Die Entscheidungen der zurückliegenden Wochen erscheinen mir als exponentielle Phase einer mir schon lange widerstrebenden Entwicklung – und das in einem solchen Ausmaß, das mir das Miterleben unerträglich erscheint. Und das gilt nicht nur für die Dimension des Bruchs von Wahlversprechen.
Ein paar Stichpunkte:
(1) Die Klimaneutralität wird im Grundgesetz verankert.
(2) Die Meinungsfreiheit wird noch weiter eingeschränkt.
(3) Die Migrations-Politik bleibt wie sie ist.
(4) Die Staatsverschuldung wird ins Absurde getrieben.
Ad 1: Das Grundgesetz legt in erster Linie Abwehrrechte der Bürger gegen einen übermächtigen Staat fest. Im einzelnen bestimmt es auch die Freiheit der Wissenschaft. Mit Klimaneutralität im Grundgesetz wird eine äußerst fragwürdige wissenschaftliche Position als grundsätzlich verbindlich festgeschrieben. Alles politische Wirken hat künftig nun auch den Anteil von CO2 in der Luft zu berücksichtigen, der den Klimawandel so zuverlässig anzeigt wie der Flug der Störche den demographischen Wandel.
Für die von Schröder, Fischer und Trittin eingeleitete, von Merkel fortgeführte und von der Ampel ins Exzess-Stadium getriebene Klimawende gibt die Webseite des Bundestags nach Tichys Einblick an: „Beträge zwischen 500 Milliarden Euro pro Jahr oder 13,3 Billionen Euro insgesamt bis zum Jahr 2045“. Nach dem aktuellen J.P. Morgan Energy Paper sind in den zurückliegenden zehn Jahren weltweit neun Bill. Dollar in den Windkraft, Solarenergie, Elektrofahrzeuge, Energiespeicherung, Wärme- und Stromnetze investiert wurden. Aber der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Endenergieverbrauch steigt nach wie vor nur langsam um recht konstant 0,3% bis 0,6% pro Jahr (siehe hier!).
Der Anteil fossiler Energieträger an der gesamten Energieerzeugung liegt demnach aktuell bei 82%, er wird irgendwann zwischen 2162 und 2299 bei null ankommen, wenn die genannte jährliche Steigerung bei den Erneuerbaren durchgehalten werden kann (woran es Zweifel gibt). Die Bundesregierung will das mit Steuern, Abgaben, Schulden, Subventionen und überbordender Bürokratie schon bis 2045 erreichen, in der EU soll es fünf Jahre später so weit sein. Werden diese Ziele ernsthaft angegangen, ist der wirtschaftliche Ruin gewiss. Das wird am Lauf der Dinge in der großen weiten Welt nichts ändern. Im Gegenteil – gemäß des Sinnschen Klimaparadoxon werden sich andere Länder über gedrückte Preise der fossilen Energieträger freuen und weiter CO2 in die Luft pusten – bedenkenlos und unbedenklich.
Schon mit dem Spruch des Verfassungegerichts vom 24. März 2021 wurde die allgemeine Pflicht des Staates zum Klimaschutz festgestellt. Jetzt wird diese Verpflichtung konkret. Damit ist nun auch Tür und Tor für Klagen geöffnet, wenn z.B. Omas gegen rechts oder Vielflieger von Friday for Future meinen, die Politik tue nicht genügend in der Richtung. Und warum sollte nicht auch ein Bauer aus Peru, dem Land, wo deutsche Steuerzahler Radwege finanziert haben, auf die Idee kommen, die Bundesregierung wegen angeblich CO2-bedingter Ernteausfälle zu verklagen (so wie beim Szenario des Films „Ökozid“). Die Institutionen des Rechts werden so immer mehr zu allgemeinpolitischen Hebeln. Juristen treiben die Exekutive vor sich her, die Gewaltenteilung wird mit Füßen getreten.
Abgesehen von diesem Rückfall in vor-aufklärerische Zeiten: Mit der Aufnahme der Klimaneutralität ins Grundgesetz werden wir auf einen Kurs der Deindustrialisierung mit schnell sinkendem Wohlstand festgelegt. Und das auf der Grundlage von unbegründeter, aber wohlbedacht gezüchteter Klimahysterie. Wie das mit der Angst geht, das haben wir bei Corona nur allzu deutlich sehen können.
Ad 2: Den Koalitionären von SPD und „C“-Parteien ist klar, dass das, was sie als Grundlage für ihre Koalition beschließen, mit dem in der Bundestagswahl geäußerten Willen des Volkes nichts zu tun hat. Die zu erwartende Kritik wollen sie durch drastische Unterdrückungsmaßnahmen unterbinden. Schon jetzt stellen Gesetze bestimmte Kritik an Politikern und ihren Entscheidungen unter Strafe. Um wirklich alle „Delikte“ erfassen zu können, soll die Ausweitung der Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) beschlossen werden.
Und nicht nur das: Ein weiterer Plan der Merz-Koalition sieht vor, dass „falsche Tatsachenbehauptungen“ verboten werden sollen. „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt“, heißt es. Was falsch ist, bestimmt die Regierung – ist doch klar. Ein Wahrheitsanspruch wird totalitär, wenn er sich mit gesellschaftlicher Macht verbindet und sich nicht mehr auf die besten Argumente beruft. Man fühlt sich an George Orwells Wahrheitsministerium erinnert.
Und schließlich will die CDU auch das Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) in der bisherigen Form abschaffen, das es Bürgern, Journalisten und Organisationen erlaubt, den Staat zu kontrollieren. Es ist ein Treppenwitz, dass ausgerechnet Philipp Amthor, der einst durch Recherchen auf Basis des IFG mit seinen dubiosen Nebentätigkeiten für Augustus Intelligence aufflog, nun federführend daran arbeitet.
Wie sagte schon John Stuart Mill (1806–1873), einer der einflussreichsten Denker in der Geschichte des Liberalismus: „Wir können nie sicher sein, ob die Meinung, die wir unterdrücken wollen, eine falsche Meinung ist; und selbst wenn wir sicher wären, würde ihre Unterdrückung dennoch ein Übel darstellen."
Ad 3: Merz und die „C“-Parteien waren zur Wahl angetreten mit dem Ziel, die (illegale) Migration radikal einzudämmen. Er hatte dazu vor der Wahl einiges publikumswirksames Theater aufführen lassen. Jetzt, nach der Wahl, verschwindet dieses Wahlversprechen in der Versenkung, genau wie andere auch. Es geht nicht nur um gesellschaftspolitische Probleme, es geht auch um Geld: Die „flüchtlingsbezogenen Ausgaben“ des Bundes betrugen von 2016 bis 2023 sagenhafte 189,6 Mrd. Euro (siehe hier!). Für 2024 plante die Ampel-Koalition 26,9 Mrd. Euro ein. Das würde die Kosten der Flüchtlingskrise auf insgesamt mindestens 216,5 Mrd. Euro steigen lassen. Mit der jetzt beschlossenen Verschuldungskommunen-Finanzspritze für die Länder in Höhe von 100 Mrd. Euro sollen die Migrationskosten getarnt werden. Um sich die Größenordnungen klar zu machen: Für die erste Einwanderungswelle 2015 ist an Kosten von insgesamt mehr als 765 Mrd. Euro die Rede. Das ist mehr, als Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg an Reparationszahlungen konkret zu leisten hatte. Ein Ende ist weder gesellschaftspolitisch, noch finanziell in Sicht.
Ad 4: CDU und CSU haben sich an die Spitze der Demontage der Schuldenbremse gestellt, obwohl sie im Wahlkampf fiskalische Zurückhaltung versprochen hatten. Nach dem Grünen Anton Hofreiter war es bereits länger klar, dass die Union an der Regierung die Schuldenbremse lockern würde. Er hat das nach eigener Aussage von einer ganzen Reihe von Unionsleuten vor der Wahl gehört. Hofreiter: „Herr Merz hat sich an die Macht gelogen, kann man ganz hart sagen.“
Jetzt werden also alle Verteidigungsausgaben, die über ein Prozent des BIP hinausgehen, von der Schuldenbremse ausgenommen. Das derzeitige Defizitausgabenpaket hat keine Obergrenze und niemand weiß, wie viel wir in den kommenden Jahren zu verpulvern haben. Sind es 1,5 Bill. Euro, es könnten 1,8 Bill. Euro sein oder noch mehr. Es wird eine Menge sein – mindestens so viel Schulden, wie Deutschland in den letzten 60 Jahren aufgenommen hat. Siehe auch hier!
Hinzu kommen gemäß dem neuen Artikel 143h im Grundgesetz Kredit-Ermächtigungen über zehn Jahre in Höhe von insgesamt 500 Mrd. Euro für zivile Investitionen. Davon gehen 100 Mrd. Euro an die Bundesländer (siehe oben!). Auch der sogenannte Klimaschutz wird mit 100 Mrd. Euro bedient. Investitionen in die Infrastruktur sind tatsächlich dringend notwendig, laut dem Deutschen Institut für Urbanistik hat sich per Mai 2024 ein Investitionsrückstand von über 186,1 Mrd. Euro angestaut.
Gegen Kredite für Investitionen ist prinzipiell nichts zu sagen. Einzige Bedingung: Sie müssen sich lohnen, müssen also im Falle von Investitionen in die Infrastruktur ausreichend dazu beitragen, die gesellschaftliche Produktivität zu steigern. Aus zwei Gründen sind Zweifel angebracht: Erstens bleiben bei solchen Aktivitäten schon mal bis zu 50% der zu investierenden Mittel in der Bürokratie hängen. Ein besonders deprimierendes Beispiel für die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung ist die Eingliederung von arbeitslosen Menschen in den Arbeitsmarkt. Ein Großteil des Budgets in Höhe von 10,7 Mrd. Euro kam im vergangenen Jahr nicht beim Leistungsbezieher an. Konkret versickerten 2024 6,5 Mrd. Euro in der Verwaltung, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Zweitens führt die Festlegung des Klimaziels im Grundgesetz zu einer Art negativer Auslese bei den Investitionen und zudem zu einem nochmals gesteigerten Anteil der Bürokratie. Damit ist insgesamt zu erwarten, dass die Produktivitätswirkung dieses schuldenfinanzierten Investitionsprogramms mehr als bescheiden ausfällt. Hingegen werden die Kreditgeber gut verdienen, der BlackRocker-Partei sei dank.
Alles in allem hatte der deutsche Wähler bei der zurückliegenden Bundestagswahl auch die Klimapolitik der Ampel abgewählt. Jetzt bekommt er sie in verschärfter Version wieder aufgetischt. Die Dekarbonisierung der Energieerzeugung ist extrem teuer und ineffizient. Durch hohe Energiekosten wandert immer mehr an industrieller Fertigung ab – ein Trend, der 2018 begonnen hat und ungebrochen fortbesteht. Dies wird jetzt beschleunigt weitergehen.
Das stellt bei dem enormen Anstieg der Verschuldung eine zusätzliche Gefahr dar. Es wird immer weniger erwirtschaftet, um die steigenden Kreditkosten zu bedienen. Schon jetzt sind die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen durch die Schuldenorgie deutlich gestiegen. Die Zinslast erhöhte sich für das aktuelle Jahr um 1,5 Mrd. Euro. Die neu beschlossenen sogenannten „Sondervermögen“ kommen nun noch hinzu.
Schon ist davon die Rede, privates Kapital zu mobilisieren. Unter „mobilisieren“ versteht z.B. Merz Zwangsanleihen von etwa 10% des Privatvermögens auf Spar- und Girokonten. Auch die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat vor einigen Tagen verkündet, dass die EU Gleiches vorhat und kurzfristig eine Gesetzesinitiative vorlegen will.
Mit den steigenden Rüstungsausgaben und der zunehmenden Verschuldung steigt die Inflationsgefahr, mithin auch die Umverteilung von unten nach oben. Und mit der Gefahr der Überschuldung steigt die Gefahr eines großen Krieges, wenn die herrschenden Kreise ihr Heil im Chaos suchen. Die Staatsverschuldung wird in Höhen getrieben, die volkswirtschaftlich in den Ruin und geopolitisch in einen großen Krieg führen.
Und: Die Klimapolitik führt zu einer anderen, staatlich gelenkten Wirtschaft. Früher mussten sich Firmenlenker darum kümmern, auf den Absatzmärkten die besten Chancen für ihre Produkte aufzutun. Heute müssen sie sich darum bemühen, vom Staat im Wohlverhalten möglichst viele Subventionen zu erhaschen. Wenn der Staat das Problem ist, hilft nicht noch mehr Staat.
Hat jemand mal eine gute Nachricht?
Ergänzung
Noch einmal zum Grundgesetz: Es soll das Gesetz der Bürger dieses Landes sein. In der Praxis aber, wie jetzt gesehen, kann es mit zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestags, also durch die politische Kaste, jederzeit geändert werden. Aktuell noch dazu durch das alte Parlament mit vom Volk teils krachend abgewählten Mitgliedern, weil im neu gewählten Bundestag keine ausreichende Mehrheit zustande gekommen wäre. Das macht klar: Es ist kein Gesetz des Volkes, denn dann dürfte es nur durch eine Abstimmung eben dieses Volkes geändert werden. Genausowenig hat das Volk ein Initiativrecht, um selbst Änderungen einzubringen. Nichts macht deutlicher, wie es um die Verfassung steht, wenn die „Realpolitik" zuschlägt.
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