Gestern begann in den USA die Saison der Unternehmensberichte für das dritte Quartal. JPMorgan und Wells Fargo überraschten positiv, der S&P-Banken-Subindex stieg um 4,2%. Das war der größte Tagesgewinn seit Mai 2023, nachem die Banken-Krise vom März 2023 abgehakt war.
Die Anleger scheinen davon überzeugt, dass die Zinssenkung der Fed im zurückliegenden Monat präventiv und nicht als Reaktion auf eine Verschlechterung der Wirtschaft oder des Arbeitsmarktes erfolgte. Diese Position wurde durch den jüngsten monatlichen Arbeitsmarkt-Bericht gestützt. Die in der zurückliegenden Woche veröffentlichten Inflationsdaten für September kamen leicht über den Erwartungen herein. Es fällt auf, dass sich der Fokus in den Reden von Fed-Offiziellen von der Bekämpfung der Inflation auf den Arbeitsmarkt verlagert.
Der S&P 500 steigt auf Wochensicht weiter – um 1,1%. NDX und Nasdaq Composite ebenfalls fester mit 1,2%, bzw. 1,1%. Der Dow gewinnt 1,2%. Der DAX steigt um 1,3%. Beim S&P 500 und beim Dow gab es im Laufe der Woche erneut neue Allzeithochs. Die Ölpreise steigen, Brent und WTI um 1,2%, bzw. 1,5%. Der CRB-Rohstoffindex im Wochenvergleich knapp behauptet mit –0,2%. Gold (in Dollar) gut behauptet mit +0,2%, Silber verliert 2,0%.
Die US-Renditen steigen auf Wochensicht über alle Laufzeiten weiter an. Die der 10yr-TNotes gewinnt 3,6%, die der 2yr-TNotes steigt um 1,0%, die der 13wk-TBills gut behauptet mit +0,1%. Euro/Dollar sinkt um weitere 0,4%. Das Währungspaar Dollar/Yen gut behauptet, Euro/Yen unverändert.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt auf Wochensicht um 3,5%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index (DJT), steigt um 2,7%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex (SOX), legt 2,5% zu und markiert mit 5336 ein mehr-Wochen-Hoch. Das Allzeithoch stammt von Mitte Juli (5905). [Korrektur]
Der Rendite-Spread am langen Ende steigt im positiven Bereich an. Die Inversion der Zinsstruktur über das gesamte Spektrum geht weiter zurück auf –0,22%. Der negative Spread zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR geht leicht weiter zurück. Die Erwartungen hinsichtlich einer Leitzins-Senkung scheinen auf mittlere Sicht nur noch drei bis vier kleine Zinsschnitte zu sehen. Ich habe es schon mehrfach erwähnt: Wenn sich die Zinsstruktur nach einer längeren Phase einer Inversion zu normalisieren beginnt, war das in der Vergangenheit stets ein Zeichen, dass eine Rezession aufzieht.
Der „Makro-Optimismus“ drückt sich in soliden Kursgewinnen im Dow Jones Transport Index sowie im Halbleiterindex mit einem mehr-Wochen-Hoch [Korrektur] aus. Er wird auch unterfüttert mit den Maßnahmen in der VR China. Diese werden zwar gegenwärtig als insgesamt unzureichend angesehen. Die Hoffnung ist aber erstens, dass weitere folgen werden und zweitens sieht man sie als Teil einer globalen Schaffung von frischer Liquidität, angeführt von der Fed. Die VR China ist nach wie vor ein wichtiger Faktor in der Weltwirtschaft. Zudem wird allgemein erzählt, die Wirtschaft lasse die Covid-Störungen hinter sich und kehre zur Normalität zurück. Damit würden auch lange Zeitreihen wieder verlässlicher.
Und dann sind da noch die zuletzt aufgetretenen Stürme v.a. in Florida, mit denen manche die Erwartung neuer Nachfrage verbinden. Dabei hatte Frédéric Bastiat damit schon 1850 anhand des Beispiels eines zerbrochenen Fensters aufgeräumt. Natürlich wird viel Geld für Reparaturen und Wiederaufbau ausgegeben und somit werden auch Arbeitsplätze geschaffen. Aber der Wiederaufbau zerstörter Häuser ist kein Wachstum, es wird lediglich ein verlorener Vermögenswert ersetzt – und das mit erheblichen Kosten. Entscheidend ist, wofür all diese Mittel sonst hätten produktiv verwendet werden können.
Die Marktteilnehmer werden sich in den kommenden Wochen auf die Gewinnberichte für das dritte Quartal und die Prognosen für das vierte Quartal konzentrieren. Für die Unternehmen im S&P 500 wird im dritten Quartal eine Steigerung der Profite um 4,9% gegenüber dem Vorjahr erwartet.
Die Krise der US-Defizitausgaben hält an: Der CBO-Bericht vom zurückliegenden Dienstag zeigt, dass das US-Defizit im Fiskaljahr 2024 (September) auf 1,8 Bill. Dollar gestiegen ist, was 6,4% des BIP entspricht – das größte Defizit seit 2021. Das sind 139 Mrd. Dollar mehr als das Defizit in 2023 und fast 400 Mrd. Dollar mehr als in 2022. Die Staatsausgaben stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 10% auf 6,8 Bill. Dollar. Zu den größten Ausgaben zählten die Sozialversicherung (1,5 Bill. Dollar), Zinszahlungen für Schulden (950 Mrd. Dollar), Medicare (869 Mrd. Dollar) und „Verteidigungs“-Ausgaben (826 Mrd.Dollar). Die Bundesverschuldung stieg im vergangenen Jahr um 2,2 Bill. Dollar an und erreichte mit 35,7 Bill. Dollar ein Allzeithoch.
Und – Dauerthema Inflation: In der Headline-CPI-Inflation ist der Sub-Index für Lebensmittel im Monatsvergleich um 0,4% angestiegen. Die Kerninflation ist zum ersten Mal seit März 2023, also seit 18 Monaten wieder gestiegen. Die PPI-Gesamtinflation steigt wieder an, der erste Anstieg seit Juni. Die PPI-Inflationszahlen des Vormonats wurden nach oben korrigiert. Die PPI-Kerninflation ist nun in zwei aufeinander folgenden Monaten gestiegen. Der Kern-PPI-Wert des Vormonats wurde ebenfalls nach oben korrigiert. Auf Sicht von sechs Monaten hat der Kern-PPI um 3.4% zugelegt.
Und auch das, die Super-Kerninflation. Ende 2022 wies Fed-Chef Powell auf die so genannte Superkerninflation (Kerninflation bei Dienstleistungen, ohne Wohnungsbau) als möglicherweise „wichtigste Kategorie für das Verständnis der künftigen Entwicklung der Kerninflation“ hin. Die Superkerninflation kletterte im September von 4,3% auf 4,4%.
Wie reagieren die Renditen darauf? Seit der Senkung des Leitzinses um 50 Basispunkte durch die Fed ist die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen von 3,6% auf 4,1% gestiegen – nicht gesunken. Die Rendite der 2-jährigen Anleihe ist seit dem 18. September um mehr als ein halbes Prozent angestiegen.
Die Renditen 10-jähriger und zweijähriger Staatsanleihen sowie die Inflationsdaten tendieren nach oben. Der Chart zeigt die 10yr-Rendite (Chartquelle). Hat die Fed wirklich recht, indem sie den Sieg über die Inflation ausruft?
Ich denke, die CPI-Inflation wird noch ein, zwei Monate gedrückt bleiben (bis zur Wahl des US-Präsidenten) und dann wieder ansteigen. Die Treiber sind mannigfach – Kriegswirtschaft, übermäßige Verschuldung, Deglobalisierung, Dekarbonisierung der Energieerzeugung („Greenflation"), Abwertung des Dollar.
Allgemein wird erwartet, dass die Zinssätze in Zukunft weiter steigen werden, was vom Wirtschaftswachstum und der Entwicklung der Staatsverschuldung abhängt. Die jüngsten Maßnahmen der Federal Reserve zur Senkung der kurzfristigen Zinssätze stehen im Gegensatz zu den Erwartungen der Anleger hinsichtlich höherer langfristiger Zinssätze, die auch von der potenziellen Finanzpolitik der Präsidentschaftskandidaten beeinflusst werden.
Es wird damit gerechnet, dass Banken wie JPMorgan Chase, Bank of America und Citigroup in der nächsten Woche im Anschluss an ihre vierteljährlichen Gewinnberichte Anleihen im Wert von 20 bis 24 Mrd. Dollar begeben werden. Der Anstieg wird wahrscheinlich durch extrem niedrige Kreditspreads und eine robuste Anlegernachfrage angetrieben, da die Banken in einer möglichen wahlbedingten Marktvolatilität von den günstigen Kreditkonditionen profitieren.
Capital Spectator: Der Anstieg des durchschnittlichen Geldmengenwachstums um 1,1% gegenüber dem Vorjahr (rot) bedeutet das Ende von 18 Monaten Schrumpfung in Folge. Das erst langsame und dann immer schneller werdende Geldmengenwachstum vor der Zinssenkung der Fed im September war ein Zeichen dafür, dass sich eine täubische Wende in der Politik anbahnte.
Bemerkenswert ist, dass die Wirtschaft in der Zeit der Geldmengendürre weiter wuchs. Die Rückkehr zu einem Wachstumstrend bei der Geldmenge -der sich vermutlich in nächster Zeit fortsetzen und beschleunigen wird- ist eine weitere Unterstützung für die Wirtschaftstätigkeit. Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Geldmenge bestätigen, dass der Makrotrend für die USA weiterhin positiv ist und sich sogar noch verstärken könnte. So weit der Capital Spectator.
Hinzu kommt: Der Verlauf der gesamten Ausleihungen (Total Loans and Leases (LOANS)) bewegte sich von Februar bis Juli 2024 unterhalb des langfristigen Trends. Seit August ist er mitlaufend („Trend nt“).
Wenn Sie wissen möchten, was die Analysten an Wall Street hinsichtlich Gewinnentwicklung vorhersehen, so gibt der folgende Chart Auskunft. Er zeigt, wie sich diese Erwartungen im Wochen- und Quartalsrhythmus entwickeln (Chartquelle).
Incredible Charts: Nach folgender Graphik ist der Bull-Markt zu 80% „ausgereizt“, das Kurs-Niveau ist mit 97% extrem bewertet. Incredible Charts rät, keine neuen Aktien-Engagements zu tätigen.
Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 5815,03 geschlossen. Der Index notiert über der EMA50 (aktuell steigend bei 5624). Am Mittwoch und Freitag wurden jeweils Rekordhochs erzielt, am Freitag wurde die Aufwärtslinie aus Herbst 2023 (grün) per Schlusskurs knapp verfehlt (Chartquelle).
Auf der Unterseite liegt bei 5674 ein bedeutenderes Allzeithoch aus Mitte Juli. Darunter notiert bei 5563 eine statische Unterstützung, etwa zusammenfallend mit dem 38er Retracement des Anstiegs seit Anfang August. Dann folgen statische Supports bei 5512 und 5445. Auf der Oberseite bleibt die Herausforderung für die Bullen, sich über der genannten Aufwärtslinie festzusetzen. Das ist bisher nicht gelungen, und ob es in der kommenden Woche gelingt, ist zweifelhaft.
Die Marktindikatoren notieren mit 71:14 bullisch. Der TQUAL-Indikator, gebildet aus RSI, Stochastik und MACD internationaler Aktienindices zeigt sich im sehr bullischen Extrembereich. Der Verlauf der Rendite von Ramsch-Anleihen bleibt bei hoher Risikoneigung leicht über dem Rekordwert von Anfang Oktober (der Wert vom zurückliegenden Freitag ist nicht enthalten).
Die Volumenverteilung im S&P 500 läuft in Akkumulation. Die Auswertung von Einzelaspekten der Volumenseite unterstützt eine kurzfristige bullische Ausrichtung. Die Stimmungsindikatoren: Das Verhältnis SPX/VIX ist nun leicht bärisch und zugleich instabil, das Put/Call-Verhältnis zeigt sich wieder bullisch. Der VIX, Angstmesser an Wall Street, notiert mit 20,46 über seiner EMA50 (18,11). Die wiederum verläuft über der EMA250. Das legt nahe, dass der S&P 500 weiterhin insbesondere dem Einfluss des VIX unterliegt. Der dürfte nun vermutlich noch weiter abwärts tendieren – das könnte den S&P 500 kurzfristig stützen.
Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bei Aktien lineare Eigenschaften als dominant an. Bärische Kursmuster nehmen jedoch jetzt wieder ab auf sehr niedrigem Niveau, bullische überwiegen und nehmen zu. Die Konstellation hat sich gegenüber der Vorwoche in „weit entwickelt aufwärts“ umgekehrt. Demnach könnten die Bullen kurzfristig weiter auftrumpfen. Die Prognose der TimePatternAnalysis für den S&P 500 ist instabil, die kurzfristige Analyse meldet Überkauftheit und anhaltendes bullisches Momentum.
Die Charts der zusammengefassten Marktindikatoren, der Auswertung der Rendite der Ramsch-Anleihen, sowie der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis und die Übersicht über die automatisch generierten Trading-Tipps werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.
Als Formation kann man in den Chart einen sich seit Anfang August, bzw. seit Anfang September entwickelnden Aufwärtskeil hineindeuten. Das wäre übergeordnet eine bärische Indikation. Dessen Unterseite (rote Linie) verläuft aktuell bei ~5738. Auch ohne eine solche Formation (mit Abwärtspotenzial bis unter 5500) hat diese Linie eine wichtige Bedeutung. Sie dürfte bald getestet werden. Unterhalb dieser Linie stünde ein weiterer Test des Ausbruchsniveaus bei 5674 an. Auch wenn dieses nicht hält, dürften die Bullen vorne bleiben, so lange die EMA50 (5624) respektiert wird. Ich halte es weiterhin für zweifelhaft, dass es gelingt, jetzt die Aufwärtslinie ab Herbst 2023 (grün, aktuell ~5835) nachhaltig zu überwinden.
Nachtrag
In der kommenden Woche werden die US-Einzelhandelsumsätze und der Index der US-Industrieproduktion für September veröffentlicht. Netflix, Procter & Gamble und Taiwan Semiconductor gehören zu den bedeutenderen Unternehmen, die Berichte zum dritten Quartal vorlegen. Der Gesundheitssektor steht ebenfalls im Fokus, UnitedHealth, Johnson & Johnson und Abbott Laboratories berichten.
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