Ray Dalio, der Gründer von Bridgewater, hat vor wenigen Tagen einen Artikel samt Video-Vortrag veröffentlicht, in dem er darstellt, was mit der Präsidentschaft von Trump wirtschaftlich und politisch zu erwarten ist. Dalio legt Wert auf das große, umfassende Bild.
In „What’s Coming: The Changing Domestic and World Orders Under the Trump Administration“ stellt Dalio das in den Kontext eines großen Zyklus. Dieser große Zyklus entwickelt sich immer wieder ähnlich, aber keiner gleicht an der Oberfläche dem anderen. Trump und seine Politik sind aus dieser Sicht Erscheinungen, keine autonom den Ablauf der Geschichte bestimmenden Faktoren.
Dalio sieht mit einer Trump-geführten Regierung innenpolitisch weitreichende Reformen kommen, die auf Effizienz, Deregulierung und nationalistische Prioritäten abzielen. Auf internationaler Ebene verlagert sich der Schwerpunkt auf eine „America First“-Agenda, die durch einen wirtschaftlichen und geopolitischen Wettbewerb mit China und eine Abkehr von der globalen Ordnung der Nachkriegszeit gekennzeichnet ist.
Nach Dalio ist die heutige Situation den 1930er Jahren „leider“ sehr ähnlich mit Auswirkungen auf globale Allianzen, nationale Prioritäten und Anlegerstrategien. Er verweist auf das Potenzial für eine kurzfristige Stimulierung der Märkte, warnt aber vor den Herausforderungen, die mit Nationalismus, Protektionismus und globaler Fragmentierung verbunden sind.
Im Inneren ist nach Dalio im Einzelnen zu erwarten, dass es innerhalb der Regierung tief greifende Strukturreformen zur Steigerung der Effizienz, zum Abbau von Vorschriften und zur Senkung der Kosten gibt. Er zieht den Vergleich zu einer unfreundlichen Firmen-Übernahme. Industriepolitik, die Produktivität und Effizienz, hat gegenüber sozialen Fragen wie Umweltschutz und Gerechtigkeit Priorität. Deregulierungen betreffen Unternehmen insbesondere in den Bereichen Technologie, künstliche Intelligenz und in Branchen, die von Zöllen oder Umweltmaßnahmen betroffen sind. Die Produktion z.B. von Halbleitern wird zurückgeholt, die Abhängigkeit vom Ausland verringert. Es wird zu einer radikalen Umstrukturierung des Gesundheitssystems kommen. Im Finanzbereich wird es ebenfalls zu Deregulierungen kommen, die Fed steht unter Druck, stimulierende geldpolitische Maßnahmen zu ergreifen.
Auf der Ebene der Geopolitik treibt die „America First"-Agenda neue Bündnisse voran, China gilt dabei als Hauptgegner. Es wird laut Dalio eine Abkehr vom Multilateralismus geben mit einem Übergang von einer globalen, regelbasierten Ordnung [!] zu einem fragmentierten, interessengesteuerten Modell. Chancen werden gesucht in bündnisfreien, finanzstarken und geopolitisch stabilen Ländern des globalen Südens. Über Zölle und Handelspolitik wird darauf abgezielt, die heimische Industrie zu schützen und gleichzeitig Einnahmen zu erzielen.
Was Makrotrends abgeht, so sieht Dalio Branchen Technologie, Verteidigung und Energie als Gewinner, weil es hier zu den größten deregulatorischen Auswirkungen kommt. Durch einen möglichen Anstieg der Staatsausgaben für strategische Industrien und Infrastruktur könnte Inflationsdruck aufkommen. Politisch bedingte Volatilität dürfte es insbesondere in den Bereichen Technologie, Gesundheitswesen und regulierten Sektoren geben. Neu ausgerichtete globale Partnerschaften haben Auswirkungen auf multinationale Unternehmen und den internationalen Handel.
Dalio hebt den Globalen Süden (Entwicklungsländer, die etwa 85 % der Weltbevölkerung ausmachen) als einen zunehmend wichtigen Akteur in der sich verändernden Weltordnung hervor. Der Globale Süden ist weniger geneigt, sich der von den USA geführten „America First“-Agenda anzuschließen. Diese Länder sind wirtschaftlich stärker an China gebunden, das als geschickter bei der Ausübung von Soft Power und der Förderung von Wirtschaftsbeziehungen gilt. Blockfreie, finanzstarke Länder mit einer stabilen inneren Ordnung und produktiven Kapitalmärkten werden von der neuen globalen Dynamik in einer fragmentierten Welt geschäftlich und geopolitisch profitieren.
Die abnehmende Rolle der USA als Führungsmacht in der Weltordnung schafft Raum für den Globalen Süden, seinen eigenen Weg zu gehen. Mit seiner wachsenden Wirtschaftskraft und seinem Einfluss ist China in einer stärkeren Position als die USA, um Verbündete in dieser Region zu gewinnen.
Dalio sieht durch alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungsetappen hindurch große Zyklen, die, durch fünf große Kräfte angetrieben, die Weltordnung verändern.
1) Polarisierung innerhalb von Ländern mit der harten Rechten auf der einen und der harten Linken auf der anderen Seite. Die Gefahr von Bürgerkriegen wächst.
2) Zunehmende Konflikte zwischen den Ländern, in denen sich Großmächte und deren kleinere Verbündete in kalten und heißen Kriegen neu ausrichten.
3) Der klassische Zyklus einer großen Schuldenblase und -pleite, der sich seinem späten und turbulenteren Stadium nähert.
4) Zunehmende Naturkatastrophen (?).
5) Aufkommen einflussreicher neuer Technologien.
Nach Dalio hat sich das alles zuvor schon viele Male aus den gleichen Gründen zusammen entwickelt, wobei kein solcher großer Zyklus genau gleich abläuft. Das, was jetzt passiert, ist die zeitgenössische Version.
Weitere Aspekte
Die Ausnahmestellung der USA – die Wirtschaftsleistung war stark, aber die Vermögensentwicklung war außergewöhnlich. Zur Außergewöhnlichkeit haben beigetragen: Großer Inlandsmarkt, gesetzliche Vorschriften und eine tiefe Kapitalmarktstruktur ermöglichen Größenvorteile. Eine vielfältige Bevölkerung begünstigt Innovationen. Die Politik reagiert vergleichsweise schnell. Im großen Rahmen sinken Zinssätze und Steuern seit 2009.
Allerdings gibt es jetzt Herausforderungen für den Bestand der Ausnahmestellung: Die Bewertungen haben sich über die Fundamentaldaten hinaus entwickelt. Es bestehen hohe Erwartungen an das künftige Gewinnwachstum. Die Unternehmen müssen ihre Wachstumserwartungen verdoppeln, um die derzeit hohen Bewertungen zu rechtfertigen. Es ist unwahrscheinlich, dass das gelingt. Zudem könnte sich die Dollarstärke umkehren. Die hohen Staatsdefizite, die hohe Staatsverschuldung, die steigenden Kosten der Finanzierung der Schulden und steigende Kosten aus sozialen Ansprüchen (Sozialleistungen, Renten, Pensionen) sind eine Herausforderung.
Die KI-Revolution befindet sich wahrscheinlich noch in der Anfangsphase und birgt das Potenzial für erhebliche Produktivitätssteigerungen in allen Sektoren. Als Probleme lassen sich benennen: Regulatorische Risiken und möglicher internationaler Widerstand, Notwendigkeit für Unternehmen, KI-Tools anzupassen und zu individualisieren, Talentknappheit für die KI-Implementierung. KI-Investitionen werden dort als besonders lohnend angesehen, wo Unternehmen in der Lage sind, KI effektiv zu nutzen. Auch die Unternehmen sind interessant, die KI für bestimmte Branchen adaptieren.
Chinas Wachstumsrate ist von 10,4% (2000-2010) auf 4,7% (2020-2023) gesunken. Zur Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft hat beitragen die gedämpfte Erholung nach der COVID-Krise, demographische Verschiebungen (alternde Bevölkerung), politisch bedingte Verlagerung auf qualitatives statt quantitatives Wachstum, strukturelles Deleveraging, insbesondere im Immobilienbereich, zunehmende geopolitische Spannungen. Deflationäre Risiken bestehen, die Verschuldung ist ein großes Problem. China steht vor zyklischen und strukturellen wirtschaftlichen Herausforderungen – siehe auch hier!.
Als Schlussfolgerung sollten Investoren den US-Exzeptionalismus und potenzielle Verschiebungen in den globalen Kapitalströmen genau beobachten. Sie sollten die Entwicklung der künstlichen Intelligenz verfolgen und die Unternehmen identifizieren, die am besten positioniert sind, um diese Technologie zu nutzen. Des weiteren sollte der wirtschaftliche Wandel in China und die politischen Aktivitäten dort genau verfolgt werden.
Bridgewater ist einer der weltweit größten Hedge-Fonds mit einem verwalteten Vermögen von über 150 Mrd. Dollar (Stand 2022). Sein Gründer Ray Dalio gilt als einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Investoren seiner Generation. Bridgewater ist bekannt für seinen systematischen, datengesteuerten Investmentansatz und seinen Fokus auf makroökonomische Analysen. Neben Greg Jensen, der als Co-CIO ernannt wurde, sind weitere Schlüsselfiguren bei Bridgewater Bob Prince, der Co-CIO, und David McCormick, der frühere CEO.
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