Stimulus in der VR China

Ende September hat die chinesische Regierung die größten geldpolitischen Maßnahmen seit „Covid-19“ eingeleitet und weitere fiskalische Unterstützung signalisiert. Nach langem Zögern sieht die Regierung die Wiederbelebung der angeschlagenen Wirtschaft des Landes nun offenbar als dringlich an.

Die Ankündigungen haben die Marktstimmung gehoben, die chinesischen Aktienmärkte reagierten darauf mit der besten Wochenrallye seit mehr als einem Jahrzehnt, genauer seit 2008.

Das von der People Bank of China (PBoC) Ende September angekündigte Programm zerfällt in drei Hauptbestandteile. Erstens wird die PBoC den Mindestreservesatz (RRR) um einen halben Prozentpunkt und den wichtigsten Leitzins um 0,2% senken. Sowohl die Senkung des Mindestreservesatzes als auch die des Leitzinses fallen umfangreicher aus als üblich. Bis zum Jahresende seien weitere Senkungen des RRR möglich, hieß es seitens des Gouverneurs der PBoC.

Zweitens wird die PBoC die Hypothekenzinsen für bestehende Wohnungsbaudarlehen um etwa einen halben Prozentpunkt senken und die landesweite Mindestanzahlung für Zweitwohnungen von 25% auf 15% reduzieren. Außerdem wird die PBoC ihre Finanzierungsunterstützung für solche Geschäftsbanken von 60 auf 100% erhöhen, die Kredite an diejenigen staatliche Unternehmen in lokalem Besitz vergeben, die überschüssige Wohnungsbestände kaufen, um sie in erschwingliche Wohnungen umzuwandeln.

Drittens schafft die PBOC zwei neue geldpolitische Instrumente zur Unterstützung des Aktienmarktes. Geeignete institutionelle Anleger sind dann in der Lage, liquide Aktiva wie Staatsanleihen und Zentralbankwechsel direkt von der Zentralbank zu leihen und dabei als Sicherheiten Vermögenswerte wie börsengehandelte Fonds (ETFs) zu hinterlegen. Die Zentralbank wird außerdem Refinanzierungs-Darlehen für Banken bereitstellen, die Kredite an solche börsennotierte Unternehmen vergeben, die eigene Aktien zurückkaufen wollen. Diese Instrumente ergänzen das bereits eingeführte Maßnahmenpaket der chinesischen Wertpapieraufsicht, das darauf abzielt, das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen und die Aktienkurse zu stützen.

Was wie ein mutiges Konjunkturpaket daherkommt, könnte sich in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen aus mehreren Gründen als begrenzt erweisen.

Generell gilt, dass eine Lockerung der Geldpolitik während eines Abschwungs nicht immer so gut funktioniert wie eine Straffung während eines Booms. („Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen, aber saufen müssen sie alleine.") Die geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen senken zwar die Kreditkosten, die in China vergleichsweise hoch geblieben sind. Doch ist die Kreditnachfrage jetzt so schwach, dass Haushalte und Unternehmen möglicherweise immer noch keine Kredite aufnehmen und Banken keine Kredite vergeben wollen. Ein Teil der zusätzlichen Liquidität, die in das Bankensystem fließt, könnte so in Staatsanleihen landen, da es in der Wirtschaft an Investitions-Möglichkeiten mangelt.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Nachfrage nach Wohnraum allein aufgrund der niedrigeren Hypothekenzinsen und der geringeren Anzahlungs-Anforderungen eine deutliche Belebung erfährt. Nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes haben die chinesischen Haushalte aufgehört, Wohneigentum als bevorzugte Anlageklasse anzusehen. Das wird nur schwer umzukehren sein.

Eine Senkung der Hypothekenzinsen für bestehende Wohnungsbaudarlehen wird die Haushalte jedoch davon abhalten, ihre Hypothekenschulden vorzeitig zu tilgen. Das wird den Druck auf die Rentabilität der Banken etwas verringern. Niedrigere Hypothekenzinsen werden auch das verfügbare Einkommen der Haushalte erhöhen, was den privaten Konsum etwas steigern könnte.

Auch die Aufstockung der Mittel der Zentralbank für die modifizierte Darlehensfazilität für erschwinglichen Wohnraum wird keine Wende auf dem Wohnungsmarkt herbeiführen, vor allem wegen des Missverhältnisses zwischen Orten mit starker Wohnungsnachfrage und Orten mit einem Überangebot. Darüber hinaus dürften die Mietrenditen für erschwingliche Wohnungen in den chinesischen Großstädten zu niedrig sein, um Banken und staatliche Unternehmen davon zu überzeugen, in großem Stil auf die Initiative der PBOC einzugehen.

Insgesamt dürften die bisher angekündigten Schritte die tief verwurzelten, das Wachstum belastende Probleme in Chinas Wirtschaft kaum angehen. Dazu gehören Pekings zunehmende Priorisierung der nationalen Sicherheit gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung, seine Diskriminierung des Privatsektors und seine unzureichende Steuerpolitik. Da die staatlichen Banken seit langem staatliche Unternehmen begünstigen, werden diese wahrscheinlich stärker von den Maßnahmen der Zentralbank profitieren als private Unternehmen. Damit würden die strukturellen Probleme noch weiter verschärft.

Die Auswirkungen der geldpolitischen Stimulierungsmaßnahmen werden zunächst durch die schrumpfenden Staatsausgaben ausgeglichen. Diese sind deutlich unter das Haushaltsniveau gesunken und liegen auch unter dem Niveau des Vorjahres, was vor allem auf den Rückgang der Staatseinnahmen und den Mangel an Investitionsprojekten zurückzuführen ist. Das hält den Deflationsdruck in China hoch.

Die Regierung hatte bereits vor der Feiertags-Woche Anfang Oktober eine stärkere fiskalische Unterstützung angekündigt. Zu Wochenbeginn wurde nun bekannt, dass spezielle Staatsanleihen im Wert von etwa 2 Bill. RMB (260 Mio. Euro) ausgegeben werden sollen, um die Ausgaben-Lücke zu schließen. Damit soll auch der private Konsum angeregt und den lokalen Regierungen geholfen werden, ihre Schuldenprobleme zu bewältigen. Der Umfang des fiskalischen Stimulus wird als bescheiden angesehen, was zunächst negative Reaktionen am chinesischen Aktienmarkt ausgelöst hatte.

Im laufenden Jahr kann nur ein Teil der 2 Bill. RMB ausgegeben werden, die Statsausgaben werden immer noch unter dem Haushaltsniveau bleiben. Eine Anpassung des Staatshaushalts könnte frühestens auf der nächsten Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses Ende Oktober vorgenommen werden. Das dürfte zur Folge haben, dass die zusätzlichen staatlichen Mittel erst im Dezember zur Verfügung stehen. Wenn die chinesische Führung außerdem auf ihr altes Konzept der Ankurbelung der Wirtschaft durch den Ausbau der Infrastruktur zurückgreift, könnte es zu eine weiteren Verzögerungen kommen. Es dürfte dann Frühjahr werden, wenn das Wetter in weiten Teilen des Landes wieder umfangreichere Bauarbeiten zulässt.

Damit könnte sich der direkte Effekt eines solchen fiskalischen Stimulus erst im nächsten Jahr zeigen. Der indirekte Effekt, das steigende Vertrauen von Unternehmen und Haushalten, dürfte wichtiger sein und sie veranlassen, Investitionen und Verbrauch anzukurbeln. Das ist zumindest die Hoffnung.

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle]

Insgesamt steht es um die chinesische Volkswirtschaft nicht gut. Und es ist tatsächlich die Frage, ob die angekündigten Maßnahmen ausreichen werden. Zu internen Strukturproblemen kommt hinzu, dass der chinesischen Wirtschaft bisher der Umschwung von der Rolle als Werkbank der Welt zu einer stärkeren Orientierung am inländischen Konsum nicht (gut) gelungen ist.

Der Wertewesten arbeitet hart daran, die Abhängigkeit von chinesischer Produktion zu reduzieren („Deglobalisierung“). Dennoch ist die Befindlichkeit der chinesischen Wirtschaft für die Entwicklung der Weltwirtschaft weiterhin von großer Bedeutung. Die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft hat u.a. einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Nachfrage nach Rohstoffen, insbesondere nach Rohöl.

Einige Beobachter gehen davon aus, dass mit den aktuellen und noch zuerwartenden finanziellen Anreizen in China die weltweite Liquidität im Verein mit weiteren Zinssenkungden in den USA zunimmt, was sie verstärkt hoffen lässt, dass die US-Wirtschaft entweder gar nicht oder weich landet. Das wiederum dürfte zu der erneuten Stärke von US-Aktien in den zurückliegenden Tagen beigetragen haben und weltweit Konjunktur-Hoffnungen stützen.

Die folgenden Charts zeigen einige Daten der chinesischen Volkswirtschaft: Die Staatsausgaben steigen seit etwa 2020 langsamer. Die Quote der Staatsverschuldung steigt kontinuierlich an. Die CPI-Inflation hat sich von dem Einbruch im Frühjahr wieder etwas erholt, bleibt aber mit aktuell 0,4% niedrig. Der Einzelhandelsumsatz zeigt etwa seit der Finanzkrise im großen Bild sinkende jährliche Zuwächse. Das gilt ähnlich auch für die Industrie-Produktion. Die jährliche Veränderung der Exporte dümpelt dahin. Der Verlauf der ausländischen Direktinvestitionen in China hatte sein jüngstes Maximum 2021 und ist seit Anfang 2023 negativ mit jetzt aktuell –30% im Jahresvergleich. Die Rüstungsausgaben steigen seit den späten 2000er Jahren beschleunigt und kamen per 2023 auf fast 1,7% des BIP (USA 3,2%).

blankStaatsausgaben
blankStaatsverschuldung
blankCPI-Inflation
blankEinzelhandelsumsatz y/y
blankIndustrie-Produktion y/y
blankExporte y/y
blankAusländische Direktinvestitionen y/y
blankRüstungsausgaben

Ergänzung
Chinas Immobiliensektor leistete bis Q2/2021 signifikante positive Beiträge zum Wachstum des BIP, in Q1/2021 waren es fast 20%. Seit April 2022 ist das Wachstum der Investionen in diesem Bereich im Jahresvergleich negativ.
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Der Index der China Residential Property Prices nähert sich im Jahresvergleich dem Tief aus Q2/2015. Die Wachstumsschwäche des Index begann in Q4/2016.
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