Syrien – die Vorgeschichte

Nach einer Schrecksekunde wurde in den großen Medien der plötzliche Sturz des Assad-Regimes beklatscht. Aus einem siegreichen Al-Qaida-Ableger wurden quasi über Nacht Rebellen, mit dem sich der Wertewesten eine Zusammenarbeit gut vorstellen kann.

Der Sturz hat eine Vorgeschichte. Wenn man sie kennt, versteht man die aktuelle Entwicklung besser. Wie bei der Ukraine… (siehe z.B. hier!).

Die USA unterstützen die Expansionspolitik Israels seit Jahrzehnten. Die von der überwältigenden Mehrheit der Staatengemeinschaft favorisierte palästinensische Zweistaatenlösung wurde von den USA nie wirklich verfolgt. Sie geht auf den im April 2003 von US-Präsident George Bush und dem britischen Premierminister Blair präsentierten „Fahrplan zum Frieden“ (Roadmap for Peace) im Nahen Osten zurück.

Auch Russland, die EU, sowie die Uno unterstützen ihn, seit Mai 2003 gilt er als eine gemeinsame Initiative des Nahostquartetts. Als Ziel wurde die „endgültige und umfassende Beilegung“ des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern bis 2005 bestimmt. Dazu sollte ein „unabhängiger, demokratischer und lebensfähiger palästinensischer Staat“ geschaffen und die 1967 von Israel besetzten Gebiete (Westjordanland, Gazastreifen und Ostjerusalem) zurückgegeben werden.

Die Umsetzung der Roadmap überliess UNO-Generalsekretär Annan jedoch den USA, auch die Quartett-Mitglieder EU und Russland engagierten sich nicht. Das offiziell bis heute fortbestehende Nahostquartett war eine reine Alibi-Übung. Die israelische Regierung beteiligte sich bis 2009 an den Verhandlungen und wahrte so den Schein von Kompromissbereitschaft. Gleichzeitig betrieb sie aber den Bau von immer mehr illegalen Siedlungen im Westjordanland.

Die Obama-Administration kündigte Ende 2012 eine neue Nah-Ost-Verhandlungsrunde an. Sie wurde im August 2013 eröffnet, spätestens bis Ende April 2014 sollten sich beide Seiten auf ein Friedensabkommen und die Schaffung eines „unabhängigen Palästinenserstaats“ einigen. Vor Verhandlungsbeginn wurde zwischen den USA und Israel ein Rahmen für ein Abkommen vereinbart, nach dem für einen „unabhängigen Staat Palästina“ statt der im Uno-Teilungsplan von 1947 festgelegten 46% des ehemaligen Mandatsgebietes Palästina nur noch sechs Prozent übriggeblieben wären. Die Verhandlungen endeten Ende April 2014 nach Fristablauf ergebnislos.

Die Zwei-Staaten-Lösung war das erklärte Ziel fast aller Mitgliedsstaaten in der UNO. Auch vordergründig der USA – bis zur ersten Trump-Administration. Die gab das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung offiziell auf. Auch wurden nahezu alle völkerrechtlich verbindlichen Bestimmungen zum Konflikt Israel-Palästina missachtet oder für obsolet erklärt. Die US-Botschaft wurde von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt, die israelische Besatzung der syrischen Golan-Höhen wurde anerkannt. Der „Friedensplan“, den Trump und Netanjahu Anfang 2020 vorlegten, verstösst gegen das Völkerrecht, weil er auf die Annexion zumindest von Teilen des besetzten Westjordanlands durch Israel hinausläuft. Aber das Vorgehen der USA unter Trump stiess weder in der UNO noch beim Internationalen Gerichtshof auf nennenswerten Widerstand.

Seit 2013 hat sich die Zahl der illegalen Siedler in der Westbank und im Grossraum Ostjerusalem auf über 650.000 in 2021 mehr als verdoppelt. Die Koalitionsregierung von Netanjahu, der im März 2009 erneut Ministerpräsident wurde, nimmt mittlerweile kein Blatt mehr vor den Mund – sie will keinen palästinensischen Staat. Das Ziel von Netanjahu war immer ein Grossisrael vom Mittelmeer bis zum Jordan. Seitdem er im Jahr 1996 zum ersten Mal Premierminister wurde, tut er alles, um eine Zweistaatenlösung zu verhindern.

Netanjahu war sich auch nicht zu schade, etwa durch Unterstützung der Hamas im Gaza-Streifen inner-palästinensiche Konflikte zu verschärfen. Auch Teile der syrischen Opposition wurden von Israel finanziert, ausgebildet und bewaffnet. Dazu gehören auch Al-Qaida, bzw. ISIS/IS zuzurechnende Gruppierungen. Für Netanjahu waren und sind alle Regierungen Feinde, die eine Zweistaatenlösung unterstützen.

Entsprechend hat Netanjahu stets auch die Losung „Land für Frieden“ abgelehnt. Ein Frieden mit den Palästinensern würde das Ziel, ein Grossisrael, torpedieren. Religiöse Eiferer, von denen einige in der heutigen Regierung Netanjahus sitzen, sehen sogar das viel grössere Gebiet vom Nil bis zum Euphrat als ihr gelobtes Land.

Viel von dem, war wir heute erleben, geht zurück auf eine Gruppe amerikanischer und israelischer Berater, die 1996 ein an die neu gewählte Likud-Regierung in Israel gerichtetes Strategiepapier erarbeiteten. In „A Clean Break: A New Strategy for Securing the Realm“ forderten die Neocons Perle, Feith und David Wurmser einen „klaren Bruch“ mit der Politik, mit den Palästinensern zu verhandeln und Land gegen Frieden zu tauschen. Sie erklärten: „Israel kann sein strategisches Umfeld gestalten, indem es Syrien schwächt, eindämmt und sogar zurückdrängt. Diese Bemühungen können sich darauf konzentrieren, Saddam Hussein im Irak zu entmachten“. Auch sollte mit der Türkei und Jordanien zusammengearbeitet werden, um feindliche arabische Stämme nach Syrien einzuschleusen zum Zwecke der Destabilisierung. Sie riefen dazu auf, „das Prinzip der Präemption wieder einzuführen“.

Ein Memorandum des US-Aussenministeriums nach 9/11 sah vor, innerhalb von fünf Jahren im „Krieg gegen den Terror“ sieben Länder anzugreifen: Irak, Libanon, Sudan, Libyen, Syrien, Somalia und Iran. Im Oktober 2001 bombardierten die USA bereits Afghanistan. Mit sechs dieser sieben Länder haben die USA inzwischen entweder selbst Krieg geführt oder mit Billionen Dollar finanziert und unterstützt.

Im Oktober 2002 hatte Netanjahu vor dem US-Senat den Krieg gegen den Irak als dringlich erklärt, bevor der „terroristische Diktator Saddam Hussein“ Atomwaffen einsetzen kann. Nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 forderte Netanyahu den Sturz einiger weiterer Diktatoren.

In der folgenden Übersicht wird dargestellt, wer in dieser Zeit welche Botschaften in welchen Medien verbreiten sollte (in der Politik geschieht nichts zufällig…):

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In der Unterlage tauchen prominente Namen aus dem Lager der Neocons auf. Das IRmep (Institute for Reearch: Middle Eastern Policy) bezeichnet die Genannten als „das Netzwerk zur Verbreitung und Umsetzung neokonservativer Politik“. Und schreibt weiter, Kernmitgliedern der Gruppe ist es gelungen, den Vorrang israelischer Belange auf ein geradezu absurdes Niveau zu heben. Das Ausmaß an Vitriol, Hybris und Kriegstreiberei durch die Macht der Feder und den Einfluss auf die amerikanische Politik ist atemberaubend. Viele haben sich persönlich an Aktivitäten beteiligt, die auf die Stärkung der Macht Israels über außenpolitische Initiativen der USA hinauslaufen. Die Lobbyarbeit dieser Gruppe im Namen Israels definiert diese mit genau dem Etikett, das sie so häufig gegen andere schleudert: Verräter an den Interessen der USA.

Nach Saddam Hussein wurde 2011 der libysche Machthaber Muammar Ghadaffi gestürzt. Im Dezember 2012 wurde Syriens Präsident Assad zur nächsten Zielscheibe, Obama und seine Aussenministerin Hillary Clinton sprachen ihm jegliche Legitimität ab. Kurz zuvor galt Syrien noch als ein normaler, funktionsfähiger Staat. Ziel der CIA war ein „Regime Change“, Präsident Bashar al-Assad sollte gestürzt werden. Man folgte der israelischen Doktrin, wonach Sysrien zum Spielball und Aufmarschgebiet des Iran werden könnte. Die Neocons lassen grüßen.

Die CIA beginnt solche Aktionen oft mit der Unterstützung und Finanzierung einer lokalen Opposition. So war es auch beim „spontanen Aufstand“ im Jahr 2011 in Syrien. Innerhalb eines Jahres forderte der Konflikt zwischen der schiitischen Regierung und der zum großen Teil sunnitischen Opposition nach Angaben der UNO bereits 9000 Todesopfer.

Präsident Obama, der Träger des Friedens-Nobelpreises, unterzeichnete Anfang 2013 ein geheimes CIA-Programm mit dem Namen „Operation Timber Sycamore“, nach dem die USA zusammen mit Saudi-Arabien und Grossbritannien Rebellengruppen in Syrien ausbilden und bewaffnen sollten. Netanjahu wurde eingeweiht und unterstützte die CIA-Operationen in Syrien. In gewohnter Manier unterstützten die USA auch in Syrien Terroristen. Dazu zählten Al-Qaida-Abkömmlinge und andere sunnitische Gruppen. Die CIA gab für das Programm jährlich eine Milliarde Dollar aus. Hundertausende verloren ihr Leben.

2017 beendete die Trump-Regierung die CIA-Operation. Trump liess jedoch nicht alle US-Truppen aus Syrien abziehen, ein Rest verblieb im Nordosten und kontrolliert bis heute die syrische Ölförderung. 2020 wurden Syrien drastische Sanktionen auferlegt, die das Assad-Regime isolieren und einen Wiederaufbau unmöglich machen sollten.

Im Dezember 2024 war es so weit – Assad wurde gestürzt. Der Sturz des Regimes ist der Höhepunkt der israelisch-amerikanischen Kampagne gegen Syrien, schreibt Jeffrey Sachs. Eine langfristig verfolgte Strategie hat ihr Ziel erreicht. Enorme Zerstörungen, etwa 300.000 Tote und Millionen Geflüchtete bleiben zurück. Nach Ansicht von Sachs drohen in Syrien Zustände wie in Libyen oder im Irak. Syrien könnte in Stücke zerfallen.

Israel hat weiteres syrisches Territorium auf dem Golan besetzt. Russland besitzt auf syrischem Gebiet zwei Militärbasen. Die Türkei eignet sich Gebiete im Norden an und kämpft gegen die syrischen Kurden. Die Kurden kontrollieren mit militärischer und logistischer Unterstützung der USA grosse Gebiete im Nordosten Syriens – dort, wo die Ölfelder liegen und sich ausgedehnte, fruchtbare Böden befinden.

Mit dem Sturz Assads ist das Projekt „The New Middle East“ von 2004 (engültige Version 2008) noch nicht vollendet. Denn mit dem Sturz Saddam Husseins sei das Machtgleichgewicht zwischen dem Iran und dem Irak gestört worden, was den Einfluss Teherans in der Golfregion und darüber hinaus erhöhe, heißt es dort. Das nächste Ziel von Netanjahu und den Neocons in den USA ist erklärtermassen der Iran.

Nach der Vorgeschichte: Ist der nächste Präsident der USA, Trump, auch wieder dabei?

[Unter Vendung von Material aus dieser Quelle; anderes ist im Txt verlinkt]

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