Syrien: USA und Israel – 'Mission accomplished'?

Die Rebellen, die Assad gestürzt haben, arbeiten hart daran, der Öffentlichkeit und den ausländischen Führern zu versichern, der Übergang werde geordnet und so friedlich wie möglich verlaufen.

Anstelle des Diktators Assad regieren in Syrien nun die direkten Erben der Leute, die als verantwortlich für das Geschehen am 11. September 2001 gelten. Es ist schockierend, dass vielfach westliche Mainstream-Medien und Politiker die Machtübernahme dieser Kräfte in Syrien bejubeln.

Jetzt rangeln ausländische Mächte um ihre Positionen – allen voran Israel. Dessen Bodentruppen haben nun die ehemals entmilitarisierten Golanhöhen besetzt, dessen Luftangriffe haben in weniger als einer Woche die syrischen militärischen Kapazitäten nahezu vernichtet. Infolgedessen wird die nächste Regierung in Syrien praktisch wehrlos und abhängig von der ausländischen Macht sein, die den größten Einfluss oder die meiste Gewalt ausüben kann.

Die israelische Regierung verfolgt auch einen Plan zur Ausweitung der Siedlungen im Gebiet der Golanhöhen. Premierminister Netanjahu erklärte, dies sei notwendig, weil sich nach dem Sturz von Bashar Assad eine „neue Front“ mit Syrien eröffnet habe. Die Türkei verurteilte den Plan. Auch der stellvertretende Außenminister Russlands bezeichnete das Projekt als „inakzeptabel“. Es ist gleichbedeutend mit der völkerrechtswidrigen Vertreibung der einheimischen Bevölkerung (die schon begonnen hat).

Die von den Vereinten Nationen kontrollierte Pufferzone auf den Golanhöhen ist ein 1.800 Quadratkilometer großes Plateau, das Israel, Syrien, Jordanien und den Libanon überragt. Die Invasion verstößt gegen das Rückzugsabkommen von 1974, mit dem der Jom-Kippur-Krieg beendet wurde. Israel reklamiert aber, der Sturz des Assad-Regimes markiere das Ende des Abkommens. Die israelische Kontrolle über die Golanhöhen und den Berg Hermon sei für Israels Sicherheit unerlässlich.

Die israelische Besatzung dürfte nicht nur vorübergehend sein, insbesondere auch angesichts der Pläne der Regierung, mehr israelische Zivilisten in das Gebiet zu bringen. „Die Golanhöhen … werden für immer ein untrennbarer Teil des Staates Israel sein“, verkündete Netanjahu. Die Kontrolle strategischer Punkte auf den Golanhöhen wird es Israel auch ermöglichen, später offensive Operationen durchzuführen.

Ahmad al-Sharaa, der de facto neue Führer Syriens, besser bekannt als Abu Mohammed al-Golani, beschuldigte Israel, damit unter falschem Vorwand eine „ungerechtfertigte Eskalation“ herbeizuführen. Aber er sagte auch, sein „kriegsmüdes“ Land würde nicht in einen weiteren Krieg hineingezogen werden. Der israelische Premierminister Netanjahu wiederum drohte der neuen syrischen Führung, Israel sei bereit, Gewalt anzuwenden, um den Iran daran zu hindern, sich zu etablieren. Al-Golani versicherte, er werde nicht zulassen, dass Syriens Territorium für Angriffe gegen Israel genutzt wird. Daher sollten sich die israelischen Streitkräfte wieder von den Golanhöhen zurückziehen.

Israel ist nicht das einzige Land, das überlegt, wie es vom syrischen Regierungswechsel profitieren kann. Die Liste der ausländischen Großmächte, die an der Gestaltung der Zukunft Syriens interessiert sind, ist lang und umfasst die Türkei, den Iran, Russland und die USA. Die Zerstörung der militärischen Kapazitäten Syriens durch Israel macht die neue Führung des Landes anfällig für externe Einflüsse.

Wie stark sind die USA in den Sturz der syrischen Regierung verwickelt?

Der Sturz Syriens ist der Höhepunkt der israelisch-amerikanischen Kampagne gegen Syrien, schreibt Jeffrey Sachs. Sie geht auf das Jahr 1996 zurück, als Netanjahu sein Amt als israelischer Premierminister antrat und US-amerikanische und israelische Neokonservative die „Clean-Break“-Strategie für den Nahen Osten entwarfen. Die „Kampagne“ eskalierte 2011 und 2012, als Obama die CIA mit dem Sturz der syrischen Regierung beauftragte. Diese verdeckten Bemühungen haben nun „gefruchtet“.

Der Sturz des Assad-Regimes in Syrien ging schnell. Die Kombination aus Ressourcendiebstahl und extremen Sanktionen hat die syrische Gesellschaft in den letzten zehn Jahren ausgehöhlt. Mehr als ein Jahrzehnt haben die USA die syrischen Ölquellen und Weizenanbaugebiete kontrolliert und Ressourcen gestohlen. Hinzu kamen Israels Angriffe auf die Hisbollah, die die wichtigste militärische Stütze der syrischen Regierung war. Das syrische Volk wurde ins Elend gestürzt. Seit 2011 sind mehr als 300.000 Menschen im syrischen Krieg ums Leben gekommen. Es gab kaum Widerstand, als die islamistischen Gruppen vor einigen Wochen aus Idlib hervorbrachen.

Vor der US-amerikanisch-israelischen Kampagne zum Sturz Assads war Syrien ein funktionierendes, wachsendes Land mit mittlerem Einkommen. Noch im Januar 2009 begrüßte das IWF die starke makroökonomische Leistung Syriens, die sich in einem raschen Wachstum des BIP außerhalb des Ölsektors, einem komfortablen Niveau der Währungsreserven und einer niedrigen und rückläufigen Staatsverschuldung manifestierte.

Die USA haben inzwischen Kriege gegen den Irak (Invasion 2003), den Libanon (Finanzierung und Bewaffnung Israels durch die USA), Libyen (NATO-Bombardierung 2011), Syrien (CIA-Operation 2010), den Sudan (Unterstützung von Rebellen zur Spaltung des Sudans 2011) und Somalia (Unterstützung der Invasion Äthiopiens 2006) geführt oder unterstützt. Ein möglicher Krieg der USA mit dem Iran, der von Israel vehement angestrebt wird, steht noch aus, so Sachs.

Dabei hat die CIA hat wiederholt islamistische Dschihadisten unterstützt, um diese Kriege zu führen, und die Dschihadisten haben nun gerade das syrische Regime gestürzt. Schließlich hat die CIA durch die Ausbildung, Bewaffnung und Finanzierung der Mudschaheddin in Afghanistan ab den späten 1970er Jahren dazu beigetragen, Al-Qaida überhaupt erst zu schaffen. Osama bin Laden wandte sich später zwar gegen die USA, aber seine Bewegung war eine Schöpfung der USA. Ironischerweise war es Assads Geheimdienst, wie Seymour Hersh bestätigt, der „die USA auf einen bevorstehenden Bombenanschlag der Al-Qaida auf das Hauptquartier der Fünften Flotte der US-Marine hinwies“.

Es wird noch obskurer. Die USA arbeiteten in den 2010er Jahren, als sie sich angeblich im Irak und in Afghanistan im Krieg mit Al-Qaida befanden, in Syrien heimlich mit Al-Qaida an einem Plan zum Sturz Assads. Die CIA gab zu diesem Zweck rund 1 Mrd. Dollar pro Jahr für die Ausbildung und Bewaffnung eines breiten Netzwerks von Rebellengruppen aus. Wie Jake Sullivan, der heutige nationale Sicherheitsberater der USA, in einer durchgesickerten E-Mail aus dem Jahr 2012 gegenüber Außenministerin Hillary Clinton erklärte: „AQ [al-Qaida] ist in Syrien auf unserer Seite“.

Aussagen wie diese mögen überraschen, schreibt Alan MacLeod. Die Realität ist jedoch, dass auch Israel seit ihrer Gründung einen Großteil der syrischen Opposition finanziert, ausgebildet und bewaffnet hat. Dazu gehört auch Al-Qaida, deren verwundete Kämpfer von Israel behandelt werden. Und während die radikal-islamistischen Kräfte mit allen verfeindet zu sein schienen, waren sie penibel darauf bedacht, jede Konfrontation mit Israel zu verneiden. 2016 feuerten ISIS-Kämpfer versehentlich auf eine israelische Stellung auf den Golanhöhen, weil sie sie für syrische Regierungstruppen hielten, und entschuldigten sich dann schnell dafür.

Im Jahr 2017 wurde durch die Los Angeles Times bekannt, dass in Syrien vom Pentagon bewaffnete Kämpfer gegen solche von der CIA bewaffnete gekämpft haben. Das zeigt den ganzen Irrsinn der interventionistischen US-Außenpolitik.

Die von den USA herbeigeführte Implosion Libyens und des Irak hat nicht zu Demokratie, Frieden und zu bürgerlichen Freiheiten geführt. Genau das Gegenteil ist passiert: Millionen Tote, Millionen weitere, die im Elend leben, und viele, die sich an denen rächen wollen, die ihre Familien, ihre Lebensweise und ihre Länder zerstört haben. Millionen neuer Feinde schafft kein Mehr an Sicherheit. Das könnte sich in Syrien wiederholen.

All dies dient auch einer zutiefst ungerechten Sache, der Verweigerung der politischen Rechte der Palästinenser im Dienste eines zionistischen Extremismus. Fast die gesamte Welt hat sich immer wieder auf die Forderung einer Zweistaatenlösung und Frieden zwischen Israel und Palästina verständigt. Anstelle der Zweistaatenlösung haben Israel und die USA eine Wüste geschaffen, die sie Frieden nennen.

Wie bei Präsident George W. Bushs „Mission accomplished“-Moment nach dem Sturz Saddams im Irak wird sich die Beseitigung von Assad als der einfache Teil erweisen. Der Wiederaufbau der syrischen Gesellschaft nach der Zerstörung des Landes wird Milliarden kosten und wird womöglich genauso erfolgreich sein wie die „Befreiung“ Libyens durch die USA, das mehr als ein Jahrzehnt später immer noch als gescheiterter, von Terroristen beherrschter Staat gilt.

Der designierte US-Präsident Trump hat in der zurückliegenden Woche zu Syrien geäußert, dies sei nicht der Kampf der USA und die USA sollte nichts damit zu tun haben. Bis jetzt hatten die USA viel zu viel damit zu tun. Es bleibt zu hoffen, dass Trump diesen Gedanken auch als Präsident beherzigt und die USA nicht nur aus Syrien, sondern aus dem gesamten Nahen Osten abziehen wird. Alles, was die USA in den zurückliegenden 75 Jahren dort getan haben, hat es nur noch schlimmer gemacht.

Diese Hoffnung dürfte vergebens sein. Trump hat wiederholt versichert, fest an der Seite Israels zu stehen und hat auch aus seiner Haltung dem Iran gegenüber keinen Hehl gemacht. Das Land sollte in Grund und Boden gebombt werden, so eine Aussage von ihm im zurückliegenden US-Präsidentschafts-Wahlkampf – ganz im Sinne von Israels Premier Netanjahu.

Man kann schockiert sein, dass die Medien und die politische Klasse den Gründer und Leiter einer Al-Qaida-Schwesterorganisation in Syrien als modernen, fortschrittlichen Verfechter feiern. Die Realität ist jedoch, dass die Beziehung der USA zu dieser Gruppe lediglich wieder dorthin zurückkehrt, wo sie früher schon einmal war. Es scheint so, als komme Bushs „War on Terror“ mit der Umbenennung der „Terroristen“ in „gemäßigte Rebellen“ und „Freiheitskämpfer“ zu einem Ende. Es findet eine gigantische Rebranding-Operation durch die Medien und auch durch die US-Regierung statt.

Es bleibt abzuwarten, wie genau Jolani regieren wird und ob er die Unterstützung einer breiten Palette syrischer Gruppen aufrechterhalten kann. Wie auch immer – er kann sich anscheinend einer starken Unterstützung durch die westliche Presse sicher sein.

Unter Verwendung von Material aus folgenden Quellen:

Ergänzung
Nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes könnten die Gespräche zwischen Katar und der Türkei über eine mögliche Erdgaspipeline wieder aufgenommen werden. Wenn in Syrien Stabilität hergestellt ist, dürfte die Pipeline, die durch syrisches Territorium verlaufen müsste, in der Region nicht auf politischen Widerstand stoßen.

Der Sturz von Bashar Assad in Syrien wird wahrscheinlich weitreichende Folgen für den engen Verbündeten Russland haben, die sich sogar auf seine Operationen in Afrika erstrecken. Syrien war jahrzehntelang ein wichtiges Logistikzentrum für Moskau und beherbergte Militärbasen und Unterstützungseinrichtungen, die für russische Aktivitäten im Ausland von entscheidender Bedeutung waren. Da Assad nun in Russland im Exil lebt, wird der Kreml die Auswirkungen auf seine Operationen in Afrika bedenken müssen.

Martin Sonneborn, Europa-Ageordneter von Die Partei, hat da mal ein paar Fragen.

Nachtrag
(27.12.24) Die im Artikel erwähnte „Clean-Break“-Strategie wird hier ausführlich erörtert.

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