Kredit-Spreads und Extreme bei Aktien

Kreditspreads spielen eine wichtige Rolle für das Verständnis der Marktstimmung und können unter gewissen Umständen Umschwünge am Aktienmarkt zuverlässig vorhersagen.

Ein Kreditspread bezieht sich auf den Renditeunterschied zwischen zwei Anleihen mit ähnlicher Laufzeit, aber unterschiedlicher Bonität. Bei solchen Vergleichen werden häufig als risikofrei geltende Staatsanleihen und mit einem Ausfallrisiko behaftete Unternehmensanleihen herangezogen. Durch die Beobachtung der Spreads können Anleger einschätzen, we es um die Risikobereitschaft auf den Finanzmärkten bestellt ist. So lassen sich auch Stresspunkte zu erkennen, die häufig Wendepunkten an den Aktienmärkten vorausgehen.

Lance Roberts zeigt die jährliche Veränderungsrate des S&P 500 Index im Vergleich zur Renditespanne zwischen dem Moody's Baa Corporate Bond Index (mit einem moderaten Kreditrisiko behaftete Anleihen) und der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen. Steigende Renditespannen gehen mit niedrigeren Jahresrenditen auf dem Aktienmarkt einher.

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Ein Spread zwischen der Rendite von „Junk“-Unternehmensanleihen (BB), die oft als „High Yield“ bezeichnet werden, und dem „risikofreien“ Zinssatz von US-Staatsanleihen zeigt, dass hohe Spreads zeitnah mit Einbrüchen bei Aktien zusammengehen. Niedrige Spreads haben nicht dieselbe sichere Aussagekraft. Dies greife ich weiter unten nochmals auf.

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Beim Kauf von Anleihen mit hohem Ausfallrisiko (auch „Junk Bonds“ genannt) wird eine Prämie für das eingegangene Risiko im Vergleich zum „risikolosen“ Zinssatz von US-Staatsanleihen verlangt. Ist der Spread gering, zeigt das, dass Anleger tendenziell auf die „Risikoprämie“ verzichten. Sie sind dann Risiko-orientiert oder auch sorglos, was oft dasselbe ist.

Ein weiterer Aspekt: Die wichtigste Triebkraft für die Preisentwicklung von notleidenden Anleihen („disstressed Bonds“) ist die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn das BIP und andere wichtige Wirtschaftsindikatoren ansteigen, sinkt das Risiko, dass diese Anleihen ausfallen. Das führt dazu, dass die Anleger diese Anleihen besitzen wollen, um saftige Renditen im Zehner-Prozentbereich zu erzielen. Natürlich treibt die erhöhte Nachfrage nach diesen Anleihen ihre Preise in die Höhe.

Die Entwicklung der Kurse dieser Anleihen seit der Zinssenkung der Fed Mitte September beinhaltet also die Erwartung einer weiter robusten Wirtschaft (Chartquelle).

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Während sich die 10yr-TNotes seit der Zinssenkung der Fed mit rund –4% schwach entwickelt haben (im Verein mit anderen Anleiheformen) haben die Kurse der notleidenden Anleihen 4% zugelegt. Sogar Junk-Bonds kamen auf ein Minus von einem Prozent.

Als Kontraindikator eingesetzt, kann man die Hypothese vertreten, dass die so positive Entwicklung bei notleidenden Anleihen übertrieben ist und abgehobenen Leichtsinn widerspiegelt. Das ist noch nie gut ausgegangen.

Tom McClellan befasst sich mit einem weiteren Aspekt der Bond-Landschaft: Es sollte nicht überraschen, dass Unternehmensanleihen geringerer Qualität eine höhere Rendite abwerfen als solche bester Qualität. Die Anleger zahlen für bessere Qualität einen Aufschlag, was die Renditen von Investment-Grade-Unternehmensanleihen nach unten drückt. Anleihen geringerer Qualität müssen höhere Renditen bieten, um Investoren anzuziehen.

Das folgende Diagramm zeigt einen Vergleich zwischen den durchschnittlichen Renditen von Anleihen, die von Moody's mit Aaa (Investment Grade) eingestuft werden, und denen, die Moody's mit Baa einstuft, weil sie mit einem moderaten Kreditrisiko behaftet sind. Die Renditen dieser beiden Anleihetypen bewegen sich gemeinsam nach oben und unten, weil sich die Nachfrage nach Krediten auf Anleihen aller Art auswirkt.

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Der „Credit Spread“ misst den Unterschied zwischen den Renditen hochwertiger und weniger hochwertiger Anleihen. Er schwankt in der Regel im Laufe der Zeit, je nach Liquiditätsbedingungen und anderen Angebots-/Nachfragefaktoren. Das folgende Schaubild zeigt diese Spanne.

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Im Chart wird die Spanne als rohe prozentuale Differenz zwischen den Renditen von Aaa und Baa dargestellt. Das unterstellt, dass der Unterschied zwischen 10% und 11% dem zwischen 4% und 5% Rendite gleich ist. Das ist zweifellos problematisch. [Vermutlich sollte man den Spread in Abhängigkeit von der absoluten Höhe der Zinssätze gewichten.] Die Wahl der Darstellung als Spanne zwischen der niedrigeren Rendite von Aaa und der höheren Rendite von Baa führt zu negativen Werten, was hilfreich ist, weil sich dadurch eine visuell einleuchtende Beziehung zur Entwicklung der Aktienkurse ergibt.

Aktuell ist die Differenz im historischen Vergleich ziemlich gering. Anders ausgedrückt: Die Anleger scheinen derzeit ziemlich zufrieden, bzw. sorglos zu sein, sie scheinen das Risiko von Anleihen geringerer Qualität nur geringfügig höher einzuschätzen als das der mit Aaa gerateten Gegenstücke.

Die erhöhte Zuversicht oder Sorglosigkeit kann ein Zeichen für ein Kurshoch am Aktienmarkt sein, muss aber nicht. Manchmal sind sie erstaunliche Indikatoren für Kursspitzen am Aktienmarkt, so McClellan. Zu anderen Zeiten scheinen sie keine Rolle zu spielen. Ein enger Kreditspread bedeutet, dass die Anleger sehr selbstzufrieden sind, aber das muss nicht gleich zu einem bedeutenden Rückgang der Aktienkurse führen.

Wirklich große Spreads (stark negative Werte) sind jedoch ein zuverlässiges Zeichen für einen Tiefpunkt der Aktienkurse. Ein großer Spread bedeutet, dass es große Liquiditätsprobleme gibt, die nicht nur Unternehmensanleihen, sondern auch Aktien betreffen. Wenn die Liquidität knapp wird, kann die Bewegung dieses Spread-Indikators schnell von „gering“ zu „schmerzhaft“ gehen. Umgekehrt kann es auch in umgekehrter Richtung schnell gehen, wenn die Liquidität wiederhergestellt ist.

Festzuhalten ist aus meiner Sicht: Kreditspreads sind ein zuverlässiger Indikator für die Stimmung an den Finanzmärkten. Aber nicht immer haben Stimmungs-Extreme eine hohe Prognose-Qualität für Extrempunkte bei Aktien.

Geringe Spreads zeugen von Zuversicht hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Daher wird das Ausfall-Risiko als gering eingestuft. Die spannende Frage ist, wie es zu dieser Zuversicht kommt. Ist sie entstanden aufgrund einer fundierten makroökonomischen Analyse? Dann dürfte der Aussagewert geringer Spreads in Bezug auf ein unmittelbar bevorstehendes Topp bei Aktien gering sein. Liegt der Grund der Zuversicht aber eher in einer wenig fundierten Herdentrieb-ähnlichen Sorglosigkeit, dann ist der Prognosewert geringer Spreads hoch.

Große Spreads waren hingegen in der Vergangenheit stets ein zuverlässiger Indikator, dass der Boden bei Aktien nahe ist. Die Akteure an den Finanzmärkten sind spätestens seit Greenspan darauf konditioniert, dass die Fed dann an der Geldspritze steht, um eine größere Pleitewelle zu verhindern. Mit dieser Politik wird aber auch die „schöpferische Zerstörung“ (Schumpeter) verhindert, es bilden sich zunehmend Zombie-Unternehmen heraus, die beim nächsten Abschwung wiederum gerettet werden müssen, weil sie „too big to fail“ sind – zu groß, um sie scheitern zu lassen.

Im folgenden Chart zeige ich abschließend den Zusammenhang zwischen der Auswertung der Rendite von Junk-Bonds [Spread zu Referenz-Rendite] und dem Verlauf des S&P 500. Das ausgewertete Ergebnis wird assoziiert mit der Risikoneigung – ein hoher Wert entspricht einer geringen Risikobereitschaft (und umgekehrt). Auch hier zeigt sich, dass sich Tiefs bei Aktien zuverlässig mit abnehmender Risikoneigung ankündigen. Bei steigender, bzw. hoher Risikoneigung ist der Zusammenhang mit Topps beim S&P 500 nicht immer so ausgeprägt. Der Chart wird täglich auf der Startseite aktualisiert.

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Stand heute ist festzustellen, dass die Kredit-Spreads insgesamt gering sind. Ihre Aussage ist „Zuversicht“, wodurch auch immer sie zustande gekommen ist. Aus meiner Sicht ist diese Zuversicht durch harte makroökonomische Fakten nicht gut untermauert. Aber die Börse ist kein Ökonomen-Kongress und so lässt sich aus dieser Sicht nur ableiten, dass ein (zeitweiliges…) Topp bei Aktien nicht mehr allzu weit weg ist. Gegenwärtig sind die Erwartungen an „Trump“ hoch, dass die Wirtschaft einen weiteren Schluck aus der Pulle nimmt. Hinzu kommt, praktisch als „Dauerbrenner“, die mit „KI“ verbundene Hoffnung auf unmittelbar anstehende, deutliche und lang anhaltende Produktivitätssteigerungen.

Aus meiner Sicht ist die Wahrscheinlichkeit von Enttäuschungen dabei aktuell deutlich höher als die Erfüllung von Wunschträumen.

Ergänzung
Jared Dillian: Wie ich Sentiment verwende. Meine Vorgehensweise unterscheidet sich stark von der anderer Leute. Ich betreibe qualitative Forschung, die durch technische Daten unterstützt wird. Die große Mehrheit der Menschen in diesem Spiel versucht, die Finanzwelt zu quantifizieren. Aber das Finanzwesen widersetzt sich allen Versuchen der Quantifizierung. Ja, das ist sogar heute noch so – sonst hätten wir vollkommen effiziente Märkte.

Ich bin der Meinung, dass Fundamentaldaten selten funktionieren. Manchmal, ja. Aber selten. Die Stimmung hat einen höheren Vorhersagewert als Fundamentaldaten oder technische Daten allein, wenn es darum geht, große langfristige Trends aufzudecken.

Die größten Chancen liegen in den Extremen der Stimmung – sie zu erkennen und mit ihnen zu handeln ist meine Aufgabe. Wenn Sie denken, dass das wie Voodoo klingt… nun, ehrlich gesagt, ist es das auch irgendwie. Aber im Finanzwesen funktioniert Voodoo.

Wie Sie die Stimmung als Investitionsgrundlage nutzen können:
Beobachten Sie soziale Medien: Ich gebe lieber meinen Bloomberg- als meinen Twitter-Account auf.
Nehmen Sie den Hörer in die Hand und sprechen Sie mit den Leuten
Hören Sie sich an, worüber andere Menschen sprechen (z. B. der Uber-Fahrer-Indikator)
Protokollieren Sie, was The Economist, Barron's usw. sagen (der Indikator für die Titelseite von Zeitschriften)

Wenn Sie eine stimmungsorientierte Idee haben, schauen Sie, was die Charts sagen (Charts spiegeln Emotionen wider). Natürlich gibt es noch viel mehr zu beachten, und es gibt eine lange Liste von Dingen, die man nicht tun sollte, aber das ist ein guter Einstieg in die allgemeine Stimmungsanalyse. So weit die Meinung von Dillian.

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