Energiewende: Produktion nur noch bei Wind und Sonne?

Eines muss man dem grünen Wirtschaftsministerium lassen. Es geht seinen Weg unbeirrt weiter. Das ist jedoch nicht positiv, es ist ein Kennzeichen von realitätsferner und Bürger-feindlicher Borniertheit. Der jüngste Schlag bringt die Deindustrialisierung Deutschlands weiter voran.

„Wir wollen zukünftig systemdienliches Verhalten der Industrie besonders anreizen.“ Mit diesem Statement offerierte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur am 24. Juli das Eckpunktepapier zur Stromnetzentgeldregelung den Industriebetrieben. Damit will die Agentur auf die veränderten Anforderungen eines Stromsystems mit volatilen Erzeugern reagieren.

Etwa zeitgleich legte das Bundeswirtschaftsministerium unter Habeck (G…) sein Papier zum „Strommarktdesign der Zukunft“ vor. Es soll ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges Stromsystem garantieren. Nach Abschaltung der letzten Atomkraftwerke, nach der für 2030 vorgesehenen Abschaltung auch der Kohlekraftwerke soll die Versorgung des dicht besiedelten Industrielandes Deutschland schwerpunktmäßig auf Windkraft und Solartechnologie beruhen.

Die Sicherstellung von Grundlast soll dabei durch Gaskraftwerke erfolgen. Experten beziffern den Bedarf auf 40 bis 50 dieser Kraftwerke, die noch gebaut werden müssen. Die Regierung konnte sich nur auf die Größenordnung von etwa 20 Kraftwerksblöcken einigen, für mehr fehlt das Geld. Habeck will, dass sie möglichst mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Wo der in der benötigten Menge und zu welchem Preis herkommen soll, ist völlig unklar. Einen kleinen Eindruck zu den Kosten bekommen Sie am Ende dieses Artikels unter „Ergänzung"!

Inhalt von Habecks Strategie ist, möglichst viel Nachfrage nach elekrischem Strom zu schaffen. Dazu zählt auch die Forderung zur weiteren Umstellung von Heizungen auf Strombetrieb, z.B. durch Wärmepumpen und der Ruf nach Förderung des Kaufs von Elektro-Fahrzeugen. Da die Stromerzeugung auf volatilen Wind und unbeständiges, phasenweises Sonnenlicht ausgerichtet ist, steigen die Eingriffe zur Stabilisierung des Stromnetzes und deren Kosten drastisch an und machen einen immer größeren Teil der Energiekosten aus. Die Häufigkeit der kritischen Frequenzabweichungen nimmt deutlich zu, Symptom eines immer stärker am Limit gefahrenen Stromnetzes.

Während so die Nachfrage nach Strom kräftig steigt, ist auf der Erzeugungs- und Transportseite des Stroms unklar, ob, wann und wie die dazu nötigen Ressourcen bereitstehen. Abgesehen davon: Unklar ist auch, ob das System überhaupt funktioniert, für das es in dieser Form weltweit kein Beispiel gibt. Ministerium und der Netzagentur liefern dafür keine Belege. Der volatilen, unzuverlässigen Erzeugung soll die flexible Abpufferung durch schnell einspringende Grundlast-Kraftwerke gegenüberstehen. Geregelt wird das per Echtzeit-Datenaustausch. Hacker waren gestern… (siehe z.B. hier!)

Reguliert werden auch die Verbraucher, deren Stromabnahme (und später deren Stromtarife) werden via Smartmeter flexibel erfasst und angepasst. Strom wird tagsüber billiger, wenn mittags die Sonne scheint. Das ist schon bei Privathaushalten problematisch, jetzt aber fordert das Eckpunktepapier zur Neuregelung der Netzentgelte genau das auch von der Industrie – also, von dem Teil der Industrie, die noch nicht aus Deutschland abgewandert oder aufgrund hoher Energiekosten pleite ist.

All das trage, so Klaus Müller von der Bundesnetzagentur, zur „Verringerung marktbedingter Abregelungen von EE-Erzeugungsanlagen bei“ und steigere „somit die Effizienz des Energieversorgungssystems“.

Der Markt ist also schuld, wenn witterungsbedingt ein temporärer Überschuss an Strom existiert. Statt dafür zu sorgen, dass das Energiesystem an den Bedürfnissen von Konsumenten und Industrie ausgerichtet wird, fordert der Habeck-Clan „systemdienliches Verhalten". Das System ist wichtiger als die Bürger.

Einen „Strommarkt“ gibt es im eigentlichen Sinne schon längst nicht mehr. Er ist wie kaum ein anderes Segment in Deutschland nicht mehr marktwirtschaftlich, sondern mittlerweile extrem planwirtschaftlich organisiert. Der Energieökonom Joachim Weimann von der Universität Magdeburg kommentiert das im Gespräch mit Cicero: „Erst hieß es: Wir brauchen Speicher. Dann: Wir haben Speicher noch und nöcher [mit Anspielung auf die Ökonomin Claudia Kemfert]. Und nun soll der Industriestrompreis so neu konzipiert und diejenigen begünstigt werden, die nur dann verbrauchen, wenn die Angebotslage passt.“

Das ist laut Weimann das Eingeständnis, dass die von den Grünen propagierte Energielandschaft das Land eben nicht mit der notwendigen Energie versorgen kann. Habecks und Müllers Vorstoß ist somit der jüngste Beleg des Scheiterns der mit der Energiewende versprochenen Vorteile. Sie alle sind nicht eingetreten.

Absurd: Von Beginn der Energiewende an dominierte nicht Netzausbau, sondern Anlagenbau. Angetrieben wurde der durch das unselige Zusammenwirken von Subventionen und Pachtzahlungen an Grundeigentümer, die oft konzeptlos Erneuerbaren-Anlagen aufstellten. Meist waren das die Kommunen, die dafür in wildem Eifer Flächen auswiesen.

Nachdem adäquate Netze auf Jahre hinaus fehlen, setzt Habeck nun auf „dezentrale Kapazitäten“, also auf regionale Verteilung von Strom. „Jetzt sind wir soweit, dass wir einem Industrieunternehmen keine Versorgungssicherheit mehr zusichern können. Ein phänomenaler Abstieg, der nur noch mit der DDR vergleichbar ist. Schweden hat sich auf das Anzapfen seiner Wasserkraft durch Deutschland nicht eingelassen. Holland [der niederländische Staatskonzern TenneT] hat sich geweigert, den deutschen Teil des Netzausbauers zu kaufen“, so Ökonom Weimann – alles Indizien für ein hoch problematisches Stromsystem.

Volatiler Strom und dann auch noch volatile Tarife – für viele Industrien ein Ding der Unmöglichkeit. Zum Beispiel für das Unternehmen BERICAP. Der klassische Hidden Champion stellt pro Jahr 100 Milliarden Plastik-Verschlüsse für Flaschen, Kanister usw. her. Mit Hauptsitz in Mainz gibt es Produktionsstandorte mit 30 Werken in 25 Ländern. Von 4500 Mitarbeitern insgesamt arbeiten 600 in Deutschland. Der Weltmarkt-Anteil kommt auf 30%. Die Spritzgussmaschinen werden mit Strom geheizt, ein Stromausfall von nur einer Minute oder eine aus Kostengründen erzwungene Abschaltung erfordert vier Stunden zum Neustart der Produktion, bei zehn 10 Minuten Unterbrechung sind es acht Stunden. In der Zeit kosten Mitarbeiter und Technik Geld, ohne produktiv zu sein.

Habecks Stromunterbrechungen haben auch rechtliche Aspekte. Werden Mitarbeiter nur dann bezahlt, wenn es Strom gibt? Oder werden sie nachts aus dem Bett geholt, weil gerade Wind weht? Und warum sollen Verbraucher mit Einschränkungen der Versorgung oder bei Dunkelflaute mit deutlich höheren Stromkosten benachteiligt werden, wenn ein anderes Verbrauchs-Verhalten ihnen nicht möglich oder zumutbar ist? Warum sollen Berufstätige für die Wäsche am Abend mehr bezahlen? Warum sollen Unternehmen samt Mitarbeiter Nachteile erleiden, nur weil manche Produkte mehr Energie erfordern als andere und Maschinen sich nicht abregeln lassen? Wer macht sich zum Richter über diese Tarif-Zwänge?

Habecks Konzepte führen dazu, dass eine ganze Gesellschaft in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht unter die Knute einer dogmatischen Energiepolitik gestellt wird.

BERICAP wird gegenüber dem Habeck-Ministerium nicht für gedeihliche Standort-Bedingungen kämpfen: „Die dem deutschen Werk nächstliegenden Werke sind in Frankreich, Spanien, UK, Polen und Ungarn. In keinem dieser Länder wird eine volatile Stromerzeugung angestrebt und die Industrie zur Flexibilisierung der Stromabnahme angehalten.“ Damit ist alles gesagt: Entweder Habecks Pläne fliegen vom Tisch, oder der Standort Deutschland ist für energieintensive Unternehmen obsolet.

Auch die Art, wie die Energiewende umgesetzt werden soll, ist, gelinde gesagt, problematisch. Der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski hat kürzlich zusammengetragen, wie die Bundesregierung und die grünen Ministerien vorgeschriebene Anhörungen von Experten gezielt als Farce inszenieren. Längst ist es Methode, die Ausschreibung gesetzlicher Anhörungen von Bürgern (z.B. bei geplanten Windkraftvorhaben) kurz vor Weihnachten vorzunehmen. Das Gesetz, das Klaus Müller gegenüber der Industrie ermächtigt, wurde heimlich, still und leise am 22.12.2023, also kurz vor Weihnachten, beschlossen. Müller hat sein Eckpunktepapier zur Neuregelung der Netzentgelte am 1.8.2024 veröffentlicht. Und sprach: „Wir wollen das zukünftige System nun ausführlich mit allen Akteuren erörtern.“ Als letzten Tag zur Abgabe einer Stellungnahme setzt er den 28.8.24 – wenn das keine zynisch knappe Frist ist…

Müller wirft der gesamten deutschen Industrie und Wirtschaft die Energie-Zwangsjacke mitten in der Urlaubszeit vor die Füße.

Auch das trifft die Bürger heimtückisch in der Urlaubszeit: Nun will das in der Verantwortung einer Grünen-Ministerin liegende Umweltbundesamt auch Holzmasse-Heizungen der CO2-Abgabe unterziehen. Das widerspricht nicht nur der Wissenschaft und geltendem EU-Recht. Es schlägt jene Eigentümer vor den Kopf, die sich von grüner Politik haben leiten lassen, die auf Klimaschutz setzten und in Anlagen für nachwachsende Rohstoffe investierten. Dazu zählen auch viele Kommunen mit neuen Biomasse-Fernheizungen.

Auf allen Gebieten ist das System Habeck mit der Abrissbirne unterwegs. Auf seinen Affront gegen die Industrie wirkt sein zeitgleiches Papier „Gleichwertigkeitsbericht – Für starke und lebenswerte Regionen“ wie Hohn.

Das Bundeswirtschaftsministerium unter Habeck will keinen Dialog, es will ein Dogma vollstrecken. Wer so mit Industrie, Wirtschaft, Versorgung, Arbeitsplätzen und Bürgern umspringt, den interessieren die Folgen nicht. Er zerstört das Land. Kinderbücher werden dann auch nicht mehr gebraucht, Herr Habeck. Demokratie ist anders.

[Nach „Abseits der Regel", mit weiteren lesenswerten Ausführungen]

Ergänzung
Nach „Robert Habecks neue Strom-Pläne – weitere Milliardenkosten für Steuerzahler“:
Die Bundesagentur H2Global will ab 2027 rund 259.000 Tonnen grünen Ammoniak aus Ägypten importieren zu einem Produktionspreis von 811 Euro pro Tonne Ammoniak. Habecks „Coup” bedeutet, Ammoniak für 210 Mio. Euro einzukaufen, dessen Wasserstoffgehalt bei direktem Einsatz als Erdgasersatz neunmal so teuer wie Erdgas ist. Wenn man 210 Mio. Euro für einen Energieträger mit einem Marktwert von 23 Mio. Euro ausgibt, wird kein Industriebetrieb noch ein Kraftwerk mehr als diesen Marktwert bezahlen. Also müssen 187 Mio. Euro subventioniert werden. Wenn dies dann auch noch von der Presse überschwänglich gelobt wird, dann kann es ja so weitergehen mit der Veruntreuung von Steuergeldern. Der Logik folgend, reden wir beim nächsten angekündigten Wasserstoffeinkauf in Höhe von 3,5 Mrd. Euro dann über eine notwendige Subvention von rund 3,1 Mrd. Euro.
Warum ist diese hohe Subvention erforderlich? Eingekauft wird das Ammoniak für 811 Euro-Cent pro Tonne. Das sind 16 Euro-Cent pro KWh (Kilowattstunde) Energieinhalt. Das Wirtschaftsministerium unterschlägt dabei die Kosten für den Transport, die Aufspaltung in Wasserstoff (Cracken), die Kosten des Crackers sowie die Verluste bei der Stromerzeugung. Und diese Kosten sind gewaltig: Der Transport des Ammoniaks kostet je Tonne 189 Euro, 1,23 Euro-Cent pro KWh betragen die Kosten des Crackers. Obendrauf verteuern 25% Verluste bei der Wiederaufspaltung des Ammoniaks den Wasserstoff auf 27 Euro-Cent pro KWh.
Der auf diesem Weg erzeugte Strom ist mit 49 Euro-Cent pro KWh fünfmal teurer als der heutige deutsche Börsenstrompreis von 9 Euro-Cent pro KWh. Im Vergleich zu den USA wären die Kosten für die Erzeugung des Wasserstoffstroms in Deutschland demzufolge mehr als 14 mal so hoch wie der US-Strompreis von 3,5 Euro-Cent je KWh.
Wasserstofffähige Kraftwerke als Ersatz für den wegfallenden Backup von Kohle-, Kern- oder Gaskraftwerken befinden sich noch in der Entwicklung. Damit das Problem eines nicht vorhandenen 100%-igen Ersatzsystems nicht zu offensichtlich wird, schrieb die dpa, diese wasserstofffähigen Gaskraftwerke liefern im Jahr nur wenige Stunden Strom. Und alle Quantitätsmedien schrieben es ab.
Wenige Stunden? An 132 Tagen (also vier Monate) produzieren Windkraftwerke in Deutschland weniger als fünf Prozent ihrer Leistung. In den Wintermonaten November bis Januar fällt die monatliche Produktion einer Solaranlage auf zwei Prozent ihrer Jahresleistung zurück. An 4.380 von 8.760 Stunden eines Jahres scheint zum Beispiel in Berlin gar keine Sonne, weil es schlichtweg Nacht ist.
Vahrenholt reagiert ernüchtert: Die Frage ist schon berechtigt, wie man die Wirklichkeit so verzerren kann.

Nachtrag
(19.8.24) Ein Energietechnik-Professor warnt vor Stromlücken in Deutschland – „Schon vor fünf Jahren hat das amerikanische «Wall Street Journal» mit Blick auf Deutschland von der «dümmsten Energiepolitik der Welt» gesprochen. An diese Schlagzeile fühlt man sich erinnert, wenn man die neue Studie von Markus Löffler liest, der Professor für Energietechnik an der Westfälischen Hochschule ist. (…) Die erforderlichen Backup-Kapazitäten sind allerdings schwindelerregend hoch: Markus Löffler kommt auf 150 Gigawatt. Das entspricht der Leistung von 100 bis 150 grossen Atomkraftwerken. Derzeit stehen in Deutschland aber nur 35 Gigawatt an Gaskraftwerken bereit, die Lücken decken können. Bis 2035 sollen zudem zehn Gigawatt an Wasserstoff-Kraftwerken dazukommen. (…) Löffler kommt auf horrende 730 Euro pro Megawattstunde, die der Strom aus den Backup-Werken kosten könnte. Das ist ein Gestehungspreis, der rund zehnmal so hoch ist, was Strom in Deutschland sonst kostet. (…) Um solche Dunkelflauten [bis zu 12 Wochen] überbrücken zu können, müssen gemäss Qvist und Ruhnau Wasserstoffspeicher mit einem Fassungsvermögen von 55 Milliarden Kilowattstunden bereitstehen. Das sind mehr als zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs Deutschlands. Speicher dieser Grössenordnung zu bauen, ist aus heutiger Sicht aber völlig undenkbar. Die beiden Energiespezialisten kamen darum zum Schluss, dass es eine zuverlässige Stromversorgung ohne Backup-Kraftwerke nicht geben kann.

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