S&P 500 – Fed, Fed, Fed

Der S&P 500 holt auf Wochensicht 4,0% zurück; 41 Punkte unter dem Rekordhoch von Mitte Juli und 22 Punkte unter dem Hoch vom 20. August. NDX und Nasdaq Composite steigen um 5,9%, bzw. 6,0%. Der Dow legt 2,6% zu; hier fehlen 170 Punkte bis zu einem neuen Allzeithoch. Der DAX gewinnt 2,2%, gute 200 Punkte sind es bis zu seinem Rekordhoch.

Die Ölpreise heben sich leicht von den Jahrestiefs ab, Brent mit +0,7%, WTI mit +1,5%. Der CRB-Rohstoffindex im Wochenvergleich mit +2,6%. Gold gewinnt +3,4%, Silber steigt um starke 10,0%.

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Die US-Renditen sind über das gesamte Spektrum weiter unter Druck. Die der 10yr-TNotes sinkt auf Wochensicht um 1,5%, die der 2yr-TNotes verliert 1,6%, die der 13wk-TBills ist 3,3% schwächer. Euro/Dollar knapp behauptet mit -0,1%. Die Währungspaare Dollar/Yen und Euro/Yen verlieren weitere 1,0%, bzw. 1,1%. Dollar/Yen notiert auf Jahrestief, das Jahreshoch wurde im Juli erreicht.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken gewinnt auf Wochensicht 1,7%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index (DJT), fester mit +2,0%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, gewinnt 10,0%, konvergent zum technologielastigen NDX.

Der Rendite-Spread am langen Ende steigt im positiven Bereich weiter an. Die Inversion der Zinsstruktur über das gesamte Spektrum nimmt ab auf –0,90%. Der negative Spread zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR weitet sich weiter aus. Die Erwartungen hinsichtlich einer Leitzins-Senkung scheinen auf mittlere Sicht jetzt sechs bis sieben kleine Zinsschnitte zu sehen.

Die Inflationsrate nach US-CPI hat sich im August gegenüber Juli etwas abgekühlt und ist im Jahresvergleich um 2,5% angestiegen. Die Kern-Rate legt im August auf Monatsbasis um 0,3% zu, ursächlich sind die Kosten für Dienstleistungen. Sie wird von der Fed bevorzugt und schließt die volatileren Lebensmittel- und Energiepreise aus. Die höher als erwartet ausgefallenen Kern-Preisdaten führten zunächst zu deutlichen Kursverlusten bei Aktien.

Ein anderes Bild zeigte einen Tag später der Producer Price Index (PPI), der schwächer hereinkam als erwartet. Im weiteren Wochenverlauf trug so die erneut aufkeimende Hoffnung auf eine größere Zinssenkung dazu bei, dass die zins- und konjunktursensibleren Small-Cap-Aktien gut liefen. Starke Worte des CEO von Nvidia halfen ebenfalls.

Eine größere Senkung um 50 Basispunkte ist vielleicht das, was Wall Street möchte, aber vermutlich nicht das, was sie bekommt. Unabhängig davon, welche Entscheidung die US-Notenbank auf ihrer FOMC-Sitzung in der kommenden Woche trifft – entscheidend ist, was die Kaffeesatz-Leser aus den Botschaften bezüglich der Gründe und der allgemeinen Gesundheit der Wirtschaft herauslesen werden.

Einem Aspekt der Marktbewertung wird gegenwärtig womöglich zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Angesichts der horrenden Entwicklung der Verschuldung der USA, mit dem Dollar weiterhin als globale Leitwährung, ist die Abwertung des Dollar der vielleicht einzige Weg aus dieser Misere heraus (die Hoffnung…).

Hinzu kommt die geopolitisch motivierte Abkehr vom Dollar, insbesondere seit klar ist, dass die USA und ihre Verbündeten jederzeit Sanktionen gegen missliebige Regierungen verhängen können. Die BRICS-Staaten sind dabei, ihr eigenes Währungssystem zu schaffen. Das trägt tendenziell zur Abwertung des Dollar bei.

Dass das Thema Abwertung aktuell eine bedeutende Rolle spielt, lässt sich am anhaltenden Höhenflug von Gold (und Silber) ablesen. Der Goldpreis wird im übergeordneten Bild stets von den Gesichtspunkten Wertentwicklung des Dollar und dem Verlauf der Inflation angetrieben. Wenn eine bedeutende und lang anhaltende Abwertung des Dollar ansteht, dürfte das im großen Bild auch Renditen und Inflation antreiben.

Aktien gelten bis zu einem gewissen Grad als Absicherung gegen Währungsabwertung und Inflation. Eine Erklärung für die historisch hohen Bewertungen bei Aktien könnte darin liegen, dass der Aktienmarkt die zukünftigen Aktienkurse aufgrund einer Währungsabwertung diskontiert. Mit Blick auf die Zukunft könnte er somit angesichts der wahrscheinlichen Währungsabwertung und der Inflationsaussichten fair bewertet sein, wird argumentiert.

Der folgende Chart zeigt eine gemittelte KGV-Bewertung des S&P 500 Index zwischen 8,5 und 20,1. Der 60-Jahres-Durchschnitt für das mittlere KGV liegt bei 17,7. 8,5 wurde zuletzt im Februar 2009 erreicht, 20,1 gab es zuletzt im Dezember 2021. Per August 2024 wird der Index mit 25,7 bewertet. Nur im März 2000 lag die Bewertung mit 27,8 noch höher. Mit jener Bewertung würde der S&P 500 heute bei 6085 notieren.

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Wenn man gar die Bewertung von 1929 als „Referenz“ zugrunde legt, könnte der S&P 500 auch auf 6500 kommen.

Aktien-Bewertungen spielen keine Rolle, bis sie eine Rolle spielen. Sie spielen immer dann eine Rolle, wenn die großen Akteure, besser gesagt, deren smarter Teil Zweifel hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung bekommen (das gilt für „unten“, wie für „oben“). Und da sind wir wieder bei der Frage der Leitzinsen und der dahinter stehenden Frage des Aufkommens einer Rezession. Gelingt die sagenumwobene weiche Landung, bleibt Goldilocks weiter mit der US-Wirtschaft?

Es wird gerne übersehen, dass ein unbestreitbarer Zusammenhang zwischen Wirtschaftstätigkeit und Unternehmensgewinnen besteht. Die Beschäftigung ist die treibende Kraft einer konsumbasierten Wirtschaft. Erst müssen die Verbraucher produzieren, bevor sie konsumieren können. Also ist die Beschäftigung entscheidend für die Unternehmensgewinne und damit auch für die Marktbewertungen.

Louis-Vincent Gave, GaveKal, argumentiert, dass wir uns in einem „Inflationsboom“ befinden. Anleihen sind in Zyklen mit steigender Inflation und steigenden Zinssätzen keine gute Anlage. Er sieht Energie als eine bessere Portfolioalternative an. Auch Rohstoffe erscheinen ihm eines Blickes wert. Sachwerte also, wie auch Gold, auch Immobilien. Aktien mit dauerhaft hohen Dividenzahlungen, die wahren Value-Titel, dürften auch dazu gehören. Gemieden werden sollten insbesondere hoch verschuldete Unternehmen.

Die folgende Graphik stammt aus 2018. Mittlerweile hat der Wechsel zu einem „Inflationsboom“ stattgefunden, ein Ereignis, dass nach Gave alle 30 bis 40 Jahre stattfindet, gewöhnlich aus Gründen politischer Fehler. Als einen solchen kann man getrost die immer schneller steigende Verschuldung nehmen.

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Einschub: Gab es bei dem TV-Duell zwischen der woken Frau Harris und dem selbstverliebten Herrn Trump jüngst auch nur einen bedeutenden Satz zu diesem Thema? Egal, wer das Rennen um die Präsidentschaft macht, am Pfad zur weiteren Verschuldung wird sich nichts ändern. Und damit im großen Bild wohl auch nichts am Thema Dollar-Abwertung nebst steigender Inflation und ebensolchen Renditen.

Der folgende Chart unterstreicht die Sichtweise von Gave. Ein säkularer Bear-Markt für Bonds begann 2022 und löste den in den frühen 1980er Jahren gestarteten Bull-Markt in diesem Segment ab.

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Analysten sagen für das Jahr 2025 ein starkes Wachstum der Unternehmensgewinne voraus, während sich die Fed darauf vorbereitet, die Zinssätze zu senken, um einen sich verlangsamenden Arbeitsmarkt und eine sich abkühlende Inflation in den Griff zu bekommen. Das bedeutet, dass optimistische Prognosen möglicherweise nach unten korrigiert werden müssen. Die Vorhersage, dass die Gewinne des S&P 500 deutlich steigen werden, während man acht Zinssenkungen im Jahr 2025 einpreist, ist ein „Irrweg“, sagt Joe Mazzola, Chefstratege für Handel und Derivate bei Charles Schwab.

Wie weithin eingepreist, hat die EZB ihren Einlagenzinssatz von 3,75% auf 3,5% gesenkt. Während der jüngste starke Rückgang der Gesamtinflation im Euroraum willkommen ist, stellt der gleichzeitige Anstieg der Dienstleistungsinflation auf 4,2% im August die EZB vor ein Dilemma. Wie kann sie auf berechtigte Bedenken hinsichtlich einer sich beschleunigenden und umfassenderen Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität reagieren – auch wenn dies noch nicht in den Arbeitsmärkten erkennbar ist.

Berichten zufolge prüfen EU-Beamte die Möglichkeit, Anleihen aus der Covid-Ära im Wert von bis zu 350 Mrd. Euro zu verlängern, um zu verhindern, dass der Haushalt der EU durch die Rückzahlungskosten überlastet wird. Die Gespräche befinden sich derzeit noch im Anfangsstadium und würden wahrscheinlich auf den entschiedenen Widerstand Deutschlands stoßen, heißt es. Die Europäische Kommission schätzt, dass die Rückzahlung der Schulden und die Zinskosten ab 2028 jährlich 30 Mrd. Euro erreichen könnten, was eine große Herausforderung für den Haushalt darstellen würde. Eine Verlängerung der Verschuldung könnte Investitionsmittel freisetzen, erfordert aber Einstimmigkeit aller 27 EU-Mitgliedstaaten.

IncredibleCharts: Kanada und Australien haben ihre Wirtschaft stark an den Wohnungsbau gekoppelt. Kanada hat in den letzten Jahren einen schockierenden Rückgang der Arbeitsproduktivität erlebt und sich damit deutlich von seinem südlichen Nachbarn, den USA, entfernt:

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Ähnlich ist die Situation in Australien, wo das Produktivitätswachstum ebenfalls stark zurückgegangen ist und auf einem ähnlichen Niveau wie 2016 liegt:

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Einer der Gründe, warum die kanadische und australische Arbeitsproduktivität so stark zurückgeblieben ist, liegt wohl darin, dass beide Volkswirtschaften stark vom Wohnungsbau und der Einwanderung abhängig geworden sind, um das Wachstum anzukurbeln.

Vor einigen Wochen veröffentlichte der Chefökonom von IFM Investors, Alex Joiner, die folgende Grafik, die das Wachstum der Haushaltsverschuldung in Australien und Kanada seit der globalen Finanzkrise 2008 zeigt:

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Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 5626,02 geschlossen. Der Index notiert über der EMA50 (aktuell steigend bei 5494). Das 38er Fibonacci-Retracement des Anstiegs seit Anfang August bei 5450 hat letztlich Unterstützung geboten für den starken Anstieg in der zurückliegenden Woche (Chartquelle).

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Das Allzeithoch aus Mitte Juli bei 5667 ist wieder zu Greifen nahe, das Hoch von Ende August ist nur 22 Zähler weg. Auf der Unterseite liegt das 50er Retracement bei 5387, dann folgt ein bedeutender statischer Support bei 5350. Knapp darunter folgt das 62er-Retracement (5321). Auf der Oberseite liegt bei 5510 eine stärkere statische Unterstützung.

Die Marktindikatoren notieren weiter mit 29:0 leicht bullisch. Der TQUAL-Indikator, gebildet aus RSI, Stochastik und MACD internationaler Aktienindices zeigt sich bestätigt bullisch. Der Verlauf der Rendite von Ramsch-Anleihen bleibt bei hoher Risikoneigung (der Wert vom zurückliegenden Freitag ist nicht enthalten).

Die Volumenverteilung im S&P 500 ist knapp in Distribution gekippt. Die Auswertung von Einzelaspekten der Volumenseite unterstützt eher eine kurzfristig bullische Ausrichtung. Die Stimmungsindikatoren: Das Verhältnis SPX/VIX zeigt nun wieder eine bullische Tendenz, das Put/Call-Verhältnis ist neutral. Der VIX, Angstmesser an Wall Street, ist mit 16,56 unter seine EMA50 gerutscht. Die wiederum verläuft über der EMA250. Das legt nahe, dass der S&P 500 weiterhin insbesondere dem Einfluss des VIX unterliegt. Der dürfte weiter abwärts tendieren, zunächst Richtung 14,50 – ein bullisches Omen für den S&P 500.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bei Aktien zyklische Eigenschaften als dominant an. Bärische Kursmuster nehmen ab, bullische sind gleichauf und nehmen zu. Die Prognose der TimePatternAnalysis für den S&P 500 zeigt zunächst volatil Richtung Allzeithoch.

Die Charts der zusammengefassten Marktindikatoren, der Auswertung der Rendite der Ramsch-Anleihen, sowie der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis und die Übersicht über die automatisch generierten Trading-Tipps werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.

Zu dem vor einer Woche avisierten Test der Zone bei 5300 kam es nicht. Weiterhin gilt: Bis 5450 wäre noch nicht viel bullisches Porzellan zerschlagen, unter 5345 trübt sich das bullische Bild rasch ein. Bis herunter zur EMA200 (5177) gibt es abgesehen vom 62er Fibonacci-Retracement bei 5321 und dem statischen Pegel bei 5270 keinen wesentlichen Support.

Am wahrscheinlichsten ist auf Sicht der nächsten Tage das zum Greifen nahe Allzeithoch bei 5667. Darüber verläuft die Aufwärtslinie ab Herbst 2023 (grün, aktuell ~5700). Gelingt der Ausbruch dieses Mal? Die technische Disposition unterstützt die bullische Seite leicht. Zweifelhaft, ob das reicht, um den Index für mehr als ein paar Tage darüber zu halten.

In der kommenden Woche wird das FOMC-Ergebnis, v.a. aber die Interpretation von Aussagen der Fed-Offiziellen das kurzfristige Verhalten bestimmen.

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