reziproken Zoll aus.

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