Die Fed ist bereit, die kurzfristigen Zinssätze zu lockern. Mit ziemlicher Sicherheit wird sie nach ihrer FOMC-Sitzung am 18. September einen ersten kleinen Zinsschnitt bekannt geben. Durchaus denkbar, dass die Fed dann auch das laufende „Quantitative Tightening“ ändert oder etwas in dieser Richtung andeutet.
Aktuell verkauft die Fed Assets im Umfang von monatlich rund 90 Mrd. Dollar. Damit wird die umlaufende Liquidität entsprechend reduziert („sterilisiert“) und die Fed-Bilanz verkürzt. Im April 2022 lag die Bilanzsumme noch bei 8,95 Bill. Dollar, aktuell kommt sie auf 7,1 Bill. Dollar.
Während die Fed auf die eine oder andere Art künftig wieder für mehr Liquidität sorgen wird, arbeitet das US-Finanzministerium dagegen. Möglicherweise, weil es kaum eine andere Wahl hat, da die Schulden weiter steigen. Das hört sich widersinnig an.
Im Moment geschehen zwei wichtige Dinge.
Erstens hat das Finanzministerium einen größeren Teil seiner Neuemissionen auf kurzfristige Schatzwechsel umgestellt. Das ist seltsam, da die Renditekurve immer noch invertiert ist, die kurzfristigen Zinsen sind höher als die langfristigen. Es nimmt Kredite also hauptsächlich in der Zone mit den höchsten Zinsen auf.
Zweitens: Das Finanzministerium kauft längerfristige Staatsanleihen zurück. Dies scheint im April begonnen zu haben und läuft weiter. Berichten zufolge hat das Finanzministerium im zurückliegenden Monat 20-jährige Anleihen im Wert von 2 Mrd. Dollar zurückgekauft, die 2020 zu einem Zinssatz von 1,25% ausgegeben worden waren (Chartquelle).
Warum sollte man seine Schulden zu einem historisch niedrigen festen Zinssatz aufgeben? Unwahrscheinlich, dass wir bald wieder so niedrige Zinssätze sehen werden. Ein „Eigentor“ des Finanzminsteriums?
Der Nettoeffekt der Aktivitäten des Finanzministeriums -mehr Kredite am kurzen Ende, Zuführung von Liquidität am langen Ende- ist, dass die langfristigen Zinssätze nach unten gedrückt werden. Das ist eine Form der wirtschaftlichen Stimulierung, die aber auch inflationär wirken dürfte.
Die Verlagerung von mehr Schulden auf das kurze Ende bedeutet, dass die Schulden früher fällig werden, was der Regierung dann eine Refinanzierung zu niedrigeren langfristigen Zinssätzen ermöglichen könnte. Das scheint die Wette zu sein; gut möglich, dass es funktioniert.
Der springende Punkt ist, dass jetzt nicht nur die Fed, sondern auch das Finanzministerium daran arbeitet, die Zinssätze in die jeweils gewünschte, aber eben nicht in dieselbe Richtung zu drücken. Vielleicht sollten sie mal telephonieren. Oder haben sie vielleicht schon längst miteinander gesprochen? Wenn beide Parteien erfolgreich sind, wobei die Fed besonders gefordert ist, verschiebt sich die Zinsstruktur insgesamt nach unten. Und bleibt invers.
Lacy Hunt, Hoisington, ist der Meinung, dass die Fed die Zinsen im nächsten Jahr um etwa zwei Prozentpunkte senken muss. Der Markt scheint das auch zu glauben. Wenn Hunt Recht hat, bedeutet das, dass sich die Wirtschaft stärker abschwächen wird als bisher angenommen.
Hunt weist darauf hin, dass die nationalen Ersparnisse schon seit einiger Zeit netto negativ sind. Das massive Haushaltsdefizit zehrt das Wachstumspotenzial der Wirtschaft auf:
„Inmitten einer weit verbreiteten Verschlechterung der Wirtschaftslage ist es von entscheidender Bedeutung, die derzeitige schädliche Rolle der Geld- und Fiskalpolitik zu betonen. Die starke Verlangsamung des verzögert wirkenden realen M2-Geldmengenwachstums, einer grundlegenden Ursache für gesamtwirtschaftliche Schwankungen, ist eine deutliche Erinnerung an die Vergangenheit."
„Die sich verschlechternde fiskalpolitische Lage, gemessen am derzeitigen Stand des negativen nationalen Nettosparens (NNS), verstärkt den kontraktiven Einfluss der monetären Zurückhaltung. J.M. Keynes, der Begründer der keynesianischen Schule der Wirtschaftswissenschaften, ging davon aus, dass übermäßiges Sparen die Ursache für große Wirtschaftsabschwünge ist. Wenn der Einzelne das Richtige tut (d.h. für künftige Bedürfnisse und Eventualitäten spart), reichen die Verbraucherausgaben nicht aus, um Konjunktureinbrüche zu verhindern, was Keynes das ‚Spar-Paradoxon’ nannte.“
Keynes Lösung, die Wirtschaft durch enorme Defizitausgaben anzukurbeln, ist im aktuellen Umfeld hinfällig – genau das Gegenteil muss geschehen, so Hunt: „Das Ausgabendefizit muss rückgängig gemacht werden, sonst gibt es keine nationalen Nettoinvestitionen, die eine Voraussetzung für künftiges Wachstum sind.“
Und weiter: „Die extremen geld- und steuerpolitischen Bedingungen kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt." Das reale pro-Kopf-Einkommen GDI (Gross Domestic Income) sei auf dem tiefsten Stand seit 1971. Und: „Das fiskalische Ungleichgewicht ist wohl nicht umkehrbar, da das Haushaltsdefizit in der aktuellen wirtschaftlichen Expansion zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht reduziert wurde.“
Nach dem, was Hunt sagt, befindet sich die Wirtschaft längerfristig auf dem Weg in eine Stagnation, was die Wirkung der Defizite noch verschlimmert. Wenn Defizit und Schulden die Ursache für niedriges Wachstum sind, funktioniert das aus den Schulden herauswachsen nicht.
Was bleibt?
Wenn die Regierungen die Schuldenkrise durch Inflation lösen wollen, könnte die Inflation auf längere Sicht wieder auf über 10% (oder höher) ansteigen und die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen näher an 8% heranrücken (derzeit 3,67%) oder sogar noch höher ausfallen. Dann werden Anleihen gegen Inflation verlieren, die Anleihekurse werden fallen.
Wenn man den aktuellen Aktivitäten des Finanzministeriums folgt (s.o.), sollte man damit rechnen, dass die Rendite 10-jähriger Anleihen noch auf 3% fallen wird, vielleicht auch tiefer. Dies würde die Anleihekurse steigen lassen. Also macht es jetzt übergangsweise Sinn, in Erwartung eines Abschwungs, einer Rezession, Anleihen zu kaufen. Anstatt in traditionelle Anleihen zu investieren, lohnt auch die Suche nach alternativen, differenzierten Renditequellen mit variablen Zinssätzen.
[Unter Verwendung von Material aus „The Time Has Come", anderes ist im Text verlinkt]
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