Ölpreise kollabieren

Der Preis für Rohöl der Sorte Brent fällt heute morgen um 5%. Er setzt damit die Schwäche der zurückliegenden Tage fort. Der Preis für die Sorte WTI stürzt im gleichen Ausmaß ab.

Reuters hatte am Vorabend berichtet, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe den USA versichert, dass Israel nur militärische Ziele im Iran angreifen will, nicht jedoch nukleare oder Öl betreffende. Daraufhin erreichte Brent im späten US-Handel einen Tiefstand von 74,86 Dollar.

Beobachter sagen, beim Rohöl würden die geopolitischen Risiken neu bewertet, die Energiehändler lösten ihre Absicherungen auf, die sie wegen der drohenden Beeinträchtigung der iranischen Öllieferungen aufgrund der Eskalation im Nah-Ost-Konflickt abgeschlossen hatten. Der Rohölpreis konnte sich im asiatischen Raum nicht erholen, es kam es zu einer Konsolidierung in einer engen Handelsspanne. Im frühen europäischen Handel wurden die Verkäufer wieder aktiv, als der Preis die US-Tiefststände durchbrach. Eine Mischung aus herausgenommenen Stopps und auf Momentum ausgerichteten Handels-Aktivitäten tat ein Übriges.

Die Nachfrageseite wirkt in die gleiche Richtung. Die OPEC gab schwächere Nachfrageprognosen heraus und Nachrichten aus der VR China waren nicht geeignet, das Ruder herumzureißen. Die chinesischen Exporte zeigten sich im September mit einem fünf-Momats-Tief überraschend schwach und die bekannt gewordenen Fiskalmaßnahmen werden offenbar als unzureichnend empfunden. Der Aktien-Index Shanghai Stock Exchange Composite (SSEC) büßt rund 2,5% ein. Die VR China ist auf dem Weltmarkt ein bedeutender Nachfrager von Rohöl. Eine kriselnde Wirtschaft dort wirkt da nicht stützend.

Auch die Währungsseite belastet den Ölpreis eher. Der Dollar-Index hat seit Ende September ausgehend von 100,40 etwas Stärke aufgebaut und notiert aktuell bei 103.

Der folgende Chart zeigt das Real-time-Bild von Rohöl der Sorte Brent in Dollar pro Barrel über die zurückliegenden Handelstage (Chartquelle).

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Mit aktuell unter 74 Dollar pro Barrel notiert der Preis auf dem 50er Retracement des Aufwärtsimpulses zwischen Ende April 2020 und Anfang März 2022 und zugleich an der Abwärtslinie vom jüngsten zyklischen Hoch aus. Die flach verlaufende EMA200 war vor einer Woche bei 80,60 Dollar getestet, aber nicht überwunden worden. Mit dem heutigen Kurssturz wurde auch die noch leicht steigende EMA50 bei 76,70 Dollar durchbrochen. (Der Chart endet mit dem gestrigen Schlusskurs.)

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Das jüngste zyklische Schlusskurs-Tief wurde Anfang September bei 69,70 Dollar markiert. Kurzfristig dürfte weiteres Abwärtspotenzial bis dort hin bestehen. Wird das „kassiert“, stünde das 62er-Retracement des oben erwähnten Aufwärtsimpulses bei 61 Dollar im Fokus. Gut möglich, dass in den kommenden zwei Wochen die Abwärtsseite weiter dominiert.

Netanjahu hat den Demokraten mit seinem Kommentar (s.o.) Wahlkampfhilfe um die US-Präsidentschaft geleistet – die Wahl wird zum Teil an der Zapfsäule entschieden. Fragt sich nur, wie lange dieser „Gefallen“ in den Augen der Rohstoffhändler anhält – möglicherweise nicht allzu lang. Netanjahu macht aus seiner Präferenz für Trump keinen Hehl und die geopolitische Lage ist fragil, nicht zuletzt auch über die Verbindung Russland-Iran. Andererseits ist die arabische Welt uneins, was Israel und den USA Spielraum für ihre Pläne gibt, dem Iran zumindest einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Der wird jedoch vermutlich erst erfolgen, wenn die US-Wahl Anfang November gelaufen ist. Dabei ist es relativ unerheblich, wer als Sieger hervorgeht, weil sich beide Lager in dieser Richtung nicht wesentlich unterscheiden.

Nachtrag
(28.10.24) Die Ölpreise stürzen erneut ab. Der über das Wochenende erfolgte Luftangriff Israels auf den Iran hielt sich genau an die Ankündigung (und die US-Vorgabe), keine Öl- und Atom-Anlagen zu bombardieren.

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