Es dürfte kaum Zweifel geben, wie ein dauerhafter Frieden in der Ukraine geschaffen werden kann. Im April 2022 standen Russland und die Ukraine kurz davor, in Istanbul ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, wobei die türkische Regierung als Vermittler fungierte.
Das schreibt Jeffrey D. Sachs in „Negotiating a Lasting Peace in Ukraine“. Ich bringe nachfolgend eine leicht redigierte Übersetzung.
Sachs fährt fort: „Die USA und Großbritannien haben der Ukraine die Unterzeichnung des Abkommens ausgeredet, und seitdem sind Hunderttausende von Ukrainern gestorben oder schwer verletzt worden. Dennoch bildet der Rahmen des Istanbul-Prozesses auch heute noch die Grundlage für den Frieden.
Der Entwurf des Friedensabkommens (datiert auf den 15. April 2022) und das Istanbuler Kommuniqué (datiert auf den 29. März 2022), auf dem es basierte, boten einen vernünftigen und unkomplizierten Weg zur Beendigung des Konflikts. Es stimmt, dass die Ukraine drei Jahre nach dem Abbruch der Verhandlungen, in denen sie große Verluste erlitten hat, letztendlich mehr Territorium abtreten wird, als sie im April 2022 gehabt hätte – aber sie wird das Wesentliche gewinnen: Souveränität, internationale Sicherheitsvereinbarungen und Frieden.
In den Verhandlungen von 2022 wurden die dauerhafte Neutralität der Ukraine und internationale Sicherheitsgarantien für die Ukraine vereinbart. Über die endgültige Aufteilung der umstrittenen Gebiete sollte im Laufe der Zeit auf der Grundlage von Verhandlungen zwischen den Parteien entschieden werden, in deren Verlauf sich beide Seiten verpflichteten, auf die Anwendung von Gewalt zur Änderung der Grenzen zu verzichten. Angesichts der derzeitigen Gegebenheiten wird die Ukraine die Krim und Teile der Süd- und Ostukraine abtreten, was den Ergebnissen der Kämpfe der letzten drei Jahre entspricht.
Ein solches Abkommen kann fast sofort unterzeichnet werden, und in der Tat ist es wahrscheinlich, dass es in den kommenden Monaten unterzeichnet wird. Da die USA den Krieg, in dem die Ukraine noch mehr Opfer, Zerstörungen und Gebietsverluste erleiden würde, nicht länger mittragen wollen, erkennt Selensky, dass es an der Zeit ist, zu verhandeln. In seiner Rede vor dem Kongress zitierte Präsident Donald Trump Selensky mit den Worten: „Die Ukraine ist bereit, sich so bald wie möglich an den Verhandlungstisch zu setzen, um einem dauerhaften Frieden näher zu kommen.“
Die offenen Fragen im April 2022 betrafen die Einzelheiten der Sicherheitsgarantien für die Ukraine und die geänderten Grenzen zwischen der Ukraine und Russland. Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit den Garantien betraf die Rolle Russlands als Mitgarant des Abkommens. Die Ukraine bestand darauf, dass die westlichen Mitgaranten in der Lage sein sollten, mit oder ohne die Zustimmung Russlands zu handeln, um Russland kein Vetorecht in Bezug auf die Sicherheit der Ukraine einzuräumen. Russland wollte eine Situation vermeiden, in der die Ukraine und ihre westlichen Mitgaranten das Abkommen manipulieren würden, um erneute Gewalt gegen Russland zu rechtfertigen. Beide Seiten haben Recht.
Die beste Lösung besteht meiner Ansicht nach darin, die Sicherheitsgarantien dem UN-Sicherheitsrat zu unterstellen. Das bedeutet, dass die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich zusammen mit den übrigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats als Mitgaranten auftreten würden. Damit würden die Sicherheitsgarantien einer weltweiten Prüfung unterzogen. Ja, Russland könnte gegen eine spätere Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine sein Veto einlegen, aber es würde sich der Missbilligung Chinas und der Weltöffentlichkeit aussetzen, wenn es willkürlich gegen den Willen der übrigen UN handeln würde.
Was die endgültige Festlegung der Grenzen betrifft, so sind einige Hintergrund-Informationen sehr wichtig. Vor dem gewaltsamen Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar 2022 [richtig ist 2014] hat Russland keine territorialen Forderungen an die Ukraine gestellt. Janukowitsch befürwortete die Neutralität der Ukraine, lehnte eine NATO-Mitgliedschaft ab und handelte mit Russland friedlich einen 20-jährigen Pachtvertrag für den russischen Marinestützpunkt in Sewastopol auf der Krim aus, der seit 1783 Sitz der russischen Schwarzmeerflotte ist.
Nach dem Sturz Janukowitschs und der Ersetzung durch eine von den USA unterstützte, NATO-freundliche Regierung hat Russland die Krim rasch zurückerobert, um zu verhindern, dass der Marinestützpunkt in die Hände der NATO fällt. In den Jahren 2014 bis 2021 drängte Russland nicht auf die Annexion anderer ukrainischer Gebiete. Russland forderte die politische Autonomie der ethnisch russischen Regionen in der Ostukraine (Donezk und Luhansk), die sich unmittelbar nach dem Sturz Janukowitschs von Kiew gelöst hatten.
Mit dem Minsk-II-Abkommen sollte die Autonomie umgesetzt werden. Der Minsker Rahmen wurde zum Teil durch die Autonomie der deutschstämmigen Region Südtirol in Italien inspiriert. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kannte die Erfahrungen Südtirols und betrachtete sie als Präzedenzfall für eine ähnliche Autonomie im Donbass. Leider wehrte sich die Ukraine vehement gegen eine Autonomie für den Donbass, und die USA unterstützten die Ukraine in dieser Haltung. Deutschland und Frankreich, die angeblich die Garanten von Minsk II waren, sahen tatenlos zu, wie das Abkommen von der Ukraine und den Vereinigten Staaten über Bord geworfen wurde.
Nach sechs Jahren, in denen Minsk II nicht umgesetzt wurde und in denen das von den USA bewaffnete ukrainische Militär den Donbass weiterhin bombardierte, um die abtrünnigen Provinzen zu unterwerfen und zurückzuerobern, erkannte Russland Donezk und Luhansk am 21. Februar 2022 als unabhängige Staaten an. Der Status von Donezk und Luhansk im Rahmen des Istanbul-Prozesses war noch nicht endgültig geklärt. Vielleicht hätte man sich letztlich auf eine Rückkehr zu Minsk II und dessen tatsächliche Umsetzung durch die Ukraine (Anerkennung der Autonomie der beiden Regionen in der ukrainischen Verfassung) einigen können. Als die Ukraine den Verhandlungstisch verließ, war die Frage leider hinfällig. Einige Monate später, am 30. September 2022, annektierte Russland die beiden Oblaste sowie zwei weitere, Cherson und Saporischschja.
Die traurige Lektion ist diese. Der Gebietsverlust der Ukraine wäre gänzlich abgewendet worden, hätte es nicht den gewaltsamen Staatsstreich gegeben, durch den Janukowitsch gestürzt und ein von den USA unterstütztes Regime eingesetzt wurde, das die NATO-Mitgliedschaft anstrebt. Der Gebietsverlust in der Ostukraine hätte verhindert werden können, wenn die USA die Ukraine zur Umsetzung des vom UN-Sicherheitsrat unterstützten Minsk-II-Abkommens gedrängt hätten. Der Gebietsverlust in der Ostukraine hätte wahrscheinlich noch im April 2022 im Rahmen des Istanbul-Prozesses abgewendet werden können, doch die USA blockierten das Friedensabkommen. Jetzt, nach 11 Jahren Krieg seit dem Sturz Janukowitschs und aufgrund der Verluste der Ukraine auf dem Schlachtfeld, wird die Ukraine in den kommenden Verhandlungen die Krim und andere Gebiete in der Ost- und Südukraine abtreten.
Europa hat andere Interessen, über die es mit Russland verhandeln sollte, vor allem die Sicherheit der baltischen Staaten und die europäisch-russischen Sicherheits-Vereinbarungen im Allgemeinen. Die baltischen Staaten fühlen sich gegenüber Russland sehr verwundbar, was angesichts ihrer Geschichte verständlich ist, aber sie verstärken ihre Verwundbarkeit auch noch unnötigerweise durch eine Reihe repressiver Maßnahmen gegen ihre russischstämmige Bevölkerung, einschließlich Maßnahmen zur Unterdrückung des Gebrauchs der russischen Sprache und Maßnahmen zur Abschaffung der Verbindungen ihrer Bürger zur russisch-orthodoxen Kirche. Die führenden Politiker der baltischen Staaten lassen sich auch zu einer bemerkenswerten russophoben Rhetorik hinreißen. Der Anteil der ethnischen Russen an der Bevölkerung beträgt in Estland und Lettland etwa 25% und in Litauen etwa 5%. Die Sicherheit der baltischen Staaten sollte durch sicherheitsfördernde Maßnahmen auf beiden Seiten erreicht werden, wozu auch die Achtung der Minderheitenrechte der russischstämmigen Bevölkerung gehört, und durch den Verzicht auf eine hasserfüllte Rhetorik.
Die Zeit ist reif für eine Diplomatie, die Europa, der Ukraine und Russland kollektive Sicherheit bringt. Europa sollte direkte Gespräche mit Russland aufnehmen und Russland und die Ukraine zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens auf der Grundlage des Istanbuler Kommuniqués vom 29. März und des Entwurfs des Friedensabkommens vom 15. April 2022 drängen. Auf den Frieden in der Ukraine sollte die Schaffung eines neuen Systems kollektiver Sicherheit für ganz Europa folgen, das sich von Großbritannien bis zum Ural und sogar darüber hinaus erstreckt."
Ergänzung
Zum Thema der hasserfüllten Rhetorik schreibt Epimetheus in „Die Fackel 2.0": „Das Gleiche gilt natürlich für (…) die Außenkommissarin Kaja Kallas – selbsterklärtes Opfer des Sowjetkommunismus – obwohl ihr Vater ein KPdSU-Apparatschik (1972-90), Chef der estnischen Nationalbank (1991-95), Kabinettsminister und später Premierminister von Estland (1995-96, 2002-03) und 'schließlich' EU-Kommissar (2004-14) war. Nun tritt Kaja Kallas praktisch genau in die Fußstapfen ihres Vaters und reiht sich ein in die Schar der anderen zwielichtigen Gestalten, die in der „EU-Kommission“ mitwirken.“
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