Wenige Tage vor der Wahl zur US-Präsidentschaft und der gleich folgenden FOMC-Sitzung der Fed zeigt sich der S&P 500 demütig. Er verliert auf Wochensicht 1,4%. NDX und Nasdaq Composite schwächer mit –1,6%, bzw. –1,5%. Der Dow knapp behauptet mit –0,1%. Der DAX büßt weitere 1,1% ein. Die Ölpreise fallen wieder: Brent –4,0%, WTI –3,2%. Auch der CRB-Rohstoffindex verliert im Wochenvergleich 1,8%. Gold (in Dollar) leichter mit –0,4%, Silber schwach mit –3,3%.
Die US-Renditen zeigen sich auf Wochensicht bei längeren Laufzeiten fest. Die der 10yr-TNotes steigt um 3,6%, die der 2yr-TNotes ebenfalls +2,5%, die der 13wk-TBills verliert 2,5%. Euro/Dollar steigt um 0,4%. Das Währungspaar Dollar/Yen +0,5%, Euro/Yen +0,8%.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt auf Wochensicht um 1,7%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index (DJT), gewinnt 1,5%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, verliert 4,1% und hält zum Wochenschluss gerade die Marke von 5000.
Der Rendite-Spread am langen Ende fällt im positiven Bereich weiter. Die Inversion der Zinsstruktur über das gesamte Spektrum endet, der Spread ist jetzt mit 0,07% leicht positiv. Der negative Spread zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR nimmt weiter ab. Die Erwartungen hinsichtlich einer Leitzins-Senkung scheinen auf mittlere Sicht nur noch zwei kleine Zinsschnitte zu sehen. Wenn sich die Zinsstruktur nach längerer Inversion zu normalisieren beginnt, war das in der Vergangenheit stets ein Zeichen für eine heraufziehende Rezession.
Gemischte Nachrichten von der Inflationsfront: Der Preisindex für die persönlichen Konsumausgaben zeigt eine „Headline“-Inflation im September bei 2,1%. Der Nahrungsmittel und Energie ausschließende PCE-Kernpreis-Index stieg jedoch im September gegenüber dem Vormonat weiter an und verzeichnet im Jahresvergleich einen Zuwachs von 2,7%. Die Verbraucherausgaben sind mit +5,3% im Jahresvergleich weiterhin robust, die verfügbaren Einkommen steigen im gleichen Ausmaß (nominale Werte).
Die US-Wirtschaft ist im dritten Quartal um 2,8% gewachsen, was im wesentlichen auf eine Kombination von Verbraucher- und Staatsausgaben zurückzuführen ist. Die Zahl der neuen Arbeitsplätze (nonfarm) ist im Oktober nur marginal angestiegen, die Zahlen für die beiden Vormonate wurden nach unten korrigiert. Die Zahl der Regierungsjobs ist hingegen um 40.000 angestiegen. Die schwache Entwicklung wird auf die beiden jüngsten Wirbelstürme und den Streik bei Boeing zurückgeführt. Die Arbeitslosenquote verharrt bei 4,1%.
Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe sinkt im Oktober mit 46,50 im Kontraktionsbereich weiter ab, der Subindex für die Preise steigt hingegen deutlich an und befindet sich jetzt in Expansion (über der Schwelle von 50). Das jüngste Tief des ISM-Index stammt mit 46,0 aus dem Juni 2023.
Aus meiner Sicht stellt sich die Lage der US-Wirtschaft anemisch dar. Die kurzfristige Tendenz bei den Fundamentalindikatoren ist positiv, der längerfristige Trend ist jedoch flach. Die Stimmung ist leicht kontraktiv, die Finanzlage unterstützt eine Expansion übergeordnet eher nicht.
Allmählich zeichnen sich Divergenzen ab, die Verschiebungen im Konjunkturverlauf signalisieren könnten. Ein Beispiel ist das Verbrauchervertrauen für Oktober, das einen zunehmenden Optimismus auf dem Arbeitsmarkt erkennen lässt. Tatsächlich stieg das Vertrauen im Oktober auf 108,7 und verzeichnete damit den stärksten monatlichen Anstieg seit März 2021. Gleichzeitig zeigt der jüngste JOLTS-Bericht aber, dass die Zahl der offenen Stellen deutlich gesunken ist, die Zahl der Kündigungen ist gleich geblieben und die Zahl der Entlassungen ist leicht gestiegen.
Dann: Die Fed hat die Zinsen im September um 50 Basispunkte gesenkt, aber die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen ist seit dem Tiefpunkt im September beständig angestiegen. Der Aktienmarkt steigt unbeirrt von Risiken und Unsicherheiten weiter. Irgendwann dürften sich die kleinen Divergenzen zu größeren ausweiten und einen Rückschlag oder eine Korrektur auslösen.
Schließlich auch: Die Inflation hält sich wacker im von der Fed besonders beachteten Kernpreis-Index. Und die jüngste ISM-Erhebung zeigt deutliche Auftriebstendenzen bei den Herstellerpreisen. Siehe auch hier!
Von Bedeutung ist auch, dass Meta und Microsoft im Rahmen ihrer Quartalsberichte sagen, die Investitionen in KI bräuchten länger, bis sie Erträge abwerfen, als zuvor gedacht. Dies war zu erwarten und dürfte Luft aus dem KI-Hype lassen, der bisher wesentlichen Anteil am Bull-Run bei Aktien hatte. Dieser Bull-Run ist nun genau ein Jahr alt. KI-Darling Nvidia meldet in drei Wochen Quartalszahlen.
US-Präsidentschaftswahl: Die Schulden sind für keinen der Kandidaten ein Thema. Sie reden lieber über Themen, von denen sie glauben, dass diese ihre Wähler motivieren werden. Aber die bleiben blauer Dunst, wenn man die Schulden nicht in den Griff bekommt. Das Finanzamt wird Steuern eintreiben, das Finanzministerium gibt einen immer größeren Teil davon gleich wieder als Zinsen aus. 50 Bill. Dollar Schulden Anfang der 2030-Jahre bei 4% Zinsen? Das macht 2 Bill. Dollar. Woanders ist es auch nicht (viel) besser.
Was eine Belastung für den Staatshaushalt ist, ist ein gutes Geschäft für die Kreditgeber. Erst recht, wenn man an den Zinseszins-Effekt denkt. Hätte man vor 2000 Jahren einen Cent zu 5% angelegt und die Zinserträge auf dem Sparkonto belassen – heute könnte man über ein Guthaben von 23.900.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Euro verfügen. Ohne Zinseszinseffekt wären es 1 Euro.
US-Präsidentschaftswahl: Nach offiziellen Prognosen ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Legt man die Ergebnisse von Wetten zugrunde, führt Trump. Gelegentlich wird vom „Trump-Trade“ gesprochen, der sich mit der Erwartung einer besonders lockeren Geldpolitik und höherer Verschuldung in steigenden Zinsen zeigt.
Wenn sich darin der Trump-Trade widerspiegelt, so sehe ich ihn mit Blick auf den folgenden Chart der Rendite der 10yr-TNotes jetzt zunächst auslaufen. Ein Effekt von „Buy the rumors, sell the news“? Man kauft auf ein Ziel hin, tritt es ein, wird verkauft.
Eine ähnliche Überlegung lässt sich auch für den S&P 500 anstellen. Ein markantes Schwächezeichen ist dabei eine Abwärtslücke, die von Mittwoch zu Donnerstag zwischen 5814 und 5778 gerissen wurde. Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 5728,80 geschlossen. Der Index notiert knapp über der EMA50 (aktuell noch leicht steigend bei 5708). Er läuft unter einer Aufwärtslinie aus Anfang August (rot). Am Freitag scheiterte der Versuch, in die benannte Abwärtslücke zumindest hineinzuhandeln (Chartquelle).
Auf der Unterseite liegt bei 5674 ein bedeutenderes Allzeithoch aus Mitte Juli. Darunter notiert bei 5586 das 38er Retracement des Aufwärtsimpulses aus Anfang August. Dann folgt bei knapp 5500 das 50er Retracement. Auf der Oberseite bleibt die Herausforderung für die Bullen, sich wieder über die genannte Aufwärtslinie, bzw. die Bärkeil-Formation zu erheben (s.u.).
Die Marktindikatoren notieren mit 43:43 per Saldo neutral. Das erhöhte Niveau weist auf interne Spannungen hin.. Der TQUAL-Indikator, gebildet aus RSI, Stochastik und MACD internationaler Aktienindices zeigt im bullischen Extrembereich mittlerweile eine Abwärts-Tendenz, die in Kürze bestätigt werden dürfte. Der Verlauf der Rendite von Ramsch-Anleihen zeigt weiterhin hohe Risikoneigung an, wenn auch etwas entfernt vom Rekordwert aus Anfang Oktober (der Wert vom zurückliegenden Freitag ist nicht enthalten).
Die Volumenverteilung im S&P 500 läuft in Distribution mit zunehmendem Verkaufsdruck. Die Auswertung von Einzelaspekten der Volumenseite unterstützt das Bild. Die Stimmungsindikatoren: Das Verhältnis SPX/VIX ist jetzt bärisch, das Put/Call-Verhältnis im Neutral-Bereich abnehmend bullisch. Der VIX, Angstmesser an Wall Street, notiert mit 21,88 über seiner EMA50 (18,96). Die wiederum verläuft über der EMA250. Das legt nahe, dass der S&P 500 besonders dem Einfluss des VIX unterliegt. Wenn die am Donnerstag gerissene Aufwärtslücke nicht zügig geschlossen wird, dürfte der VIX beschleunigt aufwärts tendieren und damit den S&P 500 belasten.
Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bei Aktien lineare Eigenschaften noch als knapp dominant an. Bärische Kursmuster nehmen zu, bullische überwiegen und nehmen ab. Das bullische Momentum schwindet. Nach all dem dürften die Bullen sich nun noch weiter zurückziehen. Die Prognose der TimePatternAnalysis für den S&P 500 zeigt sich zunächst eher volatil seitwärts. Das zuletzt hier ausgegebene Ziel von 5700 wurde erreicht.
Die Charts der zusammengefassten Marktindikatoren, der Auswertung der Rendite der Ramsch-Anleihen, sowie der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis und die Übersicht über die automatisch generierten Trading-Tipps werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.
Als Formation kann man einen sich seit Anfang August, bzw. seit Anfang September entwickelnden Aufwärtskeil in den Chart hineindeuten. Das wäre übergeordnet eine bärische Indikation. Dessen Unterseite (rote Linie) verläuft aktuell bei etwa 5920. Auch ohne eine solche Implikation (Abwärtspotenzial Richtung 5500) hat diese Linie eine wichtige Bedeutung. Sehr unwahrscheinlich, dass sie in nächster Zeit ernsthaft attackiert wird. Dazu müsste zunächst zügig die erwähnte Abwärtslücke überwunden werden.
Auf der Unterseite steht ein weiterer Test der EMA50 (5708) und des Hochs aus Mitte Juli bei 5674 an. Unter dem 38er Retracement des Aufwärtsimpulses aus Anfang August (5586) trübt sich das Bild im bullischen Sinne schnell ein.
Die „fraktalen Interna“ des S&P 500 legen eine ähnliche Konstellation wie Mitte Juli nahe. Damals ging es in zwei Etappen über drei Wochen um rund 500 Punkte nach unten. Ein Rückzug um 300 Punkte in Richtung 5600 (38er Retracement des Aufwärtsimpulses aus Anfang August) könnte es aktuell werden.
In der kommenden Woche ist in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch die Wahl zur US-Präsidentschaft und am Donnerstag Abend gibt die Fed das Ergebnis ihrer FOMC-Sitzung bekannt. Die „Märkte“ rechnen mit einem weiteren kleinen Zinsschnitt.
Wie am Chart der 10yr-TNotes und am Chart des S&P 500 zu sehen, haben die „Märkte“ auf die Wahl hingezockt. Ich halte es für recht wahrscheinlich, dass mit dem Ausgang der Wahl erst einmal Geld vom Tisch genommen wird. Im Falle, dass sich das Zünglein eher in Richtung Trump bewegt, dürfte die Reaktion vermutlich schwächer ausfallen als wenn Harris im Vorteil wäre. Abgesehen davon würde die Wahl bei einer knappen Entscheidung die Unsicherheit wohl zunächst nicht beseitigen. Folglich wäre dann mit einer längeren volatilen Phase zu rechnen.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Was andere Medien sagen vom 03.12.2024
- S&P 500 – die Bären, eine bedrohte Art vom 26.10.2024
- S&P 500 – der ewige Bull-Markt? vom 19.10.2024
Schreibe einen Kommentar