Trump telephoniert mit Putin über die Beendigung des Kriegs in der Ukraine. Danach teilt er Selensky mit, was jetzt abgeht. Ob er Scholz oder irgendeinen anderen europäischen „Führer“ direkt in Kenntnis gesetzt hat, wurde nicht mitgeteilt. Das ist nach deren düpierten Reaktionen auch wenig wahrscheinlich.
US-Verteidigungsminister Hegseth kündigt an, etwaige „Friedenstruppen“ zur Absicherung der Demarkationslinie zwischen von Russland bzw. von der Ukraine kontrollierten Territorien würden von den USA nicht unterstützt (siehe hier!). Auch eine Rückendeckung durch die NATO dürfte es nicht geben. Zur Begründung verwies er darauf, dass sich die USA ab sofort voll und ganz auf den Machtkampf gegen China konzentrierten. Da die Ressourcen knapp seien, seien die USA nicht mehr zum Einsatz von Mitteln in Europa bereit.
Der Ausgangspunkt, mit dem die USA in Friedensverhandlungen mit Russland eintreten, sieht so aus: Keine Rückkehr zu den Grenzen vor 2014, die von Russland besetzten Gebiete werden Russland zugeschanzt, keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine, keine US-Soldaten in der Ukraine, es wird eine Puffer-Zone zwischen dem (dann ehemaligen) Ostteil der Ukraine und ihrem Westteil eingerichtet, Europa muss den überwiegenden Teil weiterer militärischer Hilfen leisten. Und: Die EU hat für den Wiederaufbau und die „Friedenstruppen“ zu sorgen.
Wie zu erwarten, treten nun die Kriegstreiber auf den Plan. Der Außen- und Militärpolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) sorgt sich um die Verhandlunsposition der Ukraine (die nichts zu sagen hat) und ruft nach einer europäischen „Koalition der Willigen“. Sie müsste die ukrainischen Streitkräfte „so unterstützen, dass sie Russland zurückdrängen kann.“ Wir erinnern uns: CDU-Merz wollte gleich zu Beginn seiner Kanzlerschaft überlegen, Taurus für die Ukraine freizugeben. Die könnten dann nach Moskau geschickt werden.
Trump hat während seiner Wahlkampagne erklärt, die Ukraine sei ein europäischer und kein amerikanischer Krieg. Das signalisierte Russland gegenüber bereits Verhandlungs-, besser Kompromissbereitschaft. Insofern klingt die Überraschung auf europäischer Seite hinsichtlich der nun eingeleiteten Verhandlungsphase etwas „seltsam“. Jeder konnte wissen, was geschieht. Jeder konnte auch wissen, dass die USA sich einen Dreck um irgendwelche europäischen Befindlichkeiten scheren.
George Friedman von Geopolitical Futures meint, Washington hätte vor 2022 noch befürchten müssen, Russland könnte Europa dominieren und damit das Kräfteverhältnis im globalen System radikal verändern. Russlands Scheitern hätte diese Sorgen aber nun zerstreut. Mit „Scheitern“ meint Friedman, dass es Russland nicht gelang, die gesamte Ukraine zu erobern. Das war nie Ziel, aber amerikanische Reaktionäre stellen es so hin, weil sie sich anderenfalls eingestehen müssten, ihr Minimal-Ziel der Schwächung Russlands und eines Regimewechsels verfehlt zu haben.
Die Münchner Sicherheitskonferenz, die heute im Beisein von US-Vizepräsident Vance und Außenminister Rubio beginnt, steht ganz unter der jüngsten Entwicklung hinsichtlich der Ukraine. Europa sieht sich überrumpelt. Auf EU-Seite bleibt nur die hinterherlaufende Reaktion, auch im aktuellen Wahlkampf in Deutschland hat keine Alt-Partei eine klare Positionierung zur „Zeit danach“ erkennen lassen. Dabei hätte man es lange vorher wissen können. Europa ist ein weiteres Mal ein Getriebener.
Europa hat die Wahl. Es könnte die Gelegenheit nutzen und mit der Normalisierung der Beziehungen zu Russland beginnen. Russland hat die Sanktionen seitens des Wertewestens gut parieren können, steht aber jetzt vor der Herausforderung, seine Kriegswirtschaft zurückzufahren zugunsten einer stärkeren Orientierung an den Bedürfnissen der Verbraucher. Das wäre eine gute Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen. Auf Seiten Europas bestünde die Chance, wieder zu günstigerer Energieversorgung zurückzukehren, zumindest aber diesbezüglich die sklavenartige Abhängigkeit von den USA zu reduzieren.
Das wird sehr wahrscheinlich nicht geschehen.
Stattdessen wird Europa wohl so reagieren, dass die Ausgaben für „Sicherheit“ drastisch erhöht werden. Dazu wird flankierend ein politisches Klima erzeugt, bzw. verstärkt, das die russische Bedrohung mit grellen Farben an die Wand malt. „Kalter Krieg 2.0“ heißt die Devise. Oder auch etwas verklausulierter „Sicherheit zuerst“.
Im Schlepptau dieser neuen Prioriserung dürfte die Dekarbonisierung der Energieerzeugung zurückgestuft und die Aufrüstung oben an gestellt werden. Dieses „Sicherheit zuerst" wird vermutlich auch der Tenor auf der Münchener Sicherheitskonferenz werden.
Was folgt ökonomisch daraus? Die Budgets für die zivile und militärische Sicherheit werden zum wichtigsten Treiber des europäischen Wachstums. Das wirkt sich auf die staatliche Verschuldung aus. Investitionen werden in die „Verteidigungs“-Industrie umgelenkt. Um die Finanzierung zu erleichtern, wird die EZB die Leitzinsen weiter senken, womit die Schere zwischen Renditen und Inflation noch weiter aufgeht als bisher schon – Zinsen runter, Inflation hoch. Zudem wirken Ausgaben in Kriegsgerät per se inflationär – produziert, um zerstört zu werden.
Ergänzung
Blog der Republik: Bereits unter der Obama-Administration haben die USA grundsätzlich entschieden, fünf Einheiten mit landstationierten weitreichenden Waffen in Europa aufzustellen. 2017 unter Präsident Trump wurde mit der Aufstellung einer militärischen Verbandsstruktur der US-Armee begonnen. Unter Biden wurden 2021 konkrete Beschlüsse gefasst. Bundeskanzler Scholz verkündete Mitte 2024 en passant, dass gemäß dieser Ausrichtung die entsprechenen Raketen-Systeme 2026 in Deutschland installiert würden. In der politischen und medialen Darstellung wird der Eindruck erweckt, als handele sich bei dieser Stationierung um eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es handelt sich jedoch um eine von langer Hand vorbereitete einseitige Entscheidung der USA.
Nachtrag
Ich hatte den obigen Artikel vor Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz geschrieben. Die Eröffnungsreden von Steinmeier und insbesondere von Vance haben ein vielfältiges Echo gefunden – ich habe hier einige Stimmen zusammengetragen.
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